Vieles war anders und doch irgendwie alles wie gehabt. Es gab ausgesuchten Wein, guten und sehr guten. Es gab – laut Karte – ein Drei-Gang-Menü, das in fünf Gängen serviert wurde und mit einer Crème Brûlée endete. Preisfrage: Wo sind wir? Na klar: bei Ines Kuka und ihrer Charlotte K. Aber die Crème Brûlée war nicht die gewohnte, von uns so geliebte: Matthias Gräfe hatte in der Küche, wie es so seine Art ist, mit Erwartungen und Materialien gespielt und als Gastkoch des Abends das Dessert gehörig verfremdet.
Gäste kochen für Gäste heißt die Serie im Zitschewiger Gasthaus, die an diesem Abend eine ganz besondere Konstellation bereithält: Ines Kuka hatte zum einen Bernd Kastler zu Gast – als Vorsitzender des Sächsischen Weinbauverbands angekündigt (was auch stimmt, aber eigentlich ist er ja Winzer und der Vermieter des Hauses Charlotte K.). Der andere Gast, wie gesagt, Matthias Gräfe. Angekündigt als Chef von Gräfes Wein & fein (was auch stimmt, aber eigentlich sollte man wissen, dass er zusammen mit Ines Kuka vor der Charlotte das Restaurant auf der Hoflössnitz betrieben hat, und dass die beiden es zu nie wieder erreichten Höhen geführt hatten).
Gekocht hat nur der Herr Gräfe, während der Herr Kastler den Wein-Service übernahm. Von seinen eigenen Weinen gab es nur einen zur Begrüßung: Den 2011 Radebeuler Johannisberg Weißburgunder nahmen die Gäste im Garten zu sich, was zu nettem ungezwungenen Plausch unter- und miteinander führte. Der Wein passte dazu: Leicht, sommerlich, anregend. Irgendwann kam dann auch Matthias Gräfe himself mit dem Gruß aus der Küche und setzte schon einmal einen Ernsthaftigkeits-Akzent: Das Beste von der Kalbs-Bratwurst auf Kartoffelsalat („Da ist Zucker drin, weil im Wein vom Kastler keiner mehr drin ist!“) war in der Tat komplett zipfelfrei!
Noch draußen galt es eine Gemeinschaftsaufgabe zu lösen: Ein Doppelmagnumbocksbeutel 2010er Casteller Hohnart Silvaner vom Weingut Fürstlich Castell’sches Domänenamt war zu öffnen. Keine leichte Aufgabe, wie sich zeigte, aber eine kommunikationsanregende. Mit dem (irgendwann dann doch offenen) Wein ging’s rein in die Charlotte. Eine Tüte mit apulischen Tarallini kreiste – immer diese Nascherei (aber nette Erinnerungen an Apulien!). Matthias Gräfe hatte sich vom Lieblingsgeknabber von Bernd Kastler zu einem Serviettenknödel von Kastlers Kringel mit Spargel und Chorizo inspirieren lassen. Nicht zuletzt wegen eines frischen Zitronenöls am Spargel eine locker-leicht-würzige Angelegenheit, die trefflich mit dem Silvaner hamonisierte.
Es folgte: Eine Überraschung. Es gab einen Wein aus der Traube Hibernal (eine schädlings- und pilzresistente Sorte aus Riesling und einer Seibel-Rebe). Kannte keiner. Von einem Winzer aus Meißen, der dort linkselbisch immerhin elf Hektar bewirtschaftet: Tim Strasser. Kannte keiner. Aber man sollte sich beide merken. Tim Strasser ist das, was man andernorts vielleicht einen jungen Wilden nennt oder einen Hoffnungsträger. Auf jeden Fall macht er einen geilen Wein. Zum 2010 Hibernal Rother Gut Meißen gab es echten Saumagen vom Metzger in Wachenheim, dazu ein Kartoffel-Erbs-Püree. Die Kartoffeln handgequetscht und nur leicht mit dem Erbspüree verrührt. Dazu Salat mit einer umwerfenden Vinaigrette, dessen Rezept uns Gräfe dreimal partout nicht verraten wollte.
Eine Überraschung allein ist ja langweilig, weswegen nach dem Hibernal noch etwas anderes Besonderes mit Riesling anstand: Roter Riesling. Dessen Trauben verfärben sich kurz vor der Ernte rötlich, aber gekeltert wird ein weißer Wein, was den Autor Gerhard Seib 2004 in einem Fachbeitrag auf den wunderschönen Titel „Auch der Rote Riesling ist ein Weißer“ brachte. Der Wein kam vom Prinz, aber nicht vom Prinzen: Ein 2011 Roter Riesling von Fred Prinz aus Hallgarten im Rheingau – ein VDP-Winzer, und das schmeckt man dem Riesling auch an. Dazu aßen wir eine Tarte mit geräucherter Forelle und Mirabellenkonfitüre, wobei die Tarte nicht nur so aus Mürbeteig bestand, sondern einen Harzer Käse untergemischt hatte. Und die Konfitüre hatte (natürlich? natürlich!) eine eigene Geschichte, die man wie folgt zusammenfassen kann: Im Urlaub selbst gesammelt, mehrere Körbe.
Das Dessert hatte ich ja schon andeutungsweise verraten: Crème Brûlée, wie bei Charlotte K. üblich. Aber Matthias Gräfe hatte gehörig wider den Stachel gelöckt und zusammengerührt, was nicht zusammen erwartet wird. Einen Blue Master (wer nicht in der DDR gelebt hat, muss ihn nicht kennen: Ein Blauschimmel, der die Wende überlebt hat), ein wenig Chutney, ein Stück Blue Master original. Wir spülten den herben Geschmack mit 2009 Radebeuler Goldener Wagen Traminer Spätlese fort – und bestellten außerhalb der Tagesordnung die echte CB, mit den berühmten Zitschewiger Pflaumen. Dazu passte der Traminer auch, und wir hatten zum Schluss, was man am Ende eines Abend bei Charlotte K. nie versäumen sollte.
Charlotte K.
Coswiger Straße 23
01445 Radebeul
Update: Restaurant geschlossen
Tel.: 0351 / 833 6876
www.charlotte-radebeul.de
Öffnungszeiten
Montag bis Sonntag: ab 17 Uhr
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