Kann ja heiter werden – dachten wir im Restaurant La Vista und meinten dabei den im Wanderführer angekündigte luftigen Weg. Ich bin ja nicht so der Schwindelfreie, da ist luftig nicht lustig. Aber wir gehen ja vorwärts immer und rückwärts nimmer, also los! Bei Nässe sei der Abstieg heikel, lesen wir im Rother, konstatieren aber einen halbwegs trockenen Weg – wenn auch nicht bei klarster Sicht, was schade ist. Denn kurz nach Verlassen des Restaurants tun sich gleich großartige Blicke auf Hermigua mit Zwillingsfelsen und die Küstenlinie auf – soweit man das erkennen kann. Wir wähnen für einen kurzen Augenblick die Berge im Schnee, was bei den Temperaturen freilich nicht geht. Also schaltet sich das Hirn ein und sendet uns den durchaus treffenden Gedanken: das sind Wolken! Aber Hallo Hirn – denk doch mal nach – das sind keine Wolken, das ist gleißende Sonne! Stimmt, gibt das Hirn zu und empfiehlt, sich mal lieber auf den Weg zu konzentrieren.
Machen wir, aber nicht ohne hin und wieder stehen zu bleiben und weiterhin Ausschau zu halten. Was man von hier oben auch schon sieht, ist der Stausee Embalse de los Tiles, der die landwirtschaftich geprägte Gegend mit Wasser versorgt. Wenn wir den erreicht haben, liegt der wacklige Teil des Weges hinter uns! Wobei er in Wirklichkeit gar nicht wacklig, sondern brav mit blanken Natursteinen gepflastert ist. Wenn die nass sind, ist das wohl nichts mehr mit Bodenhaftung, aber so funktioniert der Abstieg ganz gut. Im Falle des Falles wären Wanderstöcke sicher eine gute Hilfe. Die uns Entgegenkommenden schnaufen, aber das ist auf La Gomera ja normal.
Noch steiler geht’s auch, nämlich für das Wasser: rechter Hand tut sich der Salto de Agua auf, der das Wasser nahezu senkrecht ins Tal stürzen lässt. Da es nicht Unmengen Wasser sind, ist das zwar beeindruckend, aber nicht spektakulär – ähnlich wie die berühmten Zwillingsfelsen Los Gemelos, die sich von hier aus noch gar nicht als Doppelformation zu erkennen geben. Dafür geben sich die Sonnenstrahlen allergrößte Mühe, die Felsen ins rechte Licht zu setzen, fast scheinwerferartig. Der Rest des Barranco de Monteforte hüllt sich in Schatten.
Kurz bevor der Weg laut Wegbeschreibung ins Unbedenkliche übergeht, hat die Laune der Natur noch eine Schikane eingebaut, indem ein Erdrutsch den hier naturbelassenen Pfad am Hang ein wenig mitgenommen hat. Ärgerlich, wenn so etwas größere Ausmaße annimmt und die Stelle unpassierbar macht, aber hier ging’s durchaus noch. Dann sind wir aber auch schon am Stausee, der sich – so gut er kann – das Blau vom Himmel holt, um uns fotografisch schönes Wetter vorzugaukeln. Wir sehen noch einmal ein Stück vom Wasserfall, aber vor allem menschengemachte Wasserleitungen und Verteilbecken. Eine Ziege mit einem 300-Tage-Bart beäugt uns neugierig – und das war’s dann auch schon, denn plötzlich stehen wir auf der Straße. Unerwartet war das nicht, es war sogar der Plan. Der sah auch vor, einen Bus zurück zum Parkplatz zu nehmen – aber auf Gomera sind mitnahmebereite Touristen meist schneller als Busse, so auch dieses Mal.
Beim Abschied (kurz vorm Autostopp) in Hermigua sahen wir die Zwillingsfelsen dann übrigens in der vollen Pracht, dramatisch inszeniert vor dräuenden Wolken mit durchfallendem Lichtstrahl der sich verabschiedenden Sonne…
Hinterlasse jetzt einen Kommentar