Alle reden gerne von der Servicewüste Deutschland. Aber es gibt auch Orte, die Oasen sind in der Wüste. In Bülow’s Bistro, dem legeren Outlet des ausgezeichneten Caroussel (ein Michelin-Stern, 17 Punkte im Gault Millau) erlebten wir beim Offenen Tisch der Kochsternstunden, wie einfach man einfach nur gast-freundlich sein kann.
Die Tafel im Bistro war eingedeckt: Blumen, Wassergläser, Weingläser, Bestecke, Servietten. Aber da dieser offene Tisch an einem Sonntag stattfand, schon um 17 Uhr begann und obendrein die Sonne schien, traf man sich draußen vor der Tür. Drei stehen da schon und schwatzen, jeder in der Hand ein Glas mit Prickelndem. Wir kommen hinzu – und kaum dass wir zur Begrüßung Hände geschüttelt hatten, stand eine lächelnde Bedienung vor uns, mit zwei Gläsern auf dem Tablett. Das fanden wir toll, aber die causa wäre bis hierhin vielleicht nicht der besonderen Erwähnung Wert gewesen. Aber während wir uns noch über den Mann mit der schwarzen Kapuze unterhalten, der in der südenglischen Stadt Bristol als selbsternannte Grammatik-Bürgerwehr falsch gesetzte Apostrophe und anderen Katastrophen an Wändern und Schildern bekämpft und wir uns überlegen, ob der nicht auch mal durch die Königstraße in Dresden gehen könnte, stößt ein Paar mit Baby im Schlepptau zur Gruppe. Sofort erscheint die freundliche Bedienung – mit drei Gläsern auf dem Tablett. Nein, nicht eins fürs Baby – sondern für die junge Mutti zur Wahl: mit oder ohne Alkohol. Derlei mitgedachte Gastfreundlichkeit machte uns baff und die Mutter auch – sie nahm übrigens die alkoholfreie Variante, das übrig gebliebene Glas mit fand allerdings auch schnell einen Abnehmer…
Die Freundlichkeit hat einen Namen: Maria Quiring. Sie bediente uns das ganze Menü über gleichbleibend aufgeschlossen und brachte uns kompetent und souverän die Weine nahe, die das Menü begleiteten (4 Gänge 41 € / inkl. Weinbegleitung 68 €, 3 Gänge 35 € / 56 €). Zum Essen sagte sie nichts, das tat Bistro-Chefkoch Sebastian Bellmann, der jeden Gang mit an den Tisch brachte und erklärte. Wunderbar, die Gesichter hinter den Leistungen zu sehen!
Der erste Gang (nach zweierlei Brot mit Butter und Dip) erhielt bei mir spontan das Prädikat „allerfeinster bester erster Gang“ der (bisher probierten) Kochsternstundenmenüs. Hinter Cannelloni von der sächsischen Goldforelle, Fenchel und Gurke verbarg sich ein fabelhaftes Spiel von Geschmäckern und Texturen, wobei die knackigen frischen kühlen Gurkenwürfelchen uns ganz besonderen Respekt dem Gurkenschnippler gegenüber abrang. Mit dem 2015 Grüner Veltliner Ried Altweingarten vom Eschenhof Holzer, Wagram, Österreich begleitete ein saftiger Grüner Veltliner den Gang perfekt, bei dem uns die Kombination aus feiner Säure und spürbarem relativ langem Nachhall begeisterte.
Beim zweiten Gang schieden sich die Geister schon lange bevor er kam: Bei Belper Knolle, Sellerie und Kaninchenniere entzündete sich die Diskussion an der kleinen unschuldigen Kaninchenniere. Gefühlt die Hälfte der Anwesenden bekannte sich zu einem Mag ich nicht! – wobei auf Nachfrage etliche davon noch nie Kaninchenniere gegessen hatten. Im Umfeld der Freunde versuchte ich zwar noch zu überreden (wo, wenn nicht hier kann man derlei Dinge probieren?!), jedoch mit wenig Erfolg. Das Angebot der Bedienung, die Küche können statt Nierchen auch ein Krustentier unterbringen, tat ein Übriges. Da bewegt man sich geschmacklich ja auf sicherem Terrain. Kaum diskutiert wurde die Belper Knolle, obwohl auch hier etliche Knollennovizen am Tisch saßen (ich inklusive). Von „schon wieder eine neue Kartoffelsorte!“ bis zu „da bin ich aber gespannt“ gab es die große Belper Offenheit – und als dann klar wurde, dass die Belper Knolle ein Käse ist, den man wie Trüffel ins Gericht hobeln kann, war nirgendwo Enttäuschung zu sehen. Na klar, wo es doch schmeckt! Und die Niere? Zart und fest, obendrein gut versteckt unterm Selleriestroh. Blind gegessen wäre keiner auf Niere gekommen: Probieren ist das beste Studieren! Dazu ein Wein, der einen Vogel (auf dem Etikett) hat – einen Steinschmätzer, wie Maria Quiring uns verriet. Der vom Aussterben bedrohte Zugvogel nistet in den besten Weinlagen des Weinguts Michel (Rheinhessen), dessen 2015 Weißburgunder & Chardonnay ein Nasen-und-Gaumenwein mit schmelzigem Abgang ist.
Wer sagt, dass es immer Filet sein muss beim Lamm? Wenn man’s kann, sind andere Teile durchaus würziger, kräftiger. Wir genossen daher Rosa Lammschulter, Kohlrabi, Nussbutter und gesalzenes Apfel-Karamell-Püree und erfreuten uns an dem saftigen Stück Fleisch. Dazu ein 2013 Terra di Brolio IGT Barone Ricasoli aus der Toskana – eine Cuvée aus 60% Merlot und 40% Cabernet Sauvignon, die sich als sehr süffiger Essensbegleiter mit verhaltener Säure erwies. Stichwort süffig: Was wir anschließend im Glas hatten, war ein saftiger Süßwein, bei dem aus kleinen Flaschen Großartiges kam. Die 2015 Rieslaner Auslese vom Weingut Ellermann-Spiegel aus der Pfalz hätte man am liebsten gleich flaschenweise genossen (sind ja nur 0,5 l-Flaschen!), weil die relativ hohe Säure den Restzucker toll in der Balance hielt. Zum Wein schmolzen wir beim Dessert dahin: Karotte, Kardamom und weiße Schokolade waren optisch ein weiteres Highlight des Menüs – und geschmacklich von der Kategorie süchtig machend. Man muss uns das innere Verlangen angesehen haben, Küche und Keller hatten noch stille Naschreserven…
Bülow’s Bistro
Königstraße 14
01097 Dresden
Tel. +49 351 / 80030
www.buelow-palais.de/buelows-bistro
Öffnungszeiten:
täglich ab 11.30 Uhr
Die STIPvisiten sind Partner der Kochsternstunden.
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