Krause Glucke, ein Saboteur und was vom Prüm

Kochsternstunden 2017: Das Lenz Deli & Café

Lenz Deli

Früher hätte man einen Ort wie Das Lenz Deli & Cafe wohl ein Wohngebietsrestaurant genannt – fernab aller normalen Touristenströme, wenn auch nicht weit weg von all den Punkten, denen sich Touristen gerne mal widmen. So gesehen war es von Obrad Kovanovic sicher eine gute Entscheidung, bei den diesjährigen Kochsternstunden mitzumachen und auf diese Weise ein wenig Aufmerksamkeit auf sich und sein Geschäft zu lenken, das er seit November 2015 in Radebeul betreibt – mit ungewöhnlichen Öffnungszeiten und Programm für eine quasi One-Man-Show: geöffnet ab neun Uhr morgens bis zehn Uhr abends, vom Frühstück übers Mittagsangebot und den Kuchen am Nachmittag bis zum Menü am Abend.

Großartig ist das Weinangebot: Rund 200 Positionen habe er im Angebot, sagt der gebürtige Serbe (ich hab‘ nicht nachgezählt, aber ins Regal und in die Karte gesehen: da sind feine Sachen dabei, Markus Molitor, J. J. Prüm, Emrich-Schönleber, Chateau Cheval Blanc und derlei Kaliber). Das ist von der Menge und der Qualität unerwartet in dem kleinen Deli – aber wenn man weiß, dass Obrad Kovanovic zuvor als Sommelier im hoch bewerteten Restaurant Die Insel am Maschsee bei Hannover gearbeitet hat, dann passt das: dort liegen annähernd 2.000 Positionen im Keller.

Bei den Kochsternstunden gab’s einen kleinen Einblick in die Weinvielfalt und die Kochkunst des Allrounders. Wir waren – zusammen mit rund 20 anderen Gästen! – im Rahmen des Offenen Tischs dort und bestellten – schon wegen der Weine 😉 – das komplette Menü mit fünf Gängen (59 €, inkl. Weinbegleitung 89 €), aber selbstredend konnte man auch weniger nehmen (4 Gänge 37 €/55 € bzw. 3 Gänge 33 €/49 €). Für Apero und Digestif fielen 11 € zuzüglich an.

Den Starter im Getränkebereich machte Markus Molitor – zuerst beim Brot vorab mit einem Haus Klosterberg Sekt Brut, dann mit einem trockenen Riesling Kabinett 2013 Zeltinger Sonnenuhr. Der Klosterberg ist der Haus- und Hofberg des Ausnahmewinzers Molitor (Falstaff 2014: „Winzer des Jahres“ / Robert Parker 2015: weltweit erstmals dreimal 100 Punkte für Weine aus einem Jahrgang / Eichelmann 2016: Das Weingut Markus Molitor zählt zu den 4 besten Weinerzeugern Deutschlands / Meininger Award 2017: Markus Molitor ist Weinunternehmer des Jahres), der Sekt ist kein reiner Riesling, sondern hat auch etwas Weißburgunder abbekommen. Feinperlig ging’s in den Abend, es könnte einem schlechter gehen. Die Sonnenuhr dann ein typischer Mosel-Riesling, wie man in (vor allem in den edelsüßen Varianten) vom Molitor liebt. Ein traumhafter Kabinett, gemacht aus sehr alten wurzelechten Reben und mit Spontangärung im Holzfass. So was von süffig! Dazu aßen wir die Vorspeise, Frische Krause Glucke mit Rührei. Die persönliche Glucken-Premiere ist unter gelungen eingestuft, und das Rührei hatte den gewünschten Schmelz. Nett angerichtet war’s auch, nur die Regel, dass man alles essen könne, was serviert wird, galt nicht: der Tannenzweig am Rand war reine Deko.

Großartige Show-Effekte auch bei der folgenden Suppe. Zuerst kam Mangold pur auf den Tisch, zum Naschen oder zur späteren (dann essbaren) Deko. Dann folgten die Teller mit Spuren von feingewürfelten violetten Karotten. Und dann folgte, aus einer großen Amphore, die Consommé. Zusammen ergab das die Violette Geflügel-Consommé mit Mangold, sehr herzhaft und eigentlich weinfrei genießbar. Aber wenn man dazu ein 2015 Grüner Veltliner Federspiel vom Weingut Holzapfel aus der Wachau gereicht wird, gibt es zumindest davor und danach was Frisches am Gaumen. Die Kategorie Steinfeder (neben Federspiel und Smaragd) ist eine der drei Kategorien der Gebietsmarke der Wachau und klassifiziert junge, spritzige Weine mit maximal 11,5% Alkohol. Ein Terrassenwein at it’s best! Beim Fischgang Atlantik-Steinbutt, feines Kartoffelpüree und stehendes Ratatouille war das aufrechte Ratatouille aufregender als der Fisch, der mir in Teilen zu glasig geraten war. Aber nahezu fettfreies und knackiges Gemüse dazu hatte was! Der Wein dazu auch, ein biodynamischer Wein aus dem Süden Frankreichs (schon fast in Spanien…): 2007 Clos de Rouge Gorge vom Winzer Cyril Fhal aus den Cotes Catalanes.

Vor dem Hauptgang schob der Gastgeber ein Sorbet ein, aufgegossen mit Vodka. Schöne Sitte, bitte beibehalten! Der dann folgende Rücken vom Moritzburger Wildschwein im grünen Mantel mit Möhren, Erbsen und dicken Bohnen war perfekt gegart, saftig und mit einer ungewöhnlichen, aber sehr passenden Gemüseschar umgeben. Vor allem die dicken Bohnen erwiesen sich als treffliche Partner! Von der Portionsgröße passte es auch – nicht zu viel, nicht zu wenig. Begleitend im Glas ein Südafrikaner: 2013 Luddite Saboteur aus dem Breede River Valley – dunkelstes Rot, deutlich Shiraz aus der Cuveée heraus zu schmecken und irgendwie sehr gut zum Wildschwein!

Unser Lieblingsgang, rein von der Lektüre vorweg, sollte das Dessert werden. Nicht unschuldig daran der Wein: 2009 Wehlener Sonnenuhr Riesling Kabinett von Jos. Joh. Prüm. Getreu dem Motto „Prüm is niemals schlümm“ war die Beilage nahezu egal – und Süß gebrannter Ziegenkäse mit Dreierlei von der Tomate war in Sachen Tomatenaromen zum Dessert auch nicht so jedermanns Sache. Aber bekanntlich kann man über Geschmack ja immer fabelhaft streiten…

Das Lenz Deli & Cafe
August-Bebel-Str. 26
01445 Radebeul
Küchenöffnungszeiten (2017): Mo–Sa von 9-22 Uhr
Öffnungszeiten (Stand Feb. 2018):
Mo–Fr 12-15 Uhr und 18-22 Uhr
Sa 9:30–15 Uhr und 18–22 Uhr
So nach Absprache

[UPDATE Sept. 2018: Restaurant geschlossen] [Besucht am 23. März 2017 | Übersicht der hier besprochenen Restaurants in Dresden und Umgebung]


Hinweis:

Die STIPvisiten sind Partner der Kochsternstunden.

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