Die Unterschiede könnten größer kaum sein: unauffällig bis nahezu zur Unsichtbarkeit hier, ein weit sichtbarer Hingucker und von keiner Seite des Tals aus zu übersehender Doppelbau da. Was die beiden Winzer eint, sind Visionen – wenn auch sehr unterschiedlicher Art.
In Spay am Rhein (und im Anbaugebiet Mittelrhein) folgt der Winzer Florian Weingart vom Weingut Weingart der Devise, dass weniger oft mehr ist – und hat mit der Entscheidung, das Weingut mitten im Weinberg neu zu bauen, für sich und die Familie ein Zeichen gesetzt. Nicht immerwährendes Wachstum war (und ist) sein Ziel, sondern nachhaltiges Arbeiten im Familienbetrieb. Von 13 auf 6 ha reduzierte er die Fläche (davon 4,5 eigene, der Rest ist gepachtet und am anderen Ort). Das Weingut sieht man kaum, die Probierstube ist einzig erkennbares Zeichen – aber auch sie kommt optisch eher unscheinbar daher. „Der bewusste Verzicht auf vermarktbare Bilder von Architektur ist eine Haltung, die es zu würdigen gilt“, befand die Architekten-Jury.
Wie kommt’s? Ganz einfach: Der Keller ist komplett in der Erde. Gäbe es nicht die Tür, sähe man nur den Hügel. Drinnen steckt auf 230 m2 Fläche die gesamte Kellertechnik – und man kann nicht anecken, denn der Keller ist rund. Wie ein Silo in der Erde, 18 Meter Durchmesser und 4,50 Meter hoch. Die Erde darüber ist mindestens 1,80 Meter mächtig. Das allein ist gut für das Klima im Keller, und damit es keine dicke Luft dort unten gibt, steckt noch eine Menge Technik drin, Stichworte Erdwärmetauscher und Überdruck im Keller, damit es nicht warm (oder kalt) reinzieht, wenn die Tür offen ist. Über dem Keller gibt es übrigens einen Picknickplatz, der für alle zugänglich ist – man darf seine Vesper und sogar eigenen Wein mitbringen, wenn man will. Da die Vinothek aber bis auf sonn- und feiertags täglich nachmittags geöffnet ist, lohnt der Weinkauf vor Ort auf jeden Fall!
Stichwort Vinothek – die ist ja ausgezeichnet. Aber sie ist Teil des äußerlich unspektakulären Konzepts. Ein Holzwagen mit Terrase, hübscher als diese Imkerwagen, passender als die mobile homes der Campingplätze. Ein tiny house eben, das seinen Zweck erfüllt. Drinnen gibt es einen Eichentisch für zwölf Personen, draußen eine Terrasse mit Blick auf die Weinberge. Oder eben, wenige Meter nur zu Fuß, den Picknickplatz im ersten Stock mit großartiger Fernsicht.
[Ausführlicheres
Winzerportrait mit
Podcast]
Weingut Weingart
Peterspay 1
56322 Spay
Anfahrt: Mainzer Straße 31, 56322 Spay
Tel. +49 0628/8735 oder +49 171/8073484
www.weingut-weingart.de
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Keine 150 km sind es mit dem Auto von Spay am Rhein nach Wiltingen an der Saar – und doch liegen da Welten zwischen unseren Vinotheks-Besuchen. Der Neubau des Weinguts Van Volxem ist so ganz anders, obgleich strukturell ja auf gleicher Ebene: er zeigt, was der Winzer sein möchte und wie er sich und sein Weingut sieht. Das 2019 fertig gestellte Weingut reiht sich ein in den Reigen der Burgen, derer es an Mosel, Saar und Ruwer etliche gibt. Selbstbewusst signalisiert die Weinburg von Roman Niewodniczanski, der van Volxem als Quereinsteiger 1999 übernommen hat weit sichtbar Größe. Eine Größe, die Roman Niewodniczanski offensiv wie kaum ein anderer den Weinen der Saar zuspricht. Ob in der Vergangenheit (da wurden sie teurer gehandelt als beste Burgunder) oder in der Gegenwart (wo Egon Müller, der benachbarte Winzer, den teuersten Weißwein weltweit verkauft). In dieser Liga sollte Van Volxem mitspielen, das war der Plan – der aufgegangen ist: die Weine gehören zur Spitze der Region, Winzer wie Weingut sind ein Aushängeschild für Saarwein geworden.
Die Vinothek ist der Burgturm. Aber anders als im Alte-Burgen-Zeitalter ist dieser Turm offen für alle: 40.000 Besucher kommen jährlich zum Weingut, in der Vinothek im Turm werden sie Dienstag bis Sonntag und an Feiertagen von 11 bis 18 Uhr empfangen. Die Turm-Vinothek ist nicht nur offen für alle, auch die Architektur ist alles andere als wehrhaft: große Fenster erlauben den Blick vom Wiltinger Schlossberg auf die umgebende Weinlandschaft im Obergeschoss sind die Fenster des Veranstaltungsraums über acht Meter breit (sowas muss man ja auch erst einmal herstellen können).
Das Herz des Neubaus ist natürlich wie bei jedem Weingut der Keller. Das meiste davon sieht man nicht – die eigentliche Produktion ist Tabu fürs Publikum. Aber gerne erzählt Roman Niewodniczanski, dass beim Neubau alle Erkenntnisse für die Optimierung von Arbeitsabläufe berücksichtigt wurden. Fast schon selbstverständlich ist die Nutzung der Schwerkraft bei der Traubenverarbeitung, immer noch nicht selbstverständlich, hier aber realisiert, die Stromgewinnung duch eine Photovoltaikanlage. Man sieht sie nicht, denn sie wurde von außen nicht einsehbar auf dem Hauptdach untergebracht. Der Strom reicht sogar für Ladesäulen auf dem Parkplatz, an denen Kunden ihre E-Autos kostenlos aufladen können. Von den Dächern der Gebäude kommt übrigens auch das Wasser im Teich…
Auch wenn man nicht in die Produktionsräume darf: ganz ohne Keller läuft die Chose nicht. Als Teil der Inszenierung kann man nämlich zwei Keller besichtigen. Der eine ist ein mit Natursandstein ausgekleideter Holzfasskeller, in dem sehr sehr großzügig an den langen Wänden aufgereiht Eichenfässer (mit Holz aus den familieneigenen Eifeler Wäldern) stehen. Der andere ist der Raritätenkeller, wo die in eigens in die Wände eingelassenen Edelstahltanks besonderen Jahrgänge reifen. Weil Wein ja meist viel zu jung getrunken wird…
Weingut Van Volxem
Zum Schlossberg 347
54459 Wiltingen/Saar
Tel. +49 6501/80229-0
www.vanvolxem.com
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Kann man eigentlich fröhlich sein in Ernst, dem Winzerdorf an der Mosel? Man kann! Oliver Dax, der Junior im Weingut Dax, ist jedenfalls gut drauf. Lachend kommt er aus der Tür der Vinothek, die einige Meter vom eigentlichen Weingut entfernt seit 2019 hilft, den Gästen den hauseigenen Wein näher zu bringen.
Sichtbeton und Glas, eine große Terrasse oben über der Vinothek – von au0en sieht das nicht aus wie irgendetwas Besonderes. Aber die Liebe steckt im Detail. DDas alte Winzerhaus, das hier früher stand, sei zu baufällig gewesen, um es zu erhalten, berichtet der Jungwinzer. Aber die Erinnerung an den Vorgängerbau ist dennoch fassbar: „Aus dem alten Eichenholz vom Dachstuhl und vom Wandfachwerk haben wir die Theke und unsere Regale für den Verkaufsraum schreinern lassen!“, erklärt Oliver Dax. Wenn man es weiß, erkennt man die alten Zapfen in den Holzbrettern!
Der Sichtbeton hat, Moselkenner ahnen es, natürlich einen ganz praktischen Grund: mit der Mosel in unmitelbarer Nachbarschaft hat man zwar einen romantisch-zauberhaften Blick von der Terrasse – aber läuft eben auch immer Gefahr, ins regelmäßige Hochwasser des Flusses einbezogen zu werden. Da sind robuste Materialien praktisch! Oder schnell beräumbare, was die Paletten-Karton-Tische im Erdgeschoss erklärt.
Hochwassser ist glücklicherweise immer noch seltener als Normalwasser: da kann man es sich als Gast bei Wein und Käse gut gehen lassen. Das in 7. Generation familiengeführte Weingut bewirtschaftet rund 5 ha, auf den Weinbergen wachsen Riesling, Grauburgunder, Kerner, Bacchus, Gewürztraminer, Spätburgunder und Dornfelder. Nicht alles wächst in der Steillage – aber von der Terrasse kann auf die Steillage Valwiger Herrenberg auf der gegenüber liegenden Moselseite sehen. Die passenden Weine im Glas sind Riesling oder Spätburgunder…
Weingut Dax
Moselstraße 35
56814 Ernst
Tel. +49 2671/3144
www.weingut-dax.de
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