Man müsse das Rad ja nicht zweimal erfinden, sagt man gerne beim Rückgriff auf Bewährtes. Aber wenn man dann mal nachhakt, wann das Rad erfunden wurde, wird’s eng: Offensichtlich ist es mehrfach erfunden, irgendwann vor vier- oder fünftausend Jahren und an verschiedenen Irgendwos in Asien und Europa. Ganz anders ist es beim Fahrrad: Das wurde, ist man sich einig, 1817 von Karl Friedrich Christian Ludwig Freiherr Drais von Sauerbronn erfunden, einem schelmisch dreinblickenden Forstbeamten und Erfinder aus Karlsruhe.
„Diese Erfindung vor 200 Jahren war revolutionär!“ sagt Joachim Breuninger, Direktor des Dresdner Verkehrsmuseums: erstmals in der Geschichte seien zwei Räder hintereinander bei einem Verkehrsmittel benutzt worden, das Prinzip des Balanzierens damit eingeführt. Es sei eine Erfndung, die die Welt verändert habe – Fahrräder sind heute weltweit das häufigste Verkehrsmittel, auch in Deutschland stehen ca 45 Mio. PKW etwa 80 Mio. Fahrräder gegenüber. Dass die Gewaltenteilung auf den Straßen dem auch und gerade in Dresden nicht entspricht, beklagen vor allem Radfahrer wie Breuninger: „Es ist nicht leicht, in Dresden Rad zu fahren. Radwege enden im Nichts, die Belege mancher Wege haben den Namen nicht verdient und andere Dinge mehr!“ sagte er. Vielleicht sollte man, schlug er im Gespräch vor, bei der Bewerbung zur Kulturhauptstadt auch über die Radfahrkultur nachdenken…
Ein Baustein könnte die laufende Sonderausstellung sein, die weniger die Geschichte des Rades abarbeitet (die wird, quasi nebenbei hängend, mit einigen Modellen aus dem Bestand des Museums nur kurz gestriffen), sondern mit 19 Portaits von Radfahrern Geschichten aus zehn Themenbereichen erzählt. Zu sehen sind dabei die Räder dieser 19 Radfahrerinnen und Radler – eine Herausforderung der besonderen Art: „Es handelt sich ja um echte Fahrräder von echten Menschen“, erläutert Joachim Breuninger und ergänzt lachend: „Ihre Räder haben sie teils nur widerwillig zur Verfügung gestellt!“ Herausgekommen sei dabei aber eine spannende Ausstellung, die zudem die interaktivste in der Geschichte des Verkehrsmuseums sei.
Wie die Interaktivität aussieht, demonstrierte bei einer Pressekonferenz im Vorfeld Benjamin Otto. Er ist Kurator der Ausstellung und passionierter Radfahrer. Für die Ausstellung konnte er die beiden Leidenschaften verbinden: mit seinem eigenen Rennrad fuhr er das Stilfser Joch hoch und runter. Eine Actioncam am Lenker filmte die Tour. Den Film kann man nun sehen – und dank virtual reality selbst nachradeln. Benjamin Otto machte es vor – und wusste, warum er sich die Jacke auszog: trotz Simulation kann man da ganz schön ins Schwitzen kommen. Kleiner Insider-Tipp an dieser Stelle: Einmal wird das Rad im Film von einem Motorradfahrer überholt. Später (es geht da schon bergab) sieht man das Motorrad noch einmal…
Auch interaktiv und gegebenenfalls gemütlich, auf Wunsch aber auch anstrengend, ist ein anderer Punkt. Hier soll mit dem Rad die deutsche Grenze abgefahren werden. Für die komplette Umrundung braucht’s rund 4.700 Kilometer – vor der Eröffnung befand sich die Markierung noch in Dresden, logisch. Ein großes Smartphone-Display zeigt unter anderem Geschwindigkeit, zurückgelegte Strecke und die Wattzahl an. Und damit die nicht so abstrakt bleibt, haben die Ausstellungsgestalter Tanja Unger, Matthias Zänsler und Oliver Reinecke vermerkt, was für ein Gerät damit betrieben werden könnte. So radelt man sich an Energiesparlampe (11 Watt), Laptop (50 Watt) und Pürierstab (200 Watt) vorbei bis zum Eierkocher und der Dunstabzugshaube. Kann schon sein, dass man da dann einen Lachflash bekommt und wieder zurückfällt. Ziel ist übrigens das Bügeleisen (1200 Watt)…
Die portraitierten Radfahrer*innen sind über Kurzfilme präsent und geben dort in anklickbaren Kurzfilmen Antworten auf Fragen zu ihrer Fahrradgeschichte. Bei der Pressekonferenz live dabei war der Weltumradler Stefan Utke, der von 2013 bis 2015 durch 15 Länder auf drei Kontinenten reiste und dabei 13.500 Kilometer zurücklegte. Sein Resümee: „Die Gastfreundlichkeit, die mir unterwegs begegnet ist, war unfassbar!“ Er achte nun mehr auf Menschlichkeit denn auf materielle Dinge.
Während der Laufzeit der Ausstellung findet sich vor dem Verkehrsmuseum eine Selfie-Station. Wer sich dort mit seinem Rad fotografiert, wird mit seinem Bild auf einer Leinwand am Eingang der Ausstellung (im 1. OG) zu sehen sein. Unter allen Teilnehmern wird nach Ende der Ausstellung ein hochwertiges Trekkingrad der Dresdner Fahrradmarke GS Velo verlost. Das Gewinner-Foto wird am 20. März 2018 auf der Homepage des Museums veröffentlicht.
Verkehrsmuseum Dresden
Augustusstraße 1
01067 Dresden
Tel. 0351 / 8644-0
www.verkehrsmuseum-dresden.de
Geöffnet:
Dienstag bis Sonntag von 10 – 18 Uhr · Montag geschlossen
Sonderausstellung „Ich.Fahr.Rad. Fahrradgeschichte(n)“
30. September 2017 bis 18. März 2018
Begleitprogramm
Kuratorenführung durch die neue Sonderausstellung „Ich.Fahr.Rad. Fahrradgeschichte(n)“
Termine: 7. Oktober, 18. November, 13. Januar, 10. Februar, 17. März
jeweils 15 Uhr
Dauer: etwa 60 Minuten
ohne Voranmeldung und kostenlos
Filmprogramm
Wurzeln, Dreck und Steine. Dokumentarfilm
18. Oktober, Führung (18 Uhr) und Filmvorführung (19 Uhr) im Beisein der Filmemacher, 9€
Bike shorts! Fahrradfrühstück mit Kurzfilmen zum Thema „Fahrrad“
14. Januar, 10:30 Uhr, 9€
Vorträge/Podiumsdiskussion
„Freiheit auf zwei Rädern – meine Radreise von Dresden nach Neuseeland“
1. November, 18 Uhr, Eintritt: 3€
„Mit Hightech auf Spur – 200 Jahre (R)Evolution beim Fahrrad“. Eine Veranstaltung des VDI, 29. November, 18 Uhr, Eintritt frei
„Fahrradstadt Dresden? Rückblicke, Einblicke, Ausblicke“. Eine Veranstaltung des ADFC Dresden und der Stadt Dresden, 8. Februar 2018, 19 Uhr, Eintritt frei
Herbstferienprogramm
Fahrrad-Mechanikerwerkstatt mit Bike24 am 4. und 11. Oktober, 10:30 bis 12:30 Uhr (mit Voranmeldung: fuehrungen@verkehrsmuseum-dresden.de, 0351 8644-133)
Finissage
Fahrrad-Ausstellung der Golden Riders im Lichthof
18. März, 10-18 Uhr, Eintritt frei
Ergänzungen und Änderungen auf der Webseite des Museums…
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