Nach Weesenstein reisen

Schloss Weesenstein

Souvenirs Souvenirs
kauft ihr Leute kauft sie ein
denn sie sollen wie das Salz
in der Lebenssuppe sein.
Souvenirs / Bill Ramsey 1959

Schlosspark WeesensteinDie Maßstäbe waren früher ja anders, wenn’s ums Reisen ging. Es dauerte alles länger, wenn man unterwegs war. Die heute so oft beschworene Langsamkeit war nicht ein Traum, sondern Wirklichkeit. Und als es dann langsam schneller wurde, war’s auch nicht recht, weil „Leib und Seele Gefahr liefen, voneinander getrennt zu werden … und dass man zuweilen vor Schmerz laut aufschrie.“ Dieses hübsche Zitat verdanken wir Dr. Andrea Dietrich, der Leiterin der Schlösser und Gärten Dresden und von Schloss Weesenstein. Sie ist quasi Fachfrau fürs Reisen in dieser Zeit, weswegen die Begrüßung im Rahmen einer kleinen Ausstellungseröffnung sehr informativ ausfiel und uns einige hübsche Gedanken brachte.

Schloss Weesenstein im Müglitztal ist ja ein gar abenteuerliches Schloss: Pferdestall im fünften Geschoss, Schlafzimmer im ersten. Spukende Geister (manchmal), eigenes Bier, eigenes Kulturprogramm: Das Schloss war der favorisierte Aufenthaltsort von König Johann (der auf dem Pferd vor der Semperoper!) – man kann es ihm nicht verdenken!

Stilles ÖrtchenWenn man heute nach Weesenstein will, dann geht das in der Regel ganz flott – die meisten kommen ja in ihrer modernen Blechkutsche, da sind vom Zwinger in Dresden je nach Fahrstil und Verkehrslage zwanzig bis 30 Minuten Fahrzeit zu veranschlagen. Aber wer hatte im ausgehenden 13. Jahrhundert, als die Burg auf dem „wysin“ Stein begründet wurde, schon ein Auto? Genau, mangels Erfindung des selben erst im Jahr 1886: keiner. Blieb der Fußweg, in etwa vier Stunden. Mit dem Pferd (was ja nun auch nicht ein jeder hatte) habe ich’s nicht nachmessen können, aber wir lassen uns mal semantisch zum Stahlross leiten und verraten, dass man heute mit dem Fahrrad auch 1:15 bis 1:30 Stunden unterwegs ist – je nach Wind und Kondition.

SühnekreuzAber die Burggrafen von Dohna, die auf ihrem Territorium ein dichtes Netz an Dörfern, Herrensitzen und Burgen angelegt hatten, waren eh nicht auf Touristen aus. Denen ging es eher um Machtsicherung. Der „weite Blick auf die Talaue“ und die „perfekte Einsicht in die unterhalb [der Burg] gelegene Engstelle des Tales“ machten Weesenstein aus Burgherrensicht zu einem schönen Punkt im Tal. Nachdem die Herrschaft der Burgherren von Dohna nach einem ziemlichen langwierigen Streit (der mit einem Flirt, einem Beinchen stellen und einer Ohrfeige beim Tanzen begann) beendet war, wurde es gemütlicher auf Weesenstein: die adlige Familie von Bünau machte aus der unwirtlichen Burg nach und nach eine wohnliche Schlossanlage. Das Schloss wird zum wirtschaftlichen und repräsentativen Zentrum einer umfänglichen Grundherrschaft. Tourismus gibt’s immer noch nicht, jedenfalls nicht solchen, wie wir ihn heute kennen – aber die Anlagen sind gelegt: Weesenstein wird ansehnliches Schloss.

MauerWir kommen nun so nach und nach unserer Zeit näher – vor zweihundert Jahren ging’s dann langsam los mit den Touris. Und was machten die Dresdner, diese fischelanten Fremdenfreunde? Sie erkannten ihre Chance: „Die Prellerey in den besuchtesten Ausflugsorten um Dresden ist unerhört. … Wer sich an den Schöpfungen der Natur wie der Kunst erfreuen will, muss jeden Schritt bezahlen, jeden Genuss mit Geld aufwiegen“ zitierte Dr. Dietrich eine (im Vortrag nicht näher benannte) Quelle und konnte nicht umhin festzustellen, dass diese Zitate nun wirklich nichts mit dem Eintrittsgeld für den Schlosspark in Pillnitz zu tun haben. Da mussten sogar die lachen, denen bei dieser Idee sonst gar nicht danach zumute ist.

Weesenstein TreppenAber was soll’s, die Touris kommen ja trotzdem, weil die Reiselust eben ihren Reiz hat, wegen der Landschaft und der ganze Kunscht in der Frembde. Das mussten Individualreisende wie unser alter Freund und Kupferstecher Adrian Zingg feststellen, als er um 1780/1790 herum mit seinem Freund Anton Graff die Sächsische Schweiz beim Durchwandern dieser Gegend quasi touristisch erfand, das merkten aber auch die ersten Pauschalis, die folgten – nachdem am 5. Juli 1841 Thomas Cook ausgerechnet mit einer Fahrt von Abstinenzlern den Massentourismus eingeläutet hatte. Damals ging es dem Laienprediger nicht ums Geldverdienen, er wollte die Menschen weg von der Ginflasche und hinaus an die frische Luft bringen. Da hat sich dann im Laufe der Zeit doch viel geändert…

Weesensteiner VergissmeinnichtNachdem die werktätigen Massen dann Dank verschiedener Erfindungen (Dampfschiffe! Eisenbahn! Urlaub!!!) das Reisen für sich entdeckt hatten, war der Lauf der Geschichte nicht mehr aufzuhalten. Und natürlich wollten alle immer etwas mehr mitnehmen als den flüchtigen Eindruck – und da es ja noch keine Smartphones gab und auch die ganze Fotografiererei sich erst allmählich zum Volkssport entwickelt hat, gab es Souvenirs, Erinnerungsstücke. Die „Reiseandenken einer vergangenen Zeit“, die man jetzt an verschiedenen Stellen in den vorhandenen Besichtigungsrundgang im Schloss Weesenstein eingebaut hat, sind trefflich zwischen Kitsch und Kunst angesiedelt.

(Sonderausstellung „Weesensteiner Vergissmeinnicht“ seit 12. April 2014; kein gesonderter Eintritt.)

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Schloss Weesenstein
Am Schlossberg 1
01809 Müglitztal / OT Weesenstein

Tel. 035027 / 626-0
www.schloss-weesenstein.de
Öffnungszeiten und Preise

 

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