Eigentlich wissen wir es seit 1953: Am 30. Mai ist der Weltuntergang. Bert Roda hat’s aufgeschrieben, und gesungen hat es im Karneval (wann sonst?) Kurt-Adolf Thelen, unterstützt vom Sunshine-Quartett und dem Golgowsky-Quartett. Dazu blies der (wir Damaligen würden sagen: Unvergessene) Will Glahé mit seinem Orchester die Schnätteretäng.
Am dreißigsten Mai ist der Weltuntergang / wir leben nicht mehr lang / wir leben nicht mehr lang! / Am dreißigsten Mai ist der Weltuntergang / wir leben nicht / wir leben nicht mehr lang.
Weil aber Karnevalslieder, einmal geschrieben, möglichst die Session überdauern sollen und man sich trotz des ernsthaften Hintergrunds in der sogenannten „fünften Jahreszeit“ immer gern‘ ein Hintertüchen offenhält, gibt es folgende Hoffnung machende Zeilen:
Doch keiner weiß in welchem Jahr / und das ist wunderbar. / Wir sind vielleicht noch lange hier / und darauf trinken wir.
Man kann es sich anhören und dabei darüber nachdenken, wie sowas es 1954 zum Nummer-eins-Hit in Westdeutschland bringen konnte.
Irgendwann verlieren die Adressaten von derlei Horrormusikmeldungen aber die Lust am Untergang und suchen sich was Neues. Darf’s ein bisschen Maya sein? Aber gerne doch! Wir hätten da praktischerweise was in der Dresdner Unibibliothek, der SLUB: Gut dreieinhalb Meter recht einmalige Handschrift, den Codex Dresdensis. Das ist ein „mexikanisches Buch mit hieroglyphischen Figuren“, das der Bibliothekar Johann Christian Götze 1739 erstand. 40 Jahre später entdeckte man, dass sich da ein wahrer rarer Schatz eingeschlichen hatte: Eine Maya-Handschrift, eine von drei verbliebenen. Den Rest hatten stets wohlmeinende Inquisitoren im Rahmen der Christianisierung verbrannt, was aus verständlichen Gründen auf wenig Gegenliebe stieß.
Drei Exemplare der Handschrift, wie gesagt, gibt es: In Paris, Madrid und Dresden. Öffentlich gezeigt wird nur eine – genau: Die Dresdner. Sie stammt aus der Zeit um 1250, und sie hat jenen Kalenderteil, der für (wie wir wissen: falsche) Schlagzeilen gesorgt hat: Weltuntergang nicht am 30. Mai Egalwelchenjahres! Weltuntergang am 21.12.2012! Wir haben uns die Handschrift vorsorglich diesseits des Nichtuntergansgtages angesehen: In der Schatzkammer im Büchereimuseum der SLUB (täglich 10-18 Uhr bei freiem Eintritt zu besichtigen).
Angedunkelt, klimatisiert, natürlich Fotografierverbot. „Aber unten gibt es ein Faksimile, das kann man gut fotografieren!“ sagte uns der Wachmann am Einlass. Und ich ergänze: Im Treppenhaus hängt eine grooooße Fahne. Außerdem gibt’s die Handschrift digitalisiert im Netz. Vielleicht ist das ja die große Wende, und keinesfalls das Ende: Alles im Netz, um es zu verstehen. Schlaue Leute, die Maya!
Dieses Dokument ist am 17. Dezember geschrieben und wird, so das noch geht, automatisch am 21. Dezember veröffentlicht. Auf das Setzen eines Apfelbaums haben wir wegen der Witterung und der unklaren Urheberfrage verzichtet: Der früheste Beleg für den Martin Luther zugeschrieben Satz „Wenn ich wüsste, dass morgen der jüngste Tag wäre, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen“ findet sich in einem Rundbrief der hessischen Kirche vom Oktober 1944.
(Quelle)
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