Da sitzen sie nun auf der Terrasse von Schloss Wackerbarth und genießen Sonne, Wein und Landschaft. Wenn man nicht hier in der Gegend wohnen würde, müsste man glatt einmal als Tourist kommen! Schloss Wackerbarth ist ein Barocklandsitz mitten in den Lößnitzbergen bei Radebeul etwas elbabwärts von Dresden. Reichsgraf August Christoph von Wackerbarth war Baumeister und hat vermutlich die Pläne seines Alterswohnsitzes selbst entworfen – doch als Baumeister ist Johann Christoph Knöfel verantwortlich. Auf dem Gelände hat das Sächsische Staats-Weingut „Schloss Wackerbarth“ seinen Sitz. Den Umbau hat sich der Freistaat Sachsen etwa 15 Millionen Euro kosten lassen. Moderne Kellertechnik kann gut für den Wein sein, macht allerdings die meisten Besucher nicht so an wie alte Statuen und romantische Blicke – doch auch die gibt’s genug…
Die Sekte und Weine von Wackerbarth gehören nicht zu günstigsten in der Gegend, aber sie nicht zu probieren wäre ein Frevel. Da wir keine Frevler sind, holten wir uns je ein Glas Cuvée Sachsen, in dem Grauburgunder und Müller-Thurgau zusammen den Nachmittag verschönern, und wählten einen der Tische auf der Terrasse mit Blick auf das Belvedere, das über der Anlage thront und ihr einen feinen Abschluss gibt. Das Lustschlösschen gilt als Wahrzeichen von Schloss Wackerbarth – und wenn der Blick ein wenig nach rechts und etwas höher schweift, gibt’s gleich noch eins: Der Jacobstein ist das Radebeuler Wahrzeichen. Von hier oben hat man einen bezaubernden Blick ins Elbtal – doch heute werden wir ihn nicht genießen, weil der Weg uns in die andere Richtung führt.
Der Weinwanderweg führt hinter der Vinothek aus der Wackerbarth’schen Anlage heraus und geht am Anfang ganz unspektakulär unterhalb der Weinberge eine Straße entlang. Die Wohnbebauung wird dünner und verabschiedet sich mit zwei Hinguckern. Der eine ist eine Seniorenresidenz, die sich schön gelb vor dem blauen Himmel platziert, aber unten rum nichts Besonderes ist. Der andere ist die imposante Villa Hohenhaus – einst bischöfliche Sommerresidenz, später in gleicher Funktion Besitz von Berthold Thienemann, der Großhandelskaufmann und Vater von fünf Töchtern war. Deren drei heirateten Söhne der Familie Hauptmann: Georg die Adele, Carl die Martha und Gerhart Hauptmann, der Schriftsteller, nahm sich Marie zur Frau. So kam Radebeul und sein Hohenhaus in die deutsche Literatur („Die Hochzeit auf Buchenhorst“ und „Die Jungfern vom Bischofsweg“). Seit dem 6. Juni 1949 gibt es ein Hauptmann-Archiv auf Hohenhaus.
Das Haus war verschlossen, mal sehen, ob es irgendwann begehbar ist. Wir gehen also weiter auf dem Weinwanderweg und erleben eine kleine Überraschung: Einen Weinlehrpfad! Unterhalb des Weinbergs mit dem schönen Namen Zechstein haben Karl Friedrich Aust vom gleichnamigen Weingut und Silvio Nitzsche von der Weinkulturbar zahlreiche Tafeln angebracht, die über Rebsorten und die Arbeiten während der einzelnen Monate im Jahr infomieren. Außerdem erfährt man was über Aust, Nitzsche und Frédéric Fourré, der als befreundeter Dritter im Bunde wohl auch seine Hände mit im Spiel hatte. Wer nicht zum Zechstein gehen mag: Man kann alles auch online nachlesen!
So viel Theorie macht Durst! Da trifft es sich prima, dass ein Handzettel am Wegesrand auf eine Straußwirtschaft „Am Zitzschewiger Weingarten“ hinwies! Gerne verlassen wir den offiziellen Weinwanderweg und riskieren einen Umweg von 250 Metern – um dann festzustellen: Der Betreiber hängt erst im Juli den Besen raus. Aber: Der Herr Roßberg ist vor Ort und macht sauber – und als er uns am Tor sieht, öffnet er es für uns! Wir kamen uns vor wie in Italien, wo wir ja häufiger auf derlei einladende Zeitgenossen gestoßen sind, und hatten ein nettes Schwätzchen. In den Probiergläsern gab es einen Goldriesling und einen Müller-Thurgau – vom eigenen Weinberg und auch selbst gekeltert. Roßberg arbeitet im Weinberg nach ökologischen Prinzipien und setzt diese Ideen im Keller fort, indem er schonend nur mit der Schwerkraft presst. „Meine Art Wein zu machen“ nennt er das im Gespräch, für das er sich gerne Zeit nimmt. Ein angenehmer Zeitgenosse und ein trinkenswerter Wein – was will man mehr? Also verabschieden wir uns mit einem „Auf Wiedersehen!“ und meinen das auch so. Ab Juli ist ja am Wochenende regulär geöffnet!
Wir gehen und begehen einen Fehler: Wir wollen den Weinwanderweg weiterlaufen und gehen zurück zur Stelle, wo wir ihn verließen, statt von Roßbergs Straußwirtschaft die Abkürzung zu nehmen. So durften wir durch einen reißenden Gebirgsbach laufen – wo auch immer der herkam (außer von oben, klar!) und sich des Wanderwegs bemächtigt hatte. Egal: Wir hatten Sandalen und keine Socken an, da bot das kleine Stück Abenteuerwanderung etwas lustige Abwechslung. Und nach dem kurzen Stück, in dem sozusagen alles im Fluss war, ging es wieder trockenen Fußes bergan.
Wenn der Weg direkt am Weinberg vorbei führt, sieht man in der Regel nicht viel von den Reben: Die für Sachsen typischen Trockenmauern sind davor. Sie machen in Steillagen den Weinbau erst möglich – und sie tanken tagsüber Wärme, die sie abends abgeben. Das ist übrigens auch für Weinbergwanderungen nach Sonnenuntergang eine angenehme Begleiterscheinung! Mit etwas Weitblick kann man natürlich auch Wein im Berg sehen. Linker Hand zeichnet sich mittlerweile die bezaubernde Skyline von Coswig ab: Plattenbauten, Plattenbauten, Plattenbauten – und mit etwas Glück mal ein einsamer alter Kirchturm zwischendrin. Dagegen hilft nur: in die andere Richtung sehen, wo das Weingut Matyas an diesem Wochenende zum Hofschoppenfest bittet.
Das erst zehn Jahre alte Weingut bewirtschaftet 6 ha Fläche – und wenn schon ein Fest gefeiert wird, dann sollte man sich auch durch die Ergebnisse der Arbeit probieren: Kerner der beiden Jahrgänge 2007 und 2008, Müller-Thurgau 2008 und 2009 im Vergleich, ein Spätburgunder rosé, Weißburgunder und Grauburgunder (alle 2009). Die Stimmung auf dem Hof war von südländischer Heiterkeit, der Alleinunterhalter den Coswigern als Original bestens bekannt. Als Außenstehender ist man vielleicht ein wenig distanzierter, aber man kann sich mit frischem Wein ja sogar Alleinunterhalter schön trinken.
Matyas Probocskai, der Chef des Weinguts, ist gebürtiger Ungar und hat dem Weingut freundlicherweise seinen Vornamen verpasst. Der Mann war lange Zeit Kellermeister auf Schloss Wackerbarth, weiß also was er tut. Zusammen mit seiner Frau Ingeborg, die Winzerin ist (und uns trotz vollem Haus schnell und freundlich bediente), betreibt er den Familienbetrieb. Sein Lächeln an diesem Nachmittag, wenn er sich seine Gäste so ansah, gehörte zu den schönen Eindrücken – schien es doch zu sagen: Gut, dass es euch hier gefällt!
Auf dem Rückweg und der Suche der nächstgelegensten Haltestelle ist uns dann noch ein kleines Malheur passiert: Wir kamen bei Charlotte K. vorbei und konnten nicht umhin, kurzfristig und wirklich ungeplant im Sommergarten Platz zu nehmen. Ines Kuka stand ausnahmsweise nicht in der Küche, sondern war diesen Abend am Gast. Die Sülze (natürlich gab es die!) trug dennoch ihre Handschrift – alles andere hätte uns auch enttäuscht…
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