Der deutsche Nordosten ist ja nicht gerade bekannt für exquisite Küche – aber es gibt sie! Mitten im Nirgendwo in Fürstenhagen, einem von 28 Ortsteilen der Feldberger Seenlandschaft. Aus der ehemaligen Schule gleich neben der Kirche haben Nicole und Daniel Schmidthaler 2010 ein Hotel und Restaurant gemacht – mit dem Restaurant in den ehemaligen Klassenzimmern.
Auf dem Weg ins Restaurant kommt man an einem alten Schulpult vorbei – wir sind dann schon froh, in den Klassenzimmern ordentliche Sitzmöbel und Tische vorzufinden. Auf den ersten Blick fällt ein großer alter Tisch mitten im Restaurant auf, der die Gläser für den Abendservice (und später die Weinflaschen) aufnimmt.
An acht Tischen sitzen die Gäste – und ja: die Tische sind alle besetzt, an diesem Sonntagabend. Nicht ohne Grund, denn das Restaurant Alte Schule Fürstenhagen hat seinen Ruf weit über die Feldberger Seenlandschaft hinaus: Daniel Schmidthaler hat sich 2012 einen Michelin-Stern erkocht und ihn seitdem jedes Jahr verteidigt, die anderen Restaurant-Guides stufen ihn vergleichbar hoch ein.
Eine normale Speisekarte gibt es nicht: die Philosophie des Hauses sieht das nicht vor. Auf der Seite des Restaurants im Internet liest sich das so: „Die Natur braucht ihre Zeit und genau das respektieren wir. Da wir hauptsächlich mit frischen Zutaten aus der Region kochen, bleibt uns gar nichts anderes übrig, als mit dem zu kochen, was die Natur und unsere Produzenten gerade für uns bereit halten. Darum gibt es bei uns keine Menükarte.
Wir bekommen die Zutaten und dann kochen wir einfach, selbstverständlich nach Ihrem Geschmack! Bei der Bestellung fragen wir Sie, wie groß Ihr Hunger ist, was Sie gar nicht mögen und von welchen Zutaten vielleicht Ihr Arzt abrät. Sie müssen uns einfach glauben, dass wir das das Beste aus den Dingen machen, die uns die Gärtner, Bauern, Viehzüchter, Jäger und Sammler in die Küchen bringen. Somit ist unsere Küche frischer, spontaner und saisonaler, als viele andere. Lassen Sie sich von uns nicht einfach nur bekochen, sondern auch überraschen, begeistern und mit viel Herz bewirten, denn wir lieben es, für Sie zu kochen.“
Das klingt ja erst einmal nicht schlecht, aber die Wirklichkeit ist dann doch weniger philosophisch, sondern gestaltet sich pragmatisch nicht gaaaanz so einfach. Wir wurden natürlich nicht gefragt, wie groß unser Hunger sei, sondern wie viele Gänge wir essen wollten: vier? fünf? sechs? sieben? (Kosten: 68/78/88/98 €). Wir fragten vorsichtig, was sich denn hinter den sieben Gängen verberge – das würde uns die Entscheidung erleichtern. Eine Antwort gab’s leider nicht: Überraschung! Da kehrte sich die Philosophie ins Dogmatische um, denn wir gingen davon aus, dass der Koch um 18 Uhr ja nun wisse, was er an Grundprodukten hat, man uns also ein wenig verraten könne. Wir entschieden uns dann – ohne zu wissen, worauf wir verzichten – für fünf Gänge. Da wir aber nicht wussten, was sich dahinter verbarg, erübrigte sich die Bestellung einer (oder zweier) Flaschen Wein, also wählten wir die Weinbegleitung (42/51/62/69 €). Für diese Weine gibt es übrigens eine Liste, die freilich nicht stimmt, „weil der Koch sich fürs Essen was Anderes ausgedacht hat“. Ach so.
Das fanden wir dann doch etwas zu schulmeisterlich und nicht wirklich gastorientiert. Aber die Schulspeisung (so nennen sie das in Fürstenhagen tatsächlich!) sollte uns dann insgesamt doch eher versöhnen – wie es sich gehört, von Anfang an: was Sterneköche (und andere Gute ihres Fachs) vor dem Menü schicken, ist in aller Regel weit mehr als nur ein Gruß aus der Küche – es ist wie eine Ouvertüre quasi ein best of der Geschmäcker und Aromen zur Einstimmung auf den Abend.
Im Prinzip sind wir ja genügsam: gut gemachtes Brot und etwas passendes drauf könnte uns einen ganzen Abend über glücklich machen. Da war der Start mit Kartoffel- und Sauerteigbrot schon mal nicht schlecht. Als dann auch noch eine Birke mit Baumpilzen auf den Tisch gepflanzt wurde (und sich die Pilze als köstliche Cracker herausstellten), wuchs die Freude. Und sie wuchs und wuchs weiter bei Wachteleier, gefrorener Erbse sowie einem Erbspürree mit Radieschen und Forellenkaviar…
Flusskrebse, wilder Brokkoli und Petersiliengranité eröffneten dann unser Menü. Eine erfrischende Angelegenheit – abgerundet durch einen perfekten 2015 Lores Chardonnay, Johanneshof Reinisch, Thermenregion, Österreich.
Schleie, rehydrierte Karotte mit Kamille, Sauerampfersud waren ein erster Höhepunkt in puncto Geschmack und Auswahl der Produkte. Die Schleie ist ja geschmacklich eh der bessere Karpfen – dafür steht sie nicht wirklich oft auf der Karte. Zusammen mit dem leicht säuerlichen Sud und dem süßlichen Geschmack der Karotte und der (zumindest für uns) in dieser Kombination ungewohnten Kamille-Note ergab das eine bemerkenswerte Kombination. Dazu gab es einen Rheinhessen-Riesling, der es in sich hatte: 2013 Oppenheimer Sackträger Riesling <R>, Weingut Bürgermeister Carl Koch, Rheinhessen. Der Wein sei Oldschool und trotzdem sehr puristisch, schrieb Dirk Würtz einmal.
Unser Lieblingsgang war – einmal wieder – der vegetarische Zwischengang. Auf einem sauren Kartoffelsud gab es so un-alltägliche Dinge wie Mispel und Johannisstrauch. Ich sag mal: unbeschreiblich köstlich – und beschreib‘ es daher auch nicht weiter. Dafür ein Wort zum Wein – einem, der eigentlich nicht vorgesehen war bei diesem Gang, aber der besser nicht hätte sein können, um den irdischen Geschmack zu begleiten. Und auch diese Rebsorte hat man ja nicht so oft im Glas: Roter Veltliner. Trotz des Farbworts eine Weißweinsorte, die obendrein auch nicht mit dem Grünen Veltliner verwandt ist. So schön kann Rebsortenbezeichnung sein. Aber egal: im Glas ein 2013 Roter Veltliner Reisenthal Botega, Weingut Mantlerhof, Kremstal, Österreich. Die rot gefärbten Trauben ließ Sepp Mantler zwei Wochen im offenen Bottich gären (daher die Bezeichnung Botega, das althochdeutsche Wort für Bottich), was dem Wein eine kräftige Farbe verleiht. Kräftig und komplex am Gaumen hinterließ dieser Orange Wine, der gar keiner sein soll, einen nachhaltigen Eindruck.
Zum Hauptgang outete sich eine unserer beiden Bedienungen als zum Inventar der alten Schule gehörig, sie gab die Oberlehrerin. Zum Hauptgang Reh, Gurke, mit Steinpilzsud angegossen war ein Rotwein vorgesehen, ein 2015 Anjou Rouge, Agnés & René Mosse, Loire. Eine von uns Beiden hätte aber lieber einen Weißwein gehabt, bekam ihn auch (2010 Neuburger, Stefan Vetter, Franken) und erklärte nach dem Gang auf Befragen, dass der nach ihrem Geschnmack nicht so optimal gepasst habe. Daraufhin die Bedienung: „Kein Weißer passt zu diesem Gang!“ Da haben wir Pech gehabt. Wir fanden übrigens, der Chardonnay wäre sehr gut gegangen, sogar der Riesling – vielleicht sogar besser als der Neuburger. Na gut, jede Schule braucht eine Oberlehrerin.
Das Dessert zum Abschluss kombinierte Getreidepudding, Sauerkirschen und Schwarzbiercracker. Einfache Zutaten, einfach gut. Dazu ein regionaler Wein – wenn man in der Emilia Romagna zu Hause ist: ein Radice, Cantina Paltrinieri Gianfranco, Lambrusco di Sorbara, Emilia Romagna – ein Lambrusco, der sogar ins Mecklenburgische passt…
Restaurant Alte Schule Fürstenhagen
Zur Alten Schule 5
17258 Feldberger Seenlandschaft / OT Fürstenhagen
Tel. +49 39831 22023
www.restaurant-alteschule.com
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