Das Perlhuhn
Das Perlhuhn zählt: eins, zwei, drei, vier …
Was zählt es wohl, das gute Tier,
dort unter den dunklen Erlen?
Es zählt, von Wissensdrang gejückt,
(die es sowohl wie uns entzückt):
die Anzahl seiner Perlen.
Christian Morgenstern, Palmström (in: Ausgewählte Werke. Leipzig 1975, S. 300-301)
Essen bildet. Wer sich beispielsweise dieses Jahr im Rahmen der Kochsternstunden aufmacht nach Hellerau, kann sich anlässlich eines Besuchs in Schmidt’s Restaurant in eine abendliche Weiterbildung rund ums Perlhuhn vertiefen. Es handelt sich um eine duale Ausbildung mit Theorie und Praxis. In der Theorie lernt man in der Abteilung Literatur den eingangs zitierten Palmström kennen und in der Biologiestunde beispielsweise, dass Perlhuhn-Paare „saisonal monogam“ leben. So steht es wenigstens in der Wikipedia übers Perlhuhn und ich überlege, ob es da Vergleichbares bei Menschen auf Mallorca auch gibt.
Bevor wir da zu Ergebnissen kommen, gibt es aber im Praxisteil im Schmidt’s ein Menü, das unter dem Motto Perlhuhn & Friends wahlweise als 4-Gang-Menü (49,50 €, inkl. Weinbegleitung 68,50 €) bzw. als 3-Gang-Menü (ab 39,50 €/54 €) serviert wird. Wir fanden es tapfer und aufregend, ein Menü rund ums Perlhuhn zu stricken und waren insgeheim ein wenig froh, dass es beim Dessert nicht Perlen vom Huhn gab, sondern was Ordentliches (Cannelloni von Schokolade und Eukalyptus mit grünem Apfel und Sauerampfersorbet, um das vorweg zu nehmen – mit einem Sorbet, an dem sich die Geister schieden, denn Sauerampfer macht nicht alle lustig).
Neben dem Leitmotiv Perlhuhn hatten sich die Schmidt’s-Macher eine Zusatzaufgabe gestellt, die schon beim Lesen der Karte die größere Herausforderung schien: Es sollte nur Weine vom Radebeuler Weingut Drei Herren geben. Nicht, dass die Herren (bei denen die Zahl drei nie wirklich erreicht wurde, aber Namen sind bekanntlich Schall und Rauch…) es nicht könnten – bei der Aufzählung der Guten in Sachsen kommt das 5,2-ha-Weingut durchaus vor. Aber ob die Weine alle perlhuhnkompatibel sind? Da antworten wir schon mal vorab mit einem beherzten naja – wobei es eigentlich ging, so lange wir Perlhuhn hatten…
So, nun aber mal der Reihe nach! Wer noch nie im Schmidt’s war: Das Restaurant ist Teil der Hellerauer Werkstätten und optisch ein chicer moderner Glanzpunkt des Ensembles. Aber man ist nicht nur der Architektur verpflichtet: Seit über 20 Jahren ist das Schmidt’s auch eine feste Adresse bei Gerneessern. Zum guten Stil des Hauses gehört, dass die Tische fein eingedeckt sind – unsere Serviette, so als kleines Schmankerl, wurde mit einem Kochsternstunden-Ring zusammen gehalten, und der am Ende des Abends nötige Zettel mit den Bewertungscodes lag auch schon am Platz (dezent unterm Papierserviettenring versteckt). Roman Müller bediente uns an diesem Abend: kompetent und kreativ bei der Auswahl einer alkoholfreien Essensbegleitung, nett (das ist bei uns kein Schimpfwort und auch kein kleiner Bruder von was Unschönem, sondern so gemeint!) und flink. Der Service bringt, auch das gute Tradition im Hause, vorab dreierlei Brot mit dreierlei Aufstrich – gut so! Und er bringt, auch das schon mal vorweg, vor dem Hauptgang ein Sorbet, das den Magen ein wenig aufräumen hilft. Grüner Apfel passt, weil das erfrischt.
Die Vorspeise war eine (erfreulich heiße) Velouté vom Perlhuhn mit Saibling –dry aged– aus Langburkersdorf und Bachkresse. Dry aged im Zusammenspiel mit Saibling klingt etwas zu heischig-modern, aber so lange es schmeckt… Was könnte zu einem kräftigen Süppchen passen? Ein leichter Weißwein vielleicht? Gibt es, sogar als hauseigene Cuvee: „Schmidt’s lecker Weißwein“ ist unkompliziert und in der Tat lecker (wieder so ein Wort, das für Viele zu banal zum schreiben ist. Aber wenn es doch lecker ist?)! Zum Zwischengang kam uns das Huhn gerupft: „Pulled Perlhuhn“ im Süßholz-Knuspermantel mit Safran-Schalotten, Chorizo und Blue Master klingt kompliziert, ist es aber nicht. Das zerrupfte Huhn kam in einem nicht nur dem Namen nach knusprigen Ummantelung wieder in Form, wurde links und rechts mit einem deutlich pikanten Chorizo-Chip gestützt und vor allem geschmacklich aufgewertet. Mit den Schalotten und dem Blue Master (Blauschimmelkäse) zusammen ergab das in der gelungenen Kombination schon eine veritable Geschmacksbombe. Ein 2015er Regent Rosé mit wenig Restzucker und deutlicher (aber angenehmer) Säure konnte gut mithalten.
Nach dem Zwischenspiel (Apfelsorbet – da hätte sicher ein Calvados gut zu gepasst, aber wir waren ja Drei-Herren-Weintrinker) gab es einen gut gefüllten Hauptgang-Teller: Suprême vom Perlhuhn –sous vide– mit Pot au feu vom sächsischen Krebs, Lardo, Kopfsalatcrème und Leindotteröl, wobei das Öl aus den Samen des Leindotters zuerst in einer Pipette gefangen gehalten war und nach eigenverantwortlichen Betröpfeln des Fleisches einen Hauch von Heu-Geruch verströmte. Dank der Garmethode war das Fleisch zwar supersaftig, aber die Haut mit der darunter liegenden Fettschicht eben leider auch superschlaff. Wir vermuteten, dass uns traditionelle Garmethode als alternative Fakten hätten überzeugen können, wurden aber durchs Pot au feu und ein wahrhaft lecker Sößchen gut getröstet. Ein ausgezeichneter 2015er Weißburgunder (mit Gold ausgezeichnet bei der AWC Vienna) war somit zum Trösten nicht nötig, aber dennoch sehr willkommen.
Beim schon eingangs erwähnten Dessert stieg die Gesprächsbedarfkurve dann noch einmal steil an. Das lag einerseits am Sauerampfersorbet, das kräftig nach Sauerampfer schmeckte – was ja eigentlich ein gutes Zeichen ist. Aber die kräftige Oxalsäure und das leicht Dumpfe am Gaumen ist nicht Jedermanns Sache. Mir gefiel’s, anderen am Tisch nicht so: über Geschmack lässt sich trefflich streiten. Ob diese Binsenweisheit auch für den begleitenden Wein gilt? Schwer zu sagen, vielleicht gibt’s ja jemand, der die 2015er Solaris Spätlese so richtig dolle mag– bei uns am Tisch fand sich keiner: zu schwachbrüstig, zu nichtssagend. Und vor allem nicht zum Dessert passend, unserer Meinung nach. Vielleicht könnte man da ja nachbessern – es gab ja auch kein Perlhuhn, da könnte es ja auch ein anderes Weingut werden…
Schmidt’s Restaurant
Moritzburger Weg 67
01109 Dresden
Tel. +49 351 / 8044883
www.schmidts-dresden.de
Öffnungszeiten
Mo–Fr 11.30 – 14.30 Uhr und 17.30 – 23 Uhr
Sa 17 – 23 Uhr
So geschlossen
Hinweis:
Die STIPvisiten sind Partner der Kochsternstunden.
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