Wenn weniger manchmal mehr ist

Architektur und Wein: Besuch bei Florian Weingart in Spay am Mittelrhein

Weingut Weingart

Neue Vinotheken zu bauen ist bei vielen Winzern gerade der heiße shice. Stylish muss es sein, meist mit Beton, viel Glas, auch Holz und gerne Cortenstahl. Es sind Hingucker in der Landschaft oder im Dorf. Florian Weingart, Winzer in Deutschlands zweitkleinstem Weinbaugebiet Mittelrhein (465 ha gibt’s da, verteilt auf 120 km zwischen Bingen und Bonn rechts und links vom Rhein), zeigt seinen Neubau freilich nur extrem minimalistisch: der Keller des Weinguts verschwindet komplett im Berg und entzieht sich somit quasi jeder Wahrnehmung, die Probierstube ist ein Tiny House aus Holz.

Weingut Weingart Florian WeingartKann so jemand mit sowas einen Architekturpreis gewinnen? Nein. Architekten wollen natürlich sehen und zeigen, was sie können. Und da ist die Idee, alles Wichtige im Berg zu verstecken und nur einen , nicht optimal. Also gab es für den Andersdenker Florian Weingart keinen Preis, keine Auszeichnung, keine Anerkennung. Aber man kam nicht drum rum, es doch irgendwie bemerkenswert zu finden und publizierte ihn unter „Engere Wahl“. Immerhin war das Projekt „eines von dreien, die einstimmig mit allen 7 Ja-Stimmen der Jury nominiert wurden“, wie der Winzer verrät.

Das ist bemerkenswert schüchtern gedacht, denn der hölzerne Verköstigungswagen (den der Winzer selbst natürlich auch nicht Vinothek nennt) ist ja das durchaus sichtbare Zeichen und die perfekte Umsetzung seiner Gedankenwelt. Es geht Florian Weingart ums Ganze. Und dabei gilt offensichtlich prinzipiell, dass weniger oft mehr ist.

Flagge zeigen im Weingut40.000 Flaschen im Jahr produziert Weingart im Jahr, über 80% davon sind Riesling, der Rest Spätburgunder. Die Trauben kommen von insgesamt 6 ha (davon 4,5 eigene, der Rest ist gepachtet). Bevor Weingart in den Weinberg aussiedelte wurde, arbeitete er im Ort, so wie das früher halt war. Im Schritt davor wurde aus dem landwirtschaftlichen Mischbetrieb mit Ackerbau, Viehzucht und Wein ein reines Weingut. Das war – wie auch bei zwei anderen Betrieben in Spay – in den 1960er Jahren.

Die Idee, in den Weinberg zu ziehen mit Haus und Weingut, hatte einen naheliegenden Grund: im Ort war’s nicht optimal, aber wenn Florian Weingart heute sagt, „wir haben den Neubau gewagt“, dann schwingt im Wort gewagt mehr Wahrheit mit, als man so auf Anhieb hört. Denn ein leichtes Unterfangen war es nicht, im Weinberg alles neu zu bauen – vom Wohnhaus über den Weinkeller und die Lagerhalle bis zum Tiny House. Gedauert hat es auch, und neben 1,5 Mio. Euro auch einige Nerven gekostet.

Weingut Weingart Rosé in der ZechWir erfahren etwas über die Geschichte des Weinguts. Nach seinem Studium in Geisenheim wuchs der elterliche Betrieb. 13 ha hatten die Weingarts und füllten jährlich 100.000 Flaschen Wein. Das war Florian Weingarten auf Dauer zu viel, mit dem Umzug in den Weinberg gab’s den Cut auf 4,5 eigene Fläche in Spay und Boppard plus 1,5 Pachtflächen in Bacharach. Zusätzlich wird eine große Grundstücksfläche von mehreren Hektaren um das Weingut herum als Weide und Streuobstwiese offen gehalten. Ein großer Teil der Weinberge des Betriebes liegt umgeben von solchen ökologisch wertvollen Flächen, die die Monokultur des Weinbaus aufbrechen und ökologisch reichhaltiger gestalten. „Mit der Landschaftspflege schaffen wir einen lokalen unmittelbaren Ausgleich zu den Rebflächen, wo wegen der Wasserkonkurrenz im Sommer nur wenig Begleitflora toleriert werden kann“, sagt Weingart.

Weingut WeingartDer Neubau ist übrigens so angelegt, dass es genau passt und das Weingut nicht größer werden kann: „Wir sind ein klassischer Familienbetrieb, und das ist die architektonische Antwort darauf.“ Der Weinkeller ist dass Herzstück des Neubaus. Klimatisiert, weil komplett in der Erde. Ein Betonrund mit Zugang und oben drauf einem Picknickplatz. Der ist für Jedermann zugänglich, man darf Vesper und sogar eigene Getränke mitbringen. Wenn die Bauwagen-Vinothek geöffnet hat, kann man dort aber auch (gekühlte) Weinflaschen und Gläser erwerben. Wenn auf dem Picknickplatz zu viel Trubel herrscht, kann man natürlich auch ein Stockwerk tiefer am Wagen sitzen. „Das Wagenkonzept gefiel meiner Frau und mir und es passt in die Landschaft,“ sagt Weingart.

Es gibt einen Podcast von unserem Besuch:

Weingut Weingart
Florian und Ulrike Weingart
Peterspay 1
56322 Spay

Tel +49-2628/8735
Das Telefon ist nicht immer besetzt, insbesondere vormittags oder wenn viele Besucher auf dem Hof sind.

weingut-weingart.de


Hinweis:

Die Recherche wurde unterstützt mit einer Pressereise auf Einladung des DWI (Deutsches Weininstitut).

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