Man kann das Jahr ja nach vielen Gesichtspunkten teilen – kulinarisch gesehen zerfällt es auf jeden Fall im Bülow Palais in zwei Teile, markiert durch den Kulinarischen Frühling und das Kulinarische Erntedankfest. Das letztere fiel in diesem Jahr genau auf den Herbstanfang, der am 23. September 2018 um 03:54 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit (MESZ) war. Gefeiert wurde allerdings nicht punktgenau mitten in der Nacht, sondern (wie immer) zwischen 12 und 16 Uhr – und auch wie immer ausgiebig mit Gastköchen, Winzern und Live-Musik. Gar nicht wie immer war das Wetter, denn während drinnen alles heiter war, zog draußen der Herbst vorbei und ließ es kühl sein und regnen.
Essens- und Weinstationen waren im Wintergarten, der Bibliothek, im Bistro und in der Küche aufgebaut – mit klarem Heimvorteil fürs Bülow-Team, das gleich dreimal vertreten war. Küchenchef Benjamin Biedlingmaier stand (Tradition, Tradition!) im Wintergarten und schnitt das Fleisch auf. Ein schneller Job, der dem Sternekoch, der nun schon seit fünf Jahren im Caroussel kocht, alsbald die Möglichkeit des Schlenderns gab. So tat er es den Gästen gleich und besuchte die Winzer und Kochkollegen. Gleich nebenan bereitete Philipp Liebisch, der seit 2016 im Gourmetrestaurant JUWEL des inhabergeführten Hotels Bei Schumann im sächsischen Schirgiswalde-Kirschau kocht, Köstliches zu. Seine Stopfleber aus der Bresse mit Topinambur und wildem Basilikum entsprach eher den Erwartungen der old school-Geschmäcker an so ein Gericht (wobei die Topinambur-Variationen schon weit über die Erwartungen herausgingen). Kein Wunder, dass Liebisch für das Juwel einen Michelin-Stern erkocht hat – den östlichsten in Deutschland, übrigens.
Das Gegenstück zur Kirschauer Stopfleber gab’s am zweiten Stand der Bülow: Faux Gras, eine vegetarische Vorspeise mit der Konsistenz (aber doch nicht ganz dem Geschmack) der Foie gras. Benjamin Biedlingmaier hat die tierfreie Variante zur Stopfleber entwickelt, mit Cashews, Portwein, Trüffeln, pflanzlichem Fett und der bei solchen Dingen unvermeidbaren Zutat „bleibt Geheimnis“. Weniger geheimnisumwoben, aber nicht minder spannend: die Fjordforelle von Steffen Szabo. Er ist der jüngste Sternekoch Bayerns und kocht im Gourmet Restaurant Esszimmer in der Goldenen Traube in Coburg. Ohne Stern, aber (laut falstaff) „auf Sterneniveau“ kocht Malte Schreiber in Berlin im Berlin Capital Club am Gendarmenmarkt. Members only steht dort am Eingang – da war’s ja ganz gut, dass er mal nach Dresden kam, denn die Gebrannte Hummercreme mit Kürbis-Marshmallow, Fleur de Sel, Estragon und Essig-Perlen nicht probiert zu haben, wäre schon sehr schade gewesen.
Wir könnten uns ja immer nur von Vorspeisen und Desserts ernähren – also ging’s weiter mit LUMA Beef Tatar mit Vodkafrischkäse und Zwiebel. Nils Jorra von Luma Delikatessen bereitete sie immer strahlend in der Küche zu. Der Trick der Firmengründer Lucas Oechslin und Marco Tessaro: sie veredeln Schweizer Frischfleisch mit einem speziellen Edelschimmelpilz, der dem Fleisch eine maximale Stufe an Zartheit und ein unvergleichlich-nussiges Aroma verleiht. Und wo wir schon in der Küche sind: Sebastian Bellmann – Biedlingmaiers Souschef und für die Küche des Bistros verantwortlich – stand hier hinterm Pass und empfahl völlig zu Recht den Kaisergranat. „Man muss allerdings Koriander mögen!“ meinte er. Mögen wir, sehr sogar!
Von den vier Winzern im Haus (Weingut Hörner, Weingut Geheimer Rat Dr. von Bassermann-Jordan, Weingut Inama und Meimberg Weinkellerei) ließen wir uns zu diesen (und den anderen, hier nicht erwähnten Leckereien) den jeweils passenden Wein empfehlen. Riesling (auch als nicht trockener Kabi) und Sauvignon Blanc von Bassermann-Jordan, Silvaner und ein sowas von grandiosen Sekt (der länger auf der Hefe lag als die jüngsten Gäste beim Erntedankfest alt waren) von Mathias Meimberg, der eigentlich in Franken Wein macht, aber auf einem Dreiseithof im westfälischen Emsdetten lebt. Fragt nicht, wie das geht – es geht. Und Bester Jungwinzer Deutschlandweit sowie Bester Jungwinzer der Region Franken ist er auch gerade geworden. Bei den Hörnern packten wir uns Burgunder ins Glas, bei den Italienern vom Weingut Inama gereiften Soave und Roten von der Carmenere-Traube.
Ging es uns gut? Kann man so sagen. Und ganz ehrlich: es ging, als der erste Hunger und Durst gestillt waren, immer besser. Weil die Spannung wich, Köche und Winzer auch mal Zeit zum Plauschen hatten – und weil die vier Jungs von Krüger rockt, die mit ihrer mobilen Schießbude, der dicken Oma, einer Gitarre und dem fahrbaren Klavier alle Räume gefühlt pausenlos bespielten und so nicht unmaßgeblich halfen, diesen Sonntag zu feiern.
Bülow Palais
Königstraße 14
01097 Dresden
Tel.: 0351 80030
www.buelow-palais.de
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