Von der Juchhöh geht es noch ein wenig landschaftlich schön bergan Richtung Boselspitze. Wein- und Obstbau bestimmen das Bild – und einem Hinweisschild entnehme ich, dass die TU Dresen hier oben sogar einen Botanischen Garten betreibt. Auf dem Weg dahin entdecken wir ein Überbleibsel aus alten Zeiten: Das Gästehaus Boselspitze strahlt den Charme eines FDGB-Ferienheims aus, wir ließen es links liegen. Tatsächlich tobten hier hier seit 1962 im Ferienlager der VEB Braunkohleveredelung Lauchhammer bis zu 300 Kinder gleichzeitig herum. Seit 2002 ist das Gästehaus ein Familienbetrieb – vielleicht ja sogar ein guter mit freundlicher Bedienung. Aber irgendwie wirkt das Ensemble nicht einladend.
Etwas weiter sah es schon netter aus: Das Winzerhäuschen Schwalbennest im Weinberg der Weinkönigin sieht man auch von unten auf dem Weg nach (oder von) Meißen. Leider hatte die Weinkönigin gerade eine Schwalbe gemacht – wir hätten doch so gerne dort mit ihr ein Gläschen getrunken!Apropos hätten: Den 200 Meter langen Wall hätten wir ohne Hinweisschild natürlich wieder nicht aussgemacht, aber so wissen wir nun, dass 1000 Jahre „vuZ“ (vor unserer Zeit) bzw. „vZw“ (vor der Zeitenwende) hier eine bronzezeitliche Siedlung Leben auf den Berg brachte. Über dieses „vuZ“ kann ich nur immer wieder nur den Kopf schütteln – vor Christi Geburt (vChr) war für den offiziellen DDR-Sprachgebrauch einfach nicht denkbar. Nur gut, dass sie den Zeitpunkt nicht auch noch versetzt und den Nullpunkt auf Marxens Geburt oder die Oktoberrevolution gelegt haben…
Wir sind nun oben an der Boselspitze, und wie so oft: Dass das so ein imposant abbrechender Berg ist, merkt man hier oben gar nicht. Man kann – entsprechendes Wetter und korrekten Sonnenstand vorausgesetzt – weit sehen, das hat auch was. Aber um die Bosel einmal so richtig genießen zu können, muss man schon vom anderen Elbufer oder wenigstens vom Schiff aus gucken. Auf der Boselspitzen gibt es die schon angekündigte Abteilung des Botanischen Gartens der TU Dresden, die im vergangenen Jahr recht leise ihr 100jähriges Bestehen feiern konnte: Im Dezember 1908 hatte der Landesverein Sächsischer Heimatschutz das Flurstück auf der Bosel gekauft – auf Empfehlung eines Prof. Drude, der sich mit den wärmeliebenden Pflanzengesellschaften Sachsens beschäftigte. Die TU Dresden übernahm 1948 den Boselgarten, der heute auf etwa 2.500 Quadratmetern 850 kultivierte Arten eine Heimat bietet – von denen 200 auf der Roten Liste Sachsens bedrohter Pflanzenarten stehen.
Im September ist der Garten natürlich nicht so spektakulär wie im Mai oder Juni, wenn hier alles blüht – wir müssen also noch mal wieder kommen und gehen vorerst weiter Richtung Sörnewitz an der Elbe. Anders als die schwangeren Jungfrauen wählen wir nicht den direkten Weg, sondern den durch den Wald. Unten angekommen begrüßen uns zwei Strohpuppen und laden zum Besuch der Besenwirtschaft Zum Winzerschoppen ein. Sie liegt – weiter oben! Wir also parallel zum gerade herunter gewanderten letzten Wegstück wieder hoch, aber nicht weit. Die Besenwirtschaft auf halber Höhe inmitten des Weinbergs hat von April bis November je nach Wetter- und Bedarfslage täglich außer montags ab zehn Uhr geöffnet – mit einer auf der Karte zu lesenden Einschränkung: Wenn der Winzer „unaufschiebbare Termine“ hat, kann schon mal geschlossen sein…Klingt gut und locker – und so ist es dann da oben auch. Der Winzer gibt bereitwillig Auskunft, will sich allerdings nicht wirklich festlegen: Als wir ihn fragten, was ER denn nun trinken würde, eierte er ein wenig herum. Nun denn, dann mussten wir eben selbst (für Müller-Thurgau, Kerner und Traminer) entscheiden 😉 Im Angebot sind Weine der Winzergenossenschaft – im Müller Thurgau seien auch Tropfen seiner Trauben drin. Das hat uns nun fast jeder der von uns im Laufe der Jahre angesteuerten Besenwirtschaftswinzer gesagt, und wenn ich das Prinzip richtig verstehe, ist es kein Wunder, dass ausgerechnet hier in Meißen 1796 der Herr Samuel Hahnemann die Homöopathie erfunden hat…
Sörnewitz ist tödlich für Weinwanderer – zu viele Winzer. Den Herrn Schabehorn haben wir uns aufgehoben, obwohl das Weingut am Fuße der Bosel durchaus einladend war. Bei ihm werden wir also demnächst die Fortsetzung der Weinwanderung beginnen… Unser Ziel liegt etwas mehr im Dorfinnern: Das Weinhaus Schuh ist wohl die beste Adresse in Sörnewitz. 1990 neu gegründet, Reben nur in Steillagen – wobei es beim Schuh auch Rotwein gibt: 43 Prozent der 4,5 ha sind mit Rotweinreben bepflanzt. Früh schon hat das Weinhaus Schuh auf Kundenkontakt gesetzt: Zum Weingut gehören eine Vinothek und ein Weincafé, und wer in Sörnewitz hängen bleibt: Gästezimmer gibt’s auch…
[Teil 1 dieser Wanderung | Alle sächsischen Weinwanderungen]
Eine sonst sehr schöne Erzählung über die Wanderung und die schöne Landschaft. Leider sind die beiden Stellen über das Betriebsferienheim BKK Lauchhammer und die Kritik an einer Zeitangabe („vuZ“ statt richtiger „vChr“) tendenziös und kleinlich ausgefallen. Sonst stimme ich dem Autor in allen weiteren Details vollkommen zu.