Ein Abend mit Aha-Momenten

Kochsternstunden 2020: Weinrestaurant "Zur Bosel" im Weingut Schuh

KSS Weinhaus Schuh

Angefangen als kleines Café, dann immer mehr Restaurant und nun? Nun hat offenschmecklich ein neuer Abschnitt begonnen im Weinrestaurant vom Weingut Schuh – und das hängt mit dem neuen Küchenchef zusammen: Aaron Schubbert. Seit einem Monat ist er Chef in der kleinen Küche des Weinguts – und drückt mit seiner Art zu kochen dem Menü der diesjährigen Kochsternstunden seinen Stempel auf.

Dabei sollte man freilich wissen, dass das Restaurant im Weingut Schuh bei den Kochsternstunden schon immer gar nicht mal so schlecht abgeschnitten hat: 2014 waren sie Sieger des Wettbewerbs und spielten auch sonst im oberen Drittel mit. Aber das Bessere ist ja bekanntlich der Feind des Guten, weswegen Kleinigkeiten wie eine präzisere Herausarbeitung der Geschmäcker und eine angenehm unaufgeregte Anrichteweise das i-Tüpfelchen so eines Menüs bilden können. Und genau das schafft Aaron Schubbert, der aus Meißen kommt, nach der Lehre Stationen unter anderem bei dem mit zwei Michelin-Sternen gekrönten Esszimmer Lorenz Adlon im Berliner Hotel Adlon absolvierte und die vergangenen zwei Jahre Souschef im Restaurant Daniel war und von Anfang an dort sagte: „Ich möchte in meiner Heimatstadt Meißen ein Restaurant betreiben!“

Zur Begrüßung brachte Martina Schuh, die kenntnisreich und umsichtig den Service leitet, das einzige (alkoholische) Getränk des Abends, das nicht vom eigenen Weingut stammte – aber von einem befreundeten Winzer von der Obermosel, direkt an der Grenze zu Luxemburg: Ein Roter Elbling Sekt vom Weingut Dostert, der uns schon in den vergangenen Jahren ungemein erfreut hat. Warum dieser zart lachsrosafarbige Sekt aus der Elbling-Mutation Roter Elbling so gut schmeckt? Weil der Winzer es kann, natürlich – und weil er, wenn er dürfte, das Produkt gut und gerne auch ganz leger Schampus nennen könnte. Darf er aber nicht, obwohl der Sekt mit einer Flaschengärung nach traditionellem Verfahren unter Verwendung von Hefen aus der Champagne hergestellt wurde, handgerüttelt wurde und mindestens 2 1/2 Jahre Flaschengärung (gesetzlich vorgeschrieben sind 9 Monate!) hinter sich hat. Egal wie es heißt, es ist: geiles Zeug!

Zum Essen gab’s dann ausschließlich Weine vom Schuh – eine feine kleine Weinprobe mit drei Roten und einem Weißen zum Dessert. „Der rote Schuh“ ist ein easy-going Starterwein, eine halbtrocken ausgebaute Cuvée aus Dunkelfelder (wächst in Sachsen nur bei den Schuhs) und Dornfelder. Früher hätte ich mich bei der Bezeichnung halbtrocken mit Abscheu und Entsetzen abgewandt – aber man lernt ja dazu, nicht nur beim Schuh: der rote (wie auch die beiden Geschwister mit den Vornamen weiß und rosa) sind sehr trinkige Weine, und zur Rotkohlsuppe passte er ziemlich gut. Samtig wie die Suppe! In der schwamm fermentierter Rotkohl für eine leichte Säure und guten Biss, sowie etwas Schafskäse und Öl für Optik und Geschmacksanhebung!

Die ersten größeren Aha-Momente kamen beim zweiten Gang: Thunfischtatar, nur leicht mit etwas Zitronenöl angemacht, Avocado, rote Zwiebeln und geröstete Pinienkerne. Ein optisches Highlight, das schnell auch zu einem geschmacklichen wurde. Dass es dazu wieder einen Rotwein gab, verwundert nicht. Erstens ist das Weingut Schuh schon immer das mit dem größten Anteil von Rotweintrauben hier in der Gegend – und zweitens muss es schon lange nicht mehr immer was Weißes zum Fisch sein. Zum Thunfischtatar schon gar nicht – und mit dem 2017 Blauer Spätburgunder hatte das Team wieder das richtige Pairing gefunden.

Überraschung vor dem Hauptgang: Martina Schuh kam mit einer Flasche, die deutlich erkennbar einen Kronkorken hatte. Wat is denn ditte? „Das ist ein Pet Nat„, klärte uns Martina Schuh auf und erzählt auch noch, wie so ein Pétillant Naturel produziert wird. Hendrik Thoma nennt diese Weine in seiner schnoddrigen Art Underground-Schäumer oder trübe Brausen (hier, lesenswert!) – und erwähnt Sachsen natürlich nicht in dem Beitrag. Kein Wunder: den gibt’s ja auch erst jetzt, Matthias Schuh experimentiert ja gerne und macht gebietsuntypische Dinge… Wir probierten den PetNat vor dem Hauptgang als Trou Normand mit einem Schaum von der schwarzen Johannisbeere und etwas getrockneter Jostabeere (eine Kreuzung aus Schwarzer Johannisbeere und Stachelbeere).

Zum Hauptgang hatten wir uns fürs Rinderfilet entschieden. Das kam wie gewünscht medium-rare und in Begleitung von drei bemerkenswerten Dingen. Rosenkohl, herrlich schmackhaft und mit Knack, einige Blätter separat frittiert. Dann eine Kartoffelrose, die nicht nur chic aussah, sondern auch zusätzliche Röstaromen mit einbrachte. Aber eigentlich das Beste war eine Hollandaise, bei der Granatapfelkerne farblich wie geschmacklich Akzente setzten. Vor allem aber schmeckte sie verdächtig gut nach Nussbutter. Was für ein Vergnügen!

Ein Problem ganz besonderer Art bescherte uns das Dessert. Unser heimliches Hobby ist nämlich, nach jedem Besuch einen Lieblingsgang zu benennen, nur so für uns. Wir hatten aber schon zwei Lieblingsgänge bislang – und nun kam auch noch ein dritter! Ich weiß, dass sind Probleme, die man nur in Sörnewitz so kennt, aber wenn man sonst keine hat?!! Aber geeistes und dennoch cremiges Nougat, filierte und saftige Blutorangen und ein (wohl mit dem Saft der Blutorangen gepimptes) Baiser waren einfach so, dass man es am liebsten gleich nochmal hätte nehmen wollen. Gerne auch mit dem Traminer, der zwar ordentlich nach Rosen duftete, aber trotz knapp 16 g Restzucker erfreulich wenig klebte – eher so die Elsässer Art, wenn Sie wissen, was ich meine…

Das Menü

  • Samtige Rotkohlsuppe
  • Thunfischtatar – Avocado – Pinienkerne
  • Trou Normand: PET NAT mit einem Schaum von der schwarzen Johannisbeere und etwas getrockneter Jostabeere
  • Rinderfilet oder Adlerfisch – Granatapfel – Rosenkohl – Kartoffelrose
  • Geeister Nougat – Blutorangen – Baiser

Die Weinbegleitung

  • Roter Elbling Sekt I Weingut Dostert
  • „DER ROTE SCHUH“ QbA I Weingut Schuh
  • 2017 „Blauer Spätburgunder“ QbA I Bereich Meißen I Weingut Schuh
  • 2016 „Regent“ QbA Meißner Klausenberg I QbA I Weingut Schuh
  • 2018 „Traminer“ QbA I Bereich Meißen I Weingut Schuh

Die Preise

  • 4-Gänge-Menü 49,90 € (inkl. Wein und Wasser 62,00 €)

Weinrestaurant „Zur Bosel“
Weingut Schuh
Dresdner Straße 314
01640 Coswig

Tel. +49 3523 / 84810
weingut-schuh.de

Öffnungszeiten November bis März:
Do und Fr 18–22 Uhr
Sa 11–22 Uhr
So 11–16 Uhr

Öffnungszeiten April bis Oktober:
Mo, Do und Fr 18–22 Uhr
Sa 11–22 Uhr
So 11–16 Uhr

[Besucht am 5. März 2020 | Übersicht der hier besprochenen Restaurants in Dresden und Umgebung]

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