Von Sandbaronen und Erdbeeren im Rotwein

Apulische Augenblicke (19)

Baia di Manaccora

Auf dem Wege nach Pèschici die Erkenntnis: Der Adria-Strand gehört den Sandbaronen, die Campingplätze direkt am Meer anlegen, sie umzäunen und mit schwerem Eisentor nur denen Einlass gewähren, die zahlen. Tagsdrauf kurz vor Mattinata fuhren wir munter in so einer stabilimenti balneari vor, drehten dann aber am Schild um, das uns verhieß, für Auto und zwei Personen sechs Euro zahlen zu müssen: Nur, um mal eben eine halbe Stunde zu bleiben, erschien uns das zu viel…

Einen Eingang zum Meer fanden wir kurz vor Pèschici: Zwischen zwei Privatstränden gab es einen unansehnlichen Weg zum öffentlichen Strand. Dort angelangt, konnte man die Baia di Manaccora komplett ablaufen – nach rechts Richtung Vieste zu einem Felsvorsprung (der Punta di Manaccora), nach links zur Grotta di S. Nicola – die (natürlich?!) verschlossen war: Mai ist Vorsaison, da ist es kalt und nix hat offen. Am Felsvorsprung gab es so eine Art Heiligenstation, an der eine Madonna mit den merkwürdigsten Dingen angebetet wurde. Besonders apart fand ich das Bändchen, das einen in Ferienanlagen als Gast kennzeichent. Arme Madonna!

PeschiciPèschici liegt, wie auch Vieste und Rodi Garganico, auf einem Felssporn. Das heißt: Es geht treppauf, treppab. Und: Man sieht immer mal wieder das Meer – am schönsten von der Spitze, wo es ein altes Kastell gibt (was nicht wirklich verwundert: hier scheint jeder Ort so ein Castello zu haben, natürlich immer an exponierter Stelle). Das Gassenwirrwarr eröffnet auch immer wieder nette Blicke auf alte morbide Gemäuer und wundervolle Torbögen, etliche davon mit offensichtlich wirklich alten Türen.

Rotwein mit BeerenPèschici im Regen kann man, wie jede andere Stadt, ganz gut ertragen, wenn man eine nette Bar findet. Die „Bar del Corso“ verschaffte uns die Premiere eines Rotweins mit Erdbeere (im Wein!) und zwei Maulbeeren (am Glasrand), außerdem gab’s zur Bestellung „due vini“ auch noch ungefragt Chips, Mortadellabrote und Mozarellakugeln. Wir nahmen dankbar an und wurden nicht enttäuscht. Trotz exponierter Lage kostete das übrigens kein Vermögen: zwei Euro pro Glas Rotwein, 3,50 Euro für die Beilagen. Sie schmeckten, und mit 7,50 sowie nettem Wirt, sehr nettem deutsch sprechendem italienischem Gast (der uns als Dolmetscher für einen sehr beredten Sechsjährigen aushalf) war das ein hübsches Mittagsvergnügen.

SchlösserOben an der Burg hat man bei gutem Wetter eine gute Sicht – wir hatten drei Minuten später Regen, entsprechend keine Sicht. Aber die vielen Vorhänge-Schlösser, die da offensichtlich als Brauch am Rost der Reling angebracht waren, konnten wir natürlich sehen. Machen das Liebespaare? Offensichtlich: Innig verwoben rosten die Vorhängeschlösser vor sich hin (anders als alte Liebe, die bekanntlich nicht rostet). Auch das einsame Einzelschloss mit der nicht sehr kreativen aber sicher herzlich gemeinten Inschrift „Ti amo sempre e otre“ kann man noch als Sehnsuchtsschrei wahrscheinlich unerhörter Liebe deuten (sonst wären es ja zwei Schlösser, oder?). Aber was soll ich sagen, wenn da munter zwei Schlösser an einem rummachen?

Besser nichts und weiter gehen! Hier oben an der Spitze des Sporns, auf dem Pèschici gebaut ist, stehen die Häuser kuschelig eng beieinander, man sieht verfallene Häuser mit abblätternden Farben und gute Restaurants, die es sich leisten können, ein wenig fernab der normalen Touristenströme zu liegen.

IllusionenEine Kirche taucht auf – und wie wir es oft in der Gegend gesehen haben, wird man nicht gerade freundlich begrüßt: Zwei Totenköpfe grinsen uns an (soweit man ohne Muskeln und Haut grinsen kann…) Um die Ecke wird’s dann aber wieder sinnenfroh: Die sehr naturalistische Darstellung eines Ladens auf der Sützmauer einer Treppe erfreut uns – es wird nicht die letzte Malerei auf Hauswänden sein, die wir in Pèschici sehen, und alle sind irgendwie kitschig schön.

Auf dem Weg zum Strand endlich mal wieder eine Begegnung mit einem räudigen kläffenden Köter – ich wusste schon gar nicht mehr wie das ist, Angst um seine Waden zu haben. Aber bellende Hunde sind nicht nur im Sprichwort selten beißend, und so kamen wir beschleunigten Schrittes die knapp hundert Meter vom karstigen Sporn herunter an den Strand. Der war, bei dem nieseligen Wetter, menschenleer und eher grau.

Die Restaurants hatten geschlossen, was beim stärker werdenden Regen doppelt fies war. Dafür gab es es nettes Schild: „Wir haben die schönsten Kunden der Welt“ verkündete das Surfbrett – auf italienisch und deutsch, woran man schon erkennt, wer hier im Sommer seinen Urlaub hauptsächlich verbringt. So gesehen war es doch gar nicht so schlecht, in der Vorsaison da zu sein…

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