An Zentren touristischen Interesses ist das gastronomische Angebot meist groß, aber häufig enttäuschend. Das muss aber nicht sein: Mit Blick auf die Frauenkirche, Deutschlands zweitgrößtem Besuchermagnet (nach dem Kölner Dom – aber da gibt’s gegenüber kein gutes Restaurant) hält Küchenchef André Görner-Glatz im „Henricus“ das Feinschmeckerfähnchen hoch, und das nicht einmal mit touristisch überzogenen Preisen. Klar, billig ist es nicht – aber seinen Preis allemal wert. Am einfachsten zu sehen an der Weinkalkulation: Gerade mal doppelt so viel wie beim Erzeuger zahlt man für eine Flasche im Restaurant (andere kalkulieren mit Faktor drei oder höher). Obendrein gibt’s – dann allerdings mit Aufschlag – alle Weine offen.Die Karte ist übersichtlich, sowohl bei den Weinen (je fünf weiße und rote) als auch bei den Hauptgängen (dreimal Fleisch, zweimal Fisch, kein Mal Vegetarisches). Aber im Zusammenklang mit den Vorspeisen und Desserts ist die Auswahl ausreichend, zumal das Angebot wöchentlich wechselt.
Die Küche – für alle einsichtbar, weil im Glaskasten ins Restaurant integriert – grüßte mit Tofu und Kumquats, was kein uns verzückender Auftakt war – selbst wenn man nicht zu den erklärten Tofuhassern gehört, die es ja auch geben soll. Der Abend hatte also Entwicklungspotential, das wir gleich mit einer Französischen Zwiebelrahmsuppe mit Crôutons ausloten wollten. Im unschlagbaren Original in den alten Markthallen von Paris galt sie als eher derbe und schlichte Spezialität, aber am Anfang eines feinen Menüs? Da sollte sie schon ein wenig dezenter daher kommen. Im Henricus beherzigte man diese Überlegung vielleicht etwas zu doll: Rahm machte die Suppe zwar fein, aber dafür schmeckte sie auch eher würzarm-beliebig (und die Crôutons hatten sich zu einer Baguette-Scheibe zusammengefunden, die mit einem Löffel nicht leicht zu decollagieren war). Immer noch Entwicklungspotential…
…aber nicht lange, denn dann kamen die Hauptgänge: Beim Lammrücken Café de Paris & Bohnenpasste wirklich alles. Wir hatten – bei der Ansage – grüne Bohnen erwartet und waren hocherfreut, dass das zauberhaft zarte und endlich einmal wie gewünscht durch und durch nicht durche Lamm rosarot auf knackigen weißen dicken Bohnen lag. Hauchdünne kross gebratene Champignons, Zuckererbsen und Möhren brachten zusätzlich etwas Farbe und Geschmack auf den Teller. Auch die Edelfischvariation mit Ratatouille & Rotweinrisotto war perfekt: Ein Spieß (unter anderem Skrei, Zander und eine Garnele zur Krönung obendrauf) steckte im Risotto. Wir hatten erst Zweifel, ob ein Rotweinrisotto passen würde – aber wurden überzeugt, dass es ging. Man muss eben manchmal quer essen! Die Ratatouille war fein und klein und würzig, eine perfekte Ergänzung zum auf den Punkt gegarten Fisch. Die anschließend zum Dessert servierte “Orangen-Créme brûlée mit Orangenragôut” war ein schöner leichter Abschluss, der den insgesamt positiven Gesamteindruck durchaus stützte.
Im Service hatten wir zwei Damen, die uns recht unterschiedlich bedienten. Korrekt beide, aber der Unterschied zwischen geschraubtem “Darf ich Ihnen gerne einen Aperitif bringen?” und (am Nebentisch) einem freundlichen Schwatz mit Tipps zur Umgebung ist schon gravierend.
Zwei Minuspunkte notierte ich abschließend für Details der (ansonsten recht ordentlichen) Herrentoilette. Im Urinal gab es das Abbild eines Golflochs. Natürlich zielt Mann drauf – aber das ist doch kitschig, oder? Und Kitsch gibt einen Minuspunkt. Den anderen gibt’s dafür, dass der Treffer durch nichts honoriert wird. Wenigstens „For he’s a jolly good fellow“ („a song which is sung to congratulate a person on a significant event, such as a retirement, a promotion, a birthday, the birth of a child, or the winning of a championship sporting event“ – Wikipedia) oder ein ähnlich volkstümliches Lied hätte ich schon erwartet…
Restaurant Henricus
Neumarkt 12
01067 Dresden
Tel.: 0351 – 26 35 96 20
www.restaurant-henricus.de
Geöffnet: täglich 11.00 – 23.00 Uhr
warme Küche 11.00 -14.00 und 17.00 – 22.00 Uhr
Update 2015: Das Restaurant ist geschlossen
[Besucht am 09.02.2011 | Veröffentlicht am 17.2.2011 in PluSZ, Beilage der Sächsischen Zeitung, eine weitere Fassung im Augusto 2011| Lage | Zur Karte der hier besprochenen Restaurants in Dresden und Umgebung]
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