Eigentlich, meinte der Inhaber einer bundesweit bekannten Weinbar in einem Eckhaus des Dresdner Stadtteils Striesen neulich, eigentlich sollten in diesem Stadtteil doch alle Eckhäuser die Heimat irgendeiner Bar, eines Restaurants, einer Kneipe sein. Eine bezaubernde Idee – die seit fast einem Jahr der Realisierung eine Ecke näher gekommen ist, denn an der Ecke Wittenberger Straße–Pohlandstraße gibt es die Cantina. Das ist ein Restaurant, das mit seinen Öffnungszeiten einem eher ungewöhnlichen Konzept eine Chance gibt: geöffnet täglich (außer sonntags) ab zehn Uhr morgens bis abends um zehn (bzw. elf am Wochenende). Es gibt also Frühstück (korrekter, weil es es sich trotz des Betreibers mit dem urdeutschen Namen Schmidt um ein spanisches Restaurant handelt: desayuno), unter der Woche Mittagessen (almuerzo), nachmittags Kaffee oder Tee mit Kuchen und abends Tapas und Wein, aber wahrscheinlich bekommt man den auch schon früher, wenn man will. (Update 2019: seit einiger Zeit ist weder zum Früstück noch zum Mittag geöffnet)
Wir waren, weil ich das Konzept anfänglich aufgrund flüchtigen facebook-Lesens nicht richtig verstanden und den Laden mehr als Café eingeordnet hatte, erst jetzt da, an einem Samstagabend. Da war es eine gute Idee, vorab zu reservieren, denn die begehrten Draußen-Plätze waren alle vergeben. Glück hatte das Paar, dass (höflich! nett!) trotz der zahlreichen „Reserviert“-Schilder nach einer Chance fragte: Da seien Gäste schon lange überfällig, er würde den Tisch hiermit freigeben, entschied der Chef, Herbert Schmidt. Glück für die, die es versucht haben, und Glück fürs Restaurant, dass sich jemand fand – aber warum Leute einen Tisch reservieren und ohne abzusagen nicht kommen, wird sich mir nie erschließen. Es gibt doch Telefon (oder, wenn man sich schämt, WhatsApp, Messenger, E-Mail – ich glaub‘ aber nicht, dass sich Nichtabsager schämen).
Zurück an den Tisch. Wir hatten die Karte vor uns und fanden eine nicht überraschende Auswahl an Tapas – was man so erwartet. Überrascht waren wir vom Teil zwei der Karte, der mit den Weinen. Die meisten „Spanier“ bieten hierzulande ja eher unspektakuläre Weine an, meistens eben die gängigen spanischen. In der Cantina ist das anders, was man schon am Slogan merkt: „Wein ist die Antwort! …was war die Frage?“ Die Antwort ist übrigens nicht nur einfach Wein, sondern guter Wein – und keineswegs nur spanische (gegen die überhaupt gar nichts zu sagen ist, wenn die Auswahl stimmt – nicht dass wir uns da missverstehen), sondern auch ein paar tolle deutsche. Und da wurden wir gleich mehrfach fündig und baten um Hilfe: diesen oder jenen? Nach kurzen Zwiegespräch kam ein dritter, auf den wir nicht gekommen waren: Ein 2014er Pinot Blanc Handwerk vom Weingut Gebr. Ludwig an der Mosel – und der passte perfekt. Der Wein wurde auf der Maische vergoren und im Barrique ausgebaut und ist, wenn man das mal so in einem Wort zusammenfassen soll, süffig. Großer Trinkfluss ist ja etwas, was Winzer wie Gäste freut: Ziel erreicht.
Beim Essen mussten wir nicht fragen, weil wir wussten, was wir wollten. Gemein wie wir samstags manchmal sein können, bestellten wir nur Dinge, die wir andernorts schon mit allergrößtem Vergnügen gegessen hatten. Und weil wir nicht genau wussten, wie groß die Portionen sind und wie die mit unserem nicht allzu großen Hunger korrelieren, bestellten wir in drei Tranchen. Zuerst (noch vor dem Wein und zum Aperitif Sherry/White Port) den obligatorischen Brotkorb mit Aioli (3,00 €) nebst Pimientos (4,00 €). Die Knofelmajo gehörte eindeutig zu den besseren der jemals gegessenen, auch weil sie nicht allzu heftig geknofelt war. Viel Brot war’s nicht, aber das war wohl auch besser so – man nascht sich ja sonst gleich zu Beginn satt. Dafür war’s knackig außen und fluffig drinnen, also bestens. Die Pimientos ließen jegliche Schärfe vermissen (nicht schlimm zur Vorspeise!), aber sie waren uns zu wenig durchgegrillt.
Runde zwei mit Chorizo (4,50 €), Papas Arrugadas con Mojo rosso (3,50 €) sowie aus der Abteilung der raciones, also größeren Portionen, einem Pulpo mit Orangen-Fenchel-Gemüse (10,90 €) zeigt die Richtung der Küche: sie mag offenbar die fruchtig-würzige Geschmacksrichtung. Die Chorizo von angenehmer leichter Schärfe, der Pulpo zwar straff, aber nicht zäh mit sehr angenehmer Orangen-Fenchel-Begleitung – und alles im zarten Gelbton überzogen (von leichtem Curry oder Kurkuma, da waren wir uns nicht einig). Die papas arrugadas kennen wir ja von La Gomera und anderen Kanaren-Inseln – die sind dort unerreichbar. Aber für Dresdner Verhältnisse (also ohne die spezielle Kartoffelsorte der originalen papas arrugadas und ohne Meerwasser zum Kochen) waren die Kartoffeln gut – und die Sauce dazu sowieso: tomatig und scharf genug. Wobei an den Originalschauplätzen der Runzelkartoffel wohl keiner auf die Idee käme, einen Dillzweig in die Sauce zu stecken. Aber man muss den ja nicht mit essen…
Vor dem Dessert war dann noch ein kleines Löchlein im Magen für Pollo con Miel (4,90 €) mit relativ geschmacksbefreitem Huhn, aber einer ordentlichen Portwein-Sauce. Mit den Saucen haben sie’s sowieso: die zur Chorizo war – pardon – echt geil und bestand nicht nur aus Port, sondern auch aus Rotwein, erfuhren wir. Schade, dass keine Löffel mit serviert wurden (die wären eh ein gutes Werkzeug, wenn man sich die Tapas teilt – und dazu lädt die Cantina ja ein, weil sie die kleinen Portionen – wie meist in Spanien – zentral auf einem Brett serviert und nicht in urdeutscher Manier den einzelnen Bestellern zuordnet).
Das Dessert klang nicht ganz so spanisch wie der angebotene Mandelkuchen oder die Crema Catalana – aber wenn jemand Schokomalheur anbietet, können wir nicht nein sagen. Unseren Favoriten konnte es nicht vom Hocker stupsen, aber ein ordentlicher Anwärter auf einen der folgenden Plätze war das Schokoküchlein mit nicht ganz durchem Inneren durchaus…
Cantina
Wittenberger Str. 76
01309 Dresden
Tel. +49 351 / 65 61 55 55
www.cantina.cafe
Öffnungszeiten (aktualisiert 2019):
Mo-Sa 15–23 Uhr
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