Besen- oder Straußwirtschaften bieten die ungeahnte Möglichkeit, einzutauchen in die Welt der Winzer. Vier Monate im Jahr dürfen sie ihren Wein vor Ort anbieten. Die meisten machen es, weil eben nur nebenbei, nur am Wochenende – aber es lohnt sich, denn man lernt mehr kennen als den jeweiligen Hauswein…
Winzer Lutz Müller
Die Zahl der Besenwirtschaften im Stadtgebiet von Dresden ist sehr übersichtlich. Aber dafür haben sie es in sich. Nehmen wir den Winzer Lutz Müller, der von März bis November “Weine mit Weitblick” anpreist. Seine Straußwirtschaft befindet sich am Weinberg von Schloss Albrechtsberg – wenn man vom gegenüberliegenden Ufer auf die drei Schlösser guckt, sieht man ihn ganz links.
Was für ein Platz! Lauschig, lauschig. Unten tröten manchmal Dampfschiffe, der restliche Lärm der Welt ist nicht zu hören. Etwa 3 ha bewirtschaftet Lutz Müller am Dresdner Elbhang (Albrechtsberg, Lingnerschloss) und im Pillnitzer Königlichen Weinberg (in der Nähe der Weinbergskirche), viel Wein gibt das nicht: ein Großteil der ca 15.000 Flaschen werden da getrunken, wo der Wein wächst, was ja nicht das Schlechteste sein soll.
Da sitzt man nun also und guckt auf Dresden. Direkt unter uns der Weinberg, dessen Hang steil zur Elbe abfällt. Dort wuchs der Riesling, der jetzt als 2009er Kabinett im Glas vor uns steht und eine der schönsten Überraschungen beim Besuch war (2,50 Euro für 0,1l). Auch der Kerner ist trefflich gelungen, und wer mag, kann sogar einen Roten trinken oder den Rosé Landwein probieren (der uns ein bissel flach erschien). Natürlich gibt’s beim Herrn Müller auch einen ordentlichen Müller-Thurgau, und wenn man sich dazu einen vor Ort im holzbefeuerten Ofen frisch gebackenen Flammkuchen besorgt, dann ist wirklich alles Müller: Tobias Müller ist der Herr der Flammkuchen, aber nicht verwandt – was bei dem Namen ja durchaus glaubhaft erscheint. Der Flammkuchen ist frisch und ein Gedicht, schon in der einfachsten Variante.
Balberg Aussicht
Die Straußwirtschaft Balberg-Aussicht der Familie Wagner muss man kennen, sonst findet man sie nicht. So gesehen galt sie lange als Geheimtipp, aber wie das mit Geheimem so ist: Der eine sagt’s dem anderen, der plaudert weiter – und nun ist es oben auf dem Balberg meistens voll! Wir näherten uns dem Kleinod erstmals an einem Tag des offenen Weinbergs und kamen von unten durch den Weinberg, der normalerweise nicht öffentlich zugänglich ist. Aber wenn man im Hof der “Drei Herren” sitzt und nach oben sieht, dann entdeckt man so ein kleines Schwalbennest. Das ist es, da wollten wir hin! (An normalen Wochenenden, die bei den Wagners besenwirtschaftsmäßig schon am Donnerstag beginnen, ist der Zugang unspektakulär, man muss oben vorfahren, kurz vor dem Spitzhaus abbiegen und dort parken.)
Man sitzt hier spektakulär schön, oberhalb des Weinbergs mit weitem Blick ins Land, das von der Elbe durchzogen wird. Familie Wagner erntet wenig eigenen Wein, den sie bei Jan Ulrich ausbauen lässt. Der versteht sein Fach, weswegen man hier oben nicht nur die Aussicht genießt. Die Wagners nehmen sich, trotz des Andrangs, auf Wunsch auch Zeit für einen Plausch. Man kann eigentlich vor lauter Genuss und Freude gar nicht dankbar genug dafür sein, dass Leute wie sie ihr Privates öffnen und mit so viel Herzlichkeit teilen. Es geht familiär zu, es gibt den üblichen Zwiebelkuchen und andere Kleinigkeiten: Das erwartet man ja mittlerweile schon fast. Aber wenn dann noch der Vollmond aufgeht und sich hinterm Baum übers Elbland schleicht, dann ist der Abend perfekt (keine Garantie für den Vollmond, der sowieso nur einmal im Monat engagiert ist).
Jägerhof im Paradies
Direkt am sächsischen Weinwanderweg in Radebeul stoßen Wandersfrau und Wandersmann auf eine Rarität. Der Jägerhof im Paradies bricht auf den ersten Blick mit allen Vorstellungen, die man von einer Besenwirtschaft hat. Der erste Eindruck ist nämlich nicht der eines traditionell gemütlichen Heims, sondern eher befremdlich. Hier spielt offenbar jemand ganz bewusst mit den Vorstellungswelten möglicher Besucher und preist beispielsweise auf handgeschrieben Tafeln „schweinig guten sächsischen Wein“ an.
Es ist ein Freitag um acht Uhr abends, der Besen hängt, ein Schild fordert zum „Glocke läuten“ auf: Wir machen es. Heraus kommt die Winzerin, die im Hauptberuf Lehrerin ist: Na klar, selbstverständlich könnten wir uns setzen. Christine Kühn bleibt, weil wir sie ins Gespräch verwickeln, dann gleich mal bei uns, wir sind – wieder einmal – quasi im Wohnzimmer bzw. Garten privat zu Besuch. Es gibt ordentlichen Hauswein und reichlich Zeit, sich umzusehen.
Der Jägerhof ist eine wildromantische Ansammlung von Reliquien zwischen Karl Marx und Karl May: Indianer, Russenkisten und altsozialistische Parolen-Schilder. Eine merkwürdig lustige Mischung hat sich da jemand zusammengesammelt! Kurz vor Sonnenuntergang kommen noch Gäste, Freunde des Hauses. Und aus dem Plan, jetzt zu gehen, wird nichts, denn es will weiter Wein probiert und gesprochen werden. Ein Häppchen (Fettbemme, was sonst?) gibt’s auch noch, und das alles zu sehr verträglichen Preisen (2,40 Euro für 0,2 l Wein). Selbstverständlich waren wir später noch einmal da, tranken wieder Hauswein, trafen wieder Freunde des Hauses – und blieben wieder länger als geplant. Ein schönes Etablissement!
Winzerei Förster
Der Sächsische Weinwanderweg führt auch am Weinberg “Radebeuler Steinrücken” vorbei – und je nach Variante, die man geht, sieht man oben wunderbare Reben vor (bestenfalls) blauem Himmel, oder man hört hinter einer Steinmauer fröhliche Stimmen. Denen sollte man folgen und die Winzerei von Klaus Förster besuchen! Hier hat mitten im Weinberg am Wochenende die Straußwirtschaft des Winzers geöffnet: eine gute Gelegenheit, den Wein genau da zu trinken, wo er wächst.
Die Spezialität des Hauses ist “Kötzschber” – wahrscheinlich heißt der Wein so, weil nach Genuss mehrere Gläser (Flaschen?) kein Mensch mehr ordentlich den Herkunftsort Kötzschenbroda korrekt aussprechen kann und ins natürliche Nuscheln verfällt. Kötschber halt, ohne “z” gesprochen. Den gibt’s rot, weiß und als Rotling, also Wein aus roten und weißen Trauben (was etwas anderes als rosé ist: Der wird bekanntlich nur aus roten Trauben gekeltert!). Da Klaus Förster kein Geheimnis aus den Rebsorten seiner etwas über 1,1 Hektar Rebfläche macht, kann man sich denken, was drin ist im Landwein. 78% Kerner baut Förster an, je 5% Scheurebe und Traminer sowie je 4% Spätburgunder, Ruländer und Müller-Thurgau.
Man sitzt rustikal auf Holzbänken oder auf Stein überm Kerner und genießt Aussicht und Ambiente: Das Grün der Reben, den Rost alter Gerätschaft, die locker eingestreute Kunst aus Sand- und anderem Stein, den alten Wasserturm gleich nebenan, die Staubecken von Cossebaude und die Elbe weiter hinten. Der Kötzschber ist gewöhnungsbedürftig, aber in diesem Wort steckt ja schon drin, dass man wenigstens zwei Gläser (1,85 die Weißweincuvee, 2,50 der Rotling – je 0,1 l) probieren sollte…
Adressen
Winzer Lutz Müller
Kavaliershaus Schloß Albrechtsberg
Bautzner Str. 130
D-01099 Dresden
Tel. 0351-3289217
e-mail: mail@winzerlutzmueller.de
http://www.winzer-lutz-mueller.de
Öffnungszeiten (2024):
immer von 11–19 Uhr (oder wenn es dunkel wird) – und zwar…
März: Sonn- und Feiertags
April bis Oktober: Samstags, Sonntags und an Feiertagen
November: Sonn- und Feiertags
Zitat von der Webseite: An richtig schönen Tagen könnte schon 18 Uhr Annahmeschluss für den Flammkuchen sein!!! Wein gibt es aber bis zum Schluss.
Straußwirtschaft Balberg-Aussicht
Familie Wagner
Bodenweg 39b
Radebeul
Öffnungszeiten:
– mittlerweile geschlossen
Jägerhof im Paradies
Christine & Udo Kühn, Auf den Bergen 11,
Tel.: (03 51) 8 36 24 00
Öffnungszeiten (2024):
01.05. – 31.10.2024:
Sa, So und an Feiertagen jeweils 11–19 Uhr
Winzerei und Weinhaus Förster
Obere Burgstraße 21, Tel.: (01 71) 9 30 62 07
http://www.weinhaus-foerster.de
Öffnungszeiten:
mittlerweile geschlossen
[Besucht im August 2010 | Veröffentlicht am 19. August 2010 in PluSZ, Beilage der Sächsischen Zeitung | Beiträge und Karte der hier besprochenen Besenwirtschaften]
Brigitte Pamperl und Dr. Otto Schlappack sind am 26.6.2015 mit dem Auto von Wien nach Radebeul bei Dresden gefahren.
Abends nach ihrer Ankunft sind sie auf den Ballberg gewandert. Dort wurden sie sehr freundlich von der Familie Wagner in ihrer Straußwirtschaft willkommen geheißen.
Brigitte Pamperl hat den Dornfelder Rotwein verkostet, Otto Schlappack hat sich durch die Weißweine vom Müller Thurgau bis zum Traminer durchgekostet.
Es wurden Ihnen ein schöner Platz unter einem alten Baum mit Blick auf Dresden angeboten. Zum Essen wählten sie Entensülze und Ziegenkäse. Dazu gab es reichlich herrliches Brot.
Das Ehepaar Wagner nahm auch persönlich Kontakt mit den Gästen aus Wien auf, einer Stadt in der sie leider selbst noch gar nicht waren.
Gar nicht einfach in Wien ein vergleichbar schönes Platzerl zu finden.