20 hin und eine zurück – der Qualität wegen

Besuch der Felsengartenkellerei Besigheim – mit Planwagenfahrt zu den Steilhängen am Neckar

Grauburgunder überm Neckar

Wein aus SteillagenDas Bild ist beeindruckend: da hängt ein Winzer in der steilen Kletterwand, die Tragbütte voll mit roten Trauben. Wein aus Steillagen steht auf dem Bild – und man möchte am liebsten gleich ein Glas davon probieren. Im Prinzip kein Problem: in der Felsengartenkellerei Besigheim verkaufen sie den. Aber das wäre ja nun doch zu einfach! Wir begeben uns in die Steillagen – aber wir klettern nicht, sondern fahren mit dem Planwagen hoch.

Wilhelm PfitzenmaierDen Trecker vor dem Wagen steuert Wilhelm Pfitzenmaier, ein aktiver Weingärtner und ein fabelhafter Weinerlebnisführer. Früher hatte der Wengerter (wie die Schwaben sagen, das Wort Weingärtner ist ja nicht so für die schwäbische Zunge gebaut) mal 15 ha bewirtschaftet, heute – aus gesundheitlichen Gründen – nur noch fünf. Zum Ausgleich bewirtschaftet der Mann mit dem Sonnenhut und dem profunden Wissen dann eben Gäste und erzählt ihnen kenntnisreich und mit mehr als nur einer Prise Humor, was im Weinberg so abgeht. Und als Zuhörer ahnt man dann, wie viel Arbeit erledigt werden muss, bis man so ein Glas Wein in der Hand hat und es – bestenfalls – genießen kann.

Sicherer Halt im PlanwagenDas Schöne an so Planwagen-Touren ist ja, dass der Genuss quasi garantiert ist: Die Pferdestärken im Trecker ziehen den Wagen, der umsichtige Wengerter hat Wein gekühlt und die Gläser rüttel- und schüttelfest im Wagen verstaut. Weinprobe on Tour, die Zusammenführung von Riechen und Schmecken im natürlichen Habitat des Weins: im Weinberg. Und ja: hier ist Berg durchaus angemessen, denn die sanfte, manchmal an die vorbildlichen Hügel der Toskana erinnernde Landschaft fällt hier in Steillage zum Neckar herab.

Weinsicht NeckarAn der Schönsten Weinsicht Württembergs 2016 wird spontan klar, was das Deutsche Weininstitut mit der Auslobung dieses Preises vorhat: es will, dass die Leute an eben diesem Ort stehen und „Hach!“ ausrufen oder alternativ dazu einfach sprachlos sind, weil’s so schön ist. Wilhelm Pfitzenmaier geht mit einer Truppe Journalisten, die die Weinlandschaft erkunden wollen, ein paar Meter vom Wirtschaftsweg durch die Zeilen bis zur Aussicht. „Man erkennt hier genau, wer Pessimist ist und wer Optimist!“ merkt er an: die einen haben die Frostruten stehen gelassen (die Eisheiligen könnten ja noch vorbei schauen!), die anderen haben sie bereits abgeschnitten.

Wir sind Realisten und freuen uns, dass der Willi ein Weinerlebnisführer ist, wo ja auch die prägenden Wortbestandteile Wein und Erlebnis drin stecken. Vorsorglich hatten wir alle unsere Gläser aus dem Wagen mitgenommen und wurden nicht enttäuscht: es gab einen Grauburgunder aus der Linie Fels. Innerhalb der Linie kostet jede Flasche das gleiche (8,50 € aktuell), was für württembergische Verhältnisse schon nicht wenig ist. Aber auch der Schwob‚ kann da mitgehen, denn in den Fels-Flaschen ist Wein aus ertragsreduziertem Lesegut, das aus besten Weinbergslagen stammt, die häufig mit überwiegend alten Reben bestockt sind.

SteillagenAus den Steillagen kommt der Wein nicht, denn das sind ja die allerbesten Lagen! Aber leider auch nicht die leichtesten, denn wenn sie hier steil sagen, dann meinen sie das auch so. Um den genießenden Mitfahrern einen kleinen Eindruck zu verschaffen, dürfen sie den Berg runter gehen – über eine Treppe mit sehr alten Stufen – „342 oder 279, ich hab’s nicht gezählt!“ meinte Wilhelm Pfitzenmaier. Runter! Und ohne Tragbütte! Man mag sich nicht vorstellen, wie das ist, wenn man mit der gefüllten Kiepe hoch kraxeln muss. Winzer zu finden, die diese Mühsal auf sich nehmen, wird zusehends schwerer – aber es finden sich (glücklicherweise, möchte man sagen) immer wieder welche, die bereit sind, reichlich Schweiß zu opfern, um diese einzigartige Kulturlandschaft zu erhalten. Und sich, wie der junge Biowinzer an der von uns begangenen Treppe (der natürlich ebenso zur Genossenschaft gehört) sogar noch strengeren Regeln unterzieht.

Dass Einzelleistungen bei über 1.300 Mitgliedern nicht untergehen, ist Teil der Philosophie der Genossenschaft. Denn sich zusammentun, um Weinausbau und Vermarktung zu koordinieren, ist das eine. Dabei die Unterschiede der Böden, der Lagen, aber auch der Wengerter zu sehen und zu fördern das andere. 700 ha – davon 135 ha ausgewiesene Steillagen an Neckar und Enz – bewirtschaften die Weingärtner der Felsengartenkellerei – die meisten von ihnen (ca. 80 %) schaffen im Nebenerwerb.

Hans-Georg SchillerNatürlich nimmt die Genossenschaft ihren Mitgliedern viel Arbeit ab – aber nicht alle: im Weinberg sind sie erst einmal allein verantwortlich für die Arbeit, bekommen allenfalls Tipps und Unterstützung. Zur Erntezeit aber passieren ganz bemerkenswerte Dinge: „Vor dem Herbschten versöhnt man sich mit der Familie – man braucht sie als Erntehelfer!“ sagt mit einem deutlich sichtbaren Schmunzeln Hans-Georg Schiller, der Geschäftsführer der Felsengartenkellerei bei einer Führung durch das 1976 errichtete Gebäude.

Rohrsystem für QualitätDa gibt es beeindruckende (und teure!) Technik, aber eben auch Technik gewordene Philosophie. Zur Qualitätssicherung findet nämlich nicht nur eine visuelle Besichtigung des Traubenmaterials bei der Annahme statt, sondern es gibt auch ein System von zwanzig Rohren, die den vier Annahmelinien nachgeschaltet sind und den werdenden Wein nach Qualitätsstufen trennen können. Sollte ein Wengerter mit der Einstufung (die ja für ihn mehr oder weniger Geld bedeutet) einmal nicht einverstanden, gibt’s auch eine Lösung: „Zurück in den Zuber!“ lautet sie. Dahinter steckt eine Rückleitung, um die Angelegenheit noch einmal zu besprechen. Dann aber mit dem gesamten Vorstand… „Wir haben diese Leitung noch nie gebraucht!“ freut sich Schiller.

Holzkeller Stahltanks12 Millionen Flaschen Wein produziert die Genossenschaft im Schnitt der Jahre – wenn der Trollinger mit seinen dicken Beeren reif ist, kommen da an einem Samstag schon mal 700.000 Kilo an der Annahme an. Trollinger gilt ja als die württembergische Traubensorte. Sie steht auf 2469 ha in Württemberg (und stellt damit 21,4 % des lokalen Rebsortenspiegels). Der Gesamtbestand liegt mit 2504 ha nur unwesentlich über diesem Wert [Quelle]. Eigentlich eher eine Tafeltraube – groß und saftig – stellt der Trollinger trotzdem hohe Ansprüche und wächst am liebsten in allerbesten Lagen. Wirtschaftlich gesehen ist das ja ein Desaster: der süffige Viertele-Wein darf ja nicht viel kosten! Also hört man immer wieder, das Trollinger ersetzt wird durch Rebsorten, die objektiv wie subjektiv höherwertiger sind. Zum Leidwesen für Traditionalisten sind das dann meist international bekannte Sorten – auch weil der Klimawandel das cool climate gen Norden ziehen lässt und die mehr Wärme gewöhnten Trauben sich nun im Ländle wohl fühlen…

Felsengartenkellerei Besigheim
Am Felsengarten 1
74394 Hessigheim

Tel. +40 7143 / 8160-0
www.felsengartenkellerei.de

Öffnungszeiten des Weinverkauf in Hessigheim:
Mo–Fr 8.30 – 18 Uhr,
Sa 9.00 – 16 Uhr,
So 12– 17 Uhr (Ende März bis Sonntag vor Heiligabend)


Hinweis:

Der Besuch fand statt im Rahmen einer Pressereise auf Einladung vom Weininstitut Württemberg GmbH und der Badischer Wein GmbH im Vorfeld der Baden Württemberg Classics am 26. und 27. Mai 2018 in Dresden.

1 Trackback / Pingback

  1. Felsengartenkellerei: Zu den Steillagen am Neckar | STIPvisiten

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*