Die Schornsteine rauchen auf dem alten Foto von 1908. Sechs hohe und etliche kleine sowie die klassische Backsteinbaten mit Türmen assoziieren die Hochzeit der Industrialisierung. Heute rauchen auf dem Gelände der von Louis Schönherr begründeten Webstuhl-Dynastie nicht mehr die Schlote, sondern die Köpfe und – wenn es ein schöner Abend werden soll – die Töpfe und Pfannen. Letzteres zum Beispiel im Restaurant max louis, das am 18. Juni 2015 eröffnet wurde und mit einem jungen Team nach eigenem Bekunden frisch – frech – lecker auftritt.
Frech sind sie aber gar nicht! Im Gegenteil, irgendwie strahlen die Räumlichkeiten wie die Bedienungen doch eher Gediegenheit aus. Backstein, hohe Fenster, an der Decke mit Lüftung und Lampen Industriedesign, bunte Spulen als Referenz an die Geschichte als Raumteiler, fein gedeckte Tische: das hat doch was. Und unsere Bedienungen mit ihren Fliegen und dem ganzen Verhalten kamen keineswegs frech rüber – allenfalls (da unterscheiden sich naturgemäß aber die verschiedenen Kellner*innen) waren sie locker.
Frisch gemacht wird im max louis alles, angefangen beim Brot (eigentlich: bei den drei Brotsorten, denn wir bekamen Kürbiskern-Dinkel-Brot, Curry-Sesam-Brot und Röstzwiebelbrot) bis hin zu den Gerichten, die in einer gläsernen Küche zubereitet werden. Man kann den Köchen mit Küchenchef Alexander Kasten auf die Finger schauen, ihnen bei der Arbeit zusehen. Mehrere Monitore ersetzen die klassische Zettelwand, die Jungs arbeiten zügig – und manchmal kommen sie zusammen, als ob sie was zu besprechen hätten. Spannende Einblicke, leider ohne Ton!
Nach einem kleinen Küchengruß (Chorizo-Paprika-Crème, Schafskäse, Couscuus), zu dem wir uns als Apero ein India Pale Ale aus Zwönitz bestellt hatten, begann die viergängige Erforschung des dritten Claims: lecker. Wenn etwas von der Wachtel angekündigt wird, schwingt im Hinterkopf ja meist sowas wie niedlich oder so mit – aber als wir Brust und Keule von der Wachtel | Brombeere | Haferwurzel | Korn und Honig erhielten, entfuhr uns prompt ein „das ist ja üppig!“. Die Küche spielte gekonnt mit Texturen, die Brombeeren kamen als Gel und frisch vor, die Wachtelbrust war mit einer Wachtelfarce gefüllt – und zwei gebackene Wachteleier fanden wir dann auch noch! Etwas ratlos machte uns lediglich die Vielfalt der Haferwurzel, die uns als Chips und als Crème begegnete sowie geschrotet und mit Honig glaciert knackig Geschmack abgab. Reichlich reichlich, dachten wir und diskutierten kontrovers die Größe von Portionen in einem Menü.
Die Weine, hatten wir vorab gelesen, seien ausgesucht von Janek Schumann. Das klang schon mal gut, denn der Master of Wine (mit eigener Weinbar in Freiberg) kennt sich ja bestens aus. Zur Wachtel hatte er sich eine 2017 Ungstein Scheurebe vom VDP-Weingut Pfeffingen in der Pfalz ausgeguckt, die günstigstenfalls auch noch den zweiten Gang (eine Suppe) bedienen sollte. Ein kraftvoll-frischer Start, der dann sogar die Suppe noch besser zu begleiten vermochte als die Wachtel!
Was ich bislang immer nur die Suppe genannt habe, stand als Bouillabaisse auf der Karte. Die Südfranzosen sollten sich den Begriff mal schützen lassen, denn (wie fast immer) war es eine Fischsuppe, die mit dem provenzalischen Original und seiner Mittelmeer-Vielfalt nicht entsprach. Aber als Fischsuppe ohne diesen Anspruch war das dann doch ein gelungener Gang, bei dem Wolfsbarsch, Seelachs, eine Gelbschwanzgarnele und eine halbe Jakobsmuschel im Teller lagen, gekrönt mit einem Kräuter-Tramezzini. Wie bei einer japanischen Teezeremonie kam dann die Suppe hinzu, ein sehr gut gewürzter und schmackhafter Fischfond mit vielleicht einem My zu reichlich Tomatenmark und etwas Zitronenschaum on top.
Den Hauptgang bestritt Unser Dry Aged Rind | Fermentierter Knoblauch | Heusalzmöhre | Apfel und Kamille. Aber ein erster Blick auf den Teller verriet, dass das soooo einfach gar nicht sein konnte: Das Filet in zwei Stücken war zwölf Wochen gereift und mit einer mit Nusskruste aus Erdnuss, Pistazie und Mandel versehen. Es lag in einer köstlichen Reduktion aus fermentiertem Knoblauch. Dazu gab’s Obst und Gemüse. Dreierlei Möhre tauchten in drei Farben und Konsistenzen auf: Lila die gegrillte Urkarotte, gelb die Creme (der gelben Möhre, na klar) und als Röschen von der orangenen Sorte. Dazu zweierlei Äpfel: Apfelgel vom heimischen Boskoop und Apfelchips vom Granny Smith. Als Zugabe ein Gelee von der Kamille. Und im Glas ein einfacher, aber vor allem zum Fleisch passender Santayme aus dem Saint Emilion.
Noch Platz für ein Dessert? Auf jeden Fall. Zumal es mit einer Showeinlage begann. Partytime mit Nitro zur Kühlung des Löffels. Es blubbert und brodelt, damit die Pina-Colada-Crème aus dem Syphon schockgefrostet wird und auf dem Löffel nicht auch gleich dahin schmelzt. Außerdem auf dem Teller: Sorbet von der Mango, Küchlein und Crumble von der Pistazie, Türmchen von der weißen Schokolade. Und im Glas Dutschke. Nein, nicht Rudi, sondern ein Port aus Australien. Darf der das, sich so nennen? Tut er ja nicht wirklich, auf dem Etikett heißt dieser Süßwein des Weinguts Dutschke Old Codger und ist ein Fine old Tawny. Fruchtig und voller Aroma. „Der hat richtig Bumms“ sagt der Kellner, „der ist lecker!“ befand die Frau. „What a civilised way to end the day!“ schwärmt der Hersteller via Rücketikett. Kann man so sagen!
Das Menü
- Brust und Keule von der Wachtel | Brombeere | Haferwurzel | Korn und Honig
- Bouillabaisse | Safranmayonnaise | Zitrone | Kräuter-Tramezzini
- Unser Dry Aged Rind | Fermentierter Knoblauch | Heusalzmöhre | Apfel und Kamille
- Pina Colada Nitro | Mango | Pistazie
Die Weine
ausgesucht von Janek Schumann
2017 Ungstein Scheurebe, Weingut Pfeffingen, Pfalz
2013 Santayme Saint Emilion Grand Cru, Denis Durantou, Bordeaux
Old Codger und ist ein Fine old Tawny
Die Preise
- 3-Gänge-Menü 45,00 €
- 4-Gänge-Menü 55,00 €
- 3er Weinbegleitung 21,00 €
max louis
Schönherr Strasse 8
09113 Chemnitz
Tel. +49 371 46402433
www.max-louis.de
Öffnungszeiten
Mo – So 17 – 23 Uhr
Hinweis:
Die STIPvisiten sind Partner der Kochsternstunden.
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