In den Abendstunden des 13. Februar 1945 zerstörten Bomber die Innenstadt von Dresden. Wie Dresden wurden viele Städte zerstört – am 14. November 1940 beispielsweise Coventry. Lang ist es her, aber die Dresdner halten die Erinnerung an den 13. Februar wach. Seit einigen Jahren sogar mit Vertretern aus Coventry – dieses Jahr reihte sich der Lord Mayor Kelsey in die Menschenkette ein, er war damit einer von geschätzt 17.000, die Hand in Hand einen teils mehrgliedrigen Ring um die Dresdner Altstadt bildeten.
Es hätten wahrscheinlich sogar mehr Menschen sein können, wenn man denn nur problemlos in die Innenstadt gekommen wäre. Denn seit Jahren marschiert ein Haufen Unbelehrbarer auch an diesem Tag – und dieses Jahr beliebten die Nazis vom Hauptbahnhof zum Uni-Campus und quer dadurch laufen zu wollen – und bekamen das genehmigt. Das mag man, als eingefleischter Demokrat, noch hinnehmen: So lange der Staat es nicht schafft, die braunen Horden zu verbieten, genießen leider auch sie den Schutz der Meinungsfreiheit, die ja bekanntlich auch immer die Meinung der anders Denkenden umfasst.
Warum aber die Polizei (und wer auch sonst noch dafür verantwortlich gewesen sein mag) die Innenstadt Stunden vorher hermetisch abriegelt und auch den öffentlichen Nahverkehr lahmlegt, bleibt mir ein Rätsel. Ich wäre gern um zwölf mit der Bahn aus dem Süden Dresdens in die Innenstadt gefahren – doch der Fahrer der Bahn meinte nur: Er dürfe seit zwei Stunden nicht mehr fahren, weil die Bahn eine Straße quert, die gesperrt sei. Mir schwante Übles, und richtig: Auch zu Fuß kam man nicht durch.Nette junge Polizistinnen aus irgendwo standen beispielsweise an der Bergstraße und meinten: Um zur Menschenkette zu gehen, sollten wir … und beschrieb vage einen riesigen Umweg. Und überhaupt, was wir denn hier wollten? „Ihre Kollegin hat uns zur Bergstraße geschickt!“ – „Ja, und wo ist die?“ – „Sie stehen drauf!“ Unserer Bitte, uns zu schützen statt der hier vier Stunden später langlaufenden Nazis und sicher zur angemeldeten Demonstration zu geleiten, wollte sie nicht nachkommen.
Mehrfach stießen wir, ein inzwischen ansehnlicher Trupp abgewiesener Menschenkettenteilnehmer, auf derlei freundliche Polizisten. Die wenigsten von ihnen waren übrigens identifizierbar – weder Namensschilder noch Nummern – die dafür vorgesehenen Felder auf der Uniform waren leer. „Das ist doch skandalös!“ sagte eine Frau, „wie Sie uns systematisch hindern, in die Stadt zu kommen.“ Am Hauptbahnhof gaben sie und ihr Freund auf. Mir gelang es dann noch über eine zwar kontrollierte, aber begehbare Brücke in die Innenstadt zu kommen. Kurz vor zwei – dem Zeitpunkt, an dem sich die Menschenkette schließen sollte – war ich an der Brühlschen Terrasse…
[Karte mit Wunschweg und Wirklichkeit | Beitrag 2009]
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