Großes Gaumenkino unterm Gewölbe

Kochsternstunden 2023: Anna im Schloss

Anna im Schloss

Das Restaurant Anna im Schloss sei, las ich neulich, ein Geheimtipp. Kann man die Bedeutungslosigkeit des eigenen Artikels eindrücklicher klarmachen? Denn wenn es veröffentlicht ist, ist es doch nicht mehr geheim – oder? Vielleicht meinte die Autorin aber auch, dass es verwunderlich ist, dass so viele Dresdner (m/w/d) das Restaurant im Schloss immer noch nicht wirklich wahrgenommen haben, obwohl Touristen, die dort hineinkommen, gleich mal mit Aah! und Ooh! Begeisterung und Verwunderung zum Ausdruck bringen: im historischen Gewölbe des Schlosses erwartet man so einen großzügigen hellen Raum doch gar nicht! Und wenn es dann noch schmeckt?

Wir machten die Probe und besuchten Anna zur Mittagszeit, um das Kochsternstunden-Menü zu essen. Bei diesem Wettbewerb um die Gunst der Gäste macht das Restaurant erstmals mit – es hat ja erst im April 2022 eröffnet, dieses ist also die erste Chance, sich dem Urteil der Gäste zu stellen. Wobei Anna-Pächter Tim Graul nicht unerfahren ist in puncto Menüwettbewerb: vor zwei Jahren war er noch unser Weinempfehler bei den Alten Meistern, was unter der Leitung von Kai-Marten Graul quasi das Stammhaus auch der Anna ist.

Die Küche im Anna Ist normalerweise nicht aufs Fine Dining spezialisiert, sondern eher auf besonders fein gemachtes Normal Dining – will heißen: ordentliche Produkte gekonnt zubereitet. Wir hatten im Sommer mal auf der Terrasse Wiener Schnitzel probiert und mit uns gerungen, ob wir gleich am nächsten Tag für Königsberger Klopse wiederkommen sollten (haben wir nicht geschafft, aber somit immer noch einen Plan! Für die Kochsternstunden hat sich das Team mit Chefkoch Martin Heinrich aber gedacht: wir können ja auch anders und in die Schublade mit den feineren Dingen gegriffen, was sich dann zu einem Menü in drei oder vier Gängen fügt.

Natürlich saßen wir nicht draußen im Schlosshof auf der Terrasse, sondern drinnen im sehr modern und hell gehaltenen Restaurant. Es gibt zwei Arten von Tischen: mittig im Raum sieht es eher nach Bistro aus, mit Tischen für ein oder zwei – und an der Seite sowie in einem hinteren Raum geht’s etwas gepolsteter auf den Stühlen an größeren Tischen zu. So einen größeren Tisch gab’s für den einzelnen Herrn auch, denn der hatte ja schließlich vorab reserviert und da bereits erwähnt, dass es das Kochsternstunden-Menü sein sollte. Derlei Ansagen mag die Küche übrigens, denn es erleichtert die Planung, denn wer wirft schon gerne auf Verdacht gekaufte Lebensmittttel weg (das ist nicht nur ein ethisches, sondern auch ein finanzielles Ding).

Menü in vier Gängen. Plus Vorspiel.

Nun aber zum Besuch! Es ging schnell los mit einem Gruß aus der Küche, der schon mal Zeichen setzte: die Karotten-Ingwer Suppe kam mit spürbarer Ingwer-Schärfe, ein Hauch von Tramezzini gab’s dazu – aber der Brotkorb war ja auch schon da! Ob’s bereits zum Küchengruß der zum ersten Gang vorgesehene Wein sein dürfe, fragte Tim Graul. Angebot angenommen! Müller-Thurgau von Martin Schwarz, da kann man nix falsch machen. Ein Wein als Essensbegleiter, aber auch ein Wein zum Reden: Müller aus der Stellage! Müller aus dem Eichenholzfass! Fazit: Wenn der Winzer nett zum Müller ist, kann das ein richtig guter Wein werden.

Auftritt der sächsischen Forelle. Ui: Schärfe können sie gut in der Küche von der Anna, aber eine wohlwollende Schärfe. Allerdings machte ich mir kurzfristig Sorgen um den Koch: läuft da was schief privat? Denn wenn es stimmt, dass verliebte Köche gerne zu viel Salz nehmen – was ist denn dann, wenn’s zu wenig ist? Oder gilt der Umkehrschluss nicht ? Wie auch immer: schon das Brot war etwas fad, die Forelle war auch eindeutig kein Salzfisch (nun, das stimmt ja auch, oder?) … mir war’s zu wenig gesalzen. Aber es blieb ein einmaliger Ausrutscher, scheint also alles in Ordnung zu sein!

Farbenfroh und geschmackvoll ging’s weiter, wobei sich die Farbe im klaren Rettich-Sud erst peu à peu entwickelte, weil kleine Stücke von der Roten Bete sie abgaben. Das passte dann sehr harmonisch zum Rosa Schuh, den Tim Graul völlig korrekt als Schieler mit Dornfelder und Kerner ansagte. Da könnte man doch glatt wieder Gesprächstoff finden, Thema: Rosé, Schieler, Rotling, Schiller und was-weiß-ich-für-Wein.

Der Hauptgang war dann noch farbenfroher und geschmacklich von der Sorte: kommt auf die Liste der Besten! Herrlich zarter und auf den rosa Punkt gegarter Hirschkalbsrücken, fabelhaft optischer Kontrapunkt mit der Petersiliencreme, was für die Nase mit der geräucherten Schwarzwurzel – und dass dann alles dem Gaumen auch noch Freude bereitete und das Label GG (wie großes Gaumenkino) bekam, machte die Sache rund. Den Frühburgunder von Schoss Wackerbarth kannte ich bis dato nicht, was ein Fehler war. Leider standen die Jahrgänge nicht auf der Karte, also schnell ein Blick auf die Flasche – dieser war ein 2019er. Leichtes Holz, rote Früchte, bissl Schokolade – das ging gut zur Jus, und überhaupt: Merken!

Die Buttermilch zum Parfait kam aus Sachsen, verriet mir Tim Graul, so wie der Käse. Die Herrschaften, die da soeben was gebracht hätten: das seien die Lieferanten. Sowas gefällt mir. Beim Wein verließen wir die Region. Wieder Gesprächstoff! Es ging um Restsüße und ums Preisgefüge. Der Ausflug zum Hammel in die Pfalz war aber eine mehr als ordentliche Alternative zu den mir bekannten (und in der Tat preisintensiveren) Restsüßen der Region. Aber wer mag sich denn der Liebfraumilch verwehren?

Das Menü

  • Geflämmtes Filet von der sächsischen Forelle mit Spitzkohl, Radicchio und Apfel
    Müller-Thurgau, Weingut Schwarz, Meißen
  • Rote Bete-Maultasche im Rettich-Sud mit Walnuss
    Der Rosa Schuh, Weingut Schuh, Radebeul
  • Rosa Hirschkalbsrücken mit Hagebuttenjus, geräucherter Schwarzwurzel und Petersiliencreme
    Frühburgunder, Schloss Wackerbarth, Radebeul
  • Buttermilchparfait mit Limone und Haselnuss
    Liebfraumilch, Weingut Hammel & Cie., Kirchheim

Die Preise

  • 3-Gänge-Menü 54,00 € – mit Weinbegleitung 70 €
  • 4-Gänge-Menü 62,00 € – mit Weinbegleitung 83 €

Anna im Schloss
Schloßstraße 27
01067 Dresden

Tel. +49 351 79511535
anna-dresden.de

Öffnungszeiten
Mo, Mi–Sa: 12:00–22:00 Uhr | Sonntag 9:00 – 18:00 Uhr
Dienstag Ruhetag

[Besucht am 8. Februar 2023 | Übersicht der hier besprochenen Restaurants in Dresden und Umgebung]


Hinweis:

Die STIPvisiten sind Partner der Kochsternstunden.

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