Brunch – die ursprünglich wohl britische Zusammenführung von BReakfast und LUNCH –ist ja vor allen an Sonntagen ein Ausgehvergnügen, wobei manche Gäste da was missverstehen und aus den deutschen Übersetzungen FRühstück und mittagESSEN mit der Zusammenziehung der Begriffe nicht immer das tun, was sie gerade an einem freien Sonntag könnten: genießen. Aber egal. Es geht ja auch anders, und das erfuhren wir ausgerechnet bei einem Ostalgie-Brunch. Wer jetzt denkt, dass das Team in der Palastecke versucht hat, die Mangelwirtschaft nachzumachen und es deswegen nichts gab, der irrt: es gab reichlich. Aber längst nicht alles stand als Buffet aufgebaut, sondern es wurde (wie beim regulären Sonntagsbrunch in der Palastecke) frisch aus der Küche von den Bedienungen an die Tische gebracht. Das schützte (wie in guten Küchen üblich: die wissen ja, was noch kommt) vor frühzeitiger Überfütterung der Gäste.
Der Brunch im Restaurant im Kulturpalast am 7. Oktober (1949 Gründungstag der DDR und bis 1989 als Staatsfeiertag begangen) bildete den Abschluss einer Ostalgie-Woche, in der es jeden Tag zwei Gerichte gab, wie man sie in der DDR kannte und liebte. Und all das kumulierte nun im Brunch, bei dem es in vielen Dingen wie früher zuging – außer: es gab keine Warteschlange am Eingang, wir wurden (weil wir reserviert hatten) zügig platziert. Und genossen dann den ganzen Reigen der Erinnerungsgeschmäcker aus nun auch schon längst vergangenen Zeiten – eine Generation hat die Gerichte von A wie Arme Ritter über J wie Jägerschnitzel (das aus Jagdwurst und mit Spirelli, natürlich) bis W wie Würzfleisch ja gar nicht mehr ostisch-live kennen gelernt. Gefehlt hat eigentlich nur die Tote Oma, warum auch immer.
Dafür gab es auch Altbekanntes auf neu gemacht, wie beispielsweise eine Soljankasülze, die die altbekannte Suppe in Form brachte. Die Sülze stand auf dem Büffet, und wir bedienten uns zur ersten kleinen Vorspeise zusammen mit einem kleinen Toast Hawaii und einem gefüllten Ei – beides so oder so ähnlich ja keineswegs nur in der DDR feste Partybestandteile. Ähnliches gilt für die beiden heringsbasierten Kaltspeisen (um mal um die eindeutigen Begriffe herum zu schleichen): Heringssalat mit und ohne Rote Bete war natürlich nicht nur den Ländereien südlich der Ostsee vorbehalten, auch unterhalb der Nordsee gab’s das – wenn auch nicht unbedingt unter dem Begriff Häckerle.
Verwunderlich ist das ja nicht, denn was schert der über Generationen gelernte Geschmack sich um politische Grenzen? Sie sind ihm wurscht. Wobei Feinheiten und Unterschiede dann manchmal doch sehr regional, wenn nicht gar brutal regional sein können. Kartoffelsuppe? Gibt’s überall, wo es Kartoffeln gibt. Aber so wie die nun während des Brunchs im kleinen Weck-Glas mit (einem Hauch von) Wiener servierte schmeckte sie eben nicht überall: „Wie früher!“ schwärmte die Ostfrau und ergänzte: genau so müsse sie sein, mit Majoran und überhaupt. Und so besprachen wir dann alle Dinge, die wir uns holten oder die uns gebracht wurden. Kalter Hund (Daumen hoch!), Eierschecke (aber hallo!), Quarkkeulchen mit Apfelmus (gehen für vier Leute besser als für 50 zu machen, es leben noch selbst kochende Hausfrauen oder -männer!). Allerfeinst der Karpfen, der in vielen Köpfen ja als brackig-modrig herumspukt. I wo, nicht, wenn man gute Bezugsquellen hat und weiß, wie man ihn zubereiten muss. Eine Köstlichkeit, die es vielleicht sogar (zumindest mittags) auf die Karte in der Palastecke schaffen könnte. Das erzählte uns nach dem Essen Küchenchef Thomas Bräunig, der mehrere Jahre Sous-Chef in Schmidt’s Restaurant war, dem Mutterhaus der Palastecke. Von dort hat er auch die Vorliebe für frische regionale Produkte mitgebracht.
Ein ganz eigenes Erinnerungskapitel schlug während des Brunchs in einer Ecke der Palastecke Peter Kersten auf. Peter wer? Na, der Zauberpeter! Als solcher trat der promovierte Chemiker und Physiker im DDR-Fernsehen auf – und weil im DFF bis 1985 über einhundert Folgen seiner Kindersendung Kunterbunt liefen, hat er sich wie die Geschmackserlebnisse ins Gedächtnis eingeprägt. Aber selbst wenn man den Magier von Schloss Kuckuckstein bislang nicht kannte, verzauberte er einen – mit Humor und, wie es sich bei einem Zauber-Profi gehört, mit nicht durchschaubaren Tricks.
PS: mehr Informationen stehen in meinem Vorbericht für falstaff online.
Palastecke
im Kulturpalast
Schlossstraße 2
01067 Dresden
Tel. +49 351 / 48417330
www.palastecke.de
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