Mut zum Geschmack

Restaurant Ven

Binsenweisheit: Ein Restaurant ist nur so gut wie das Team, das die Arbeit im Hintergrund erledigt. Wenn die Küche einen neuen Chefkoch bekommt, kann sich also eine Menge tun. Also waren wir mal wieder im Restaurant Ven, wo seit Januar Christoph Mezger kocht. Bescheiden tritt er auf, wenn er an den Tisch kommt – aber seine Gerichte komponiert er sehr selbstbewusst. Wir mögen das sehr, wenn die Dinge Geschmack haben – vor allem, wenn sie einen eigenen Geschmack haben und Flagge zeigen.

Die Empfehlung des Chefs für den Abend: Das Menü, na klar. Hatten wir uns aber auch schon vorher ausgesucht! Der Gruß aus der Küche, das kannten wir schon, wird immer noch in der Küche serviert, zusammen mit einem Glas Sekt (was den Gesamtpreis des 4-Gang-Menüs mit 39,00 Euro sehr akzeptabel macht; drei Gänge kosten 34 Euro).

Bevor es soweit war und wir vom (aufmerksamen und netten) Service in die Küche gerufen wurden, konnten wir uns allerdings noch ein bisschen ärgern. Und zwar mal wieder über die Weinpreise und die Kalkulation. Immer noch serviert man im Ven den Wein in 0,15-Liter-Gläsern. Die ungewöhnliche Maßeinheit ist wahrscheinlich einem Controller eingefallen, weil sich der Inhalt einer 0,75-Liter-Flasche so wunderbar durch 0,15 ohne Rest teilen lässt. Ein Gastgeber freilich rechnet anders, bietet auch offene Weine zum Probieren an, was im Ven entfällt – wahrscheinlich aus rechnerischen Gründen. Lustig ist allerdings, dass man nicht rechnen kann: Ein Karsdorfer Hohe Gräte Silvaner, ein Großes Gewächs von Uwe Lützkendorf, kostete 7,50 Euro im Glas. Fünf Gläser bekommt man also einzeln serviert für 37,50 Euro – oder aus der Flasche für 42 Euro. Dass Lützkendorf VDP-Winzer im Gebiet Saale-Unstrut ist, muss man übrigens wissen: Auf der Karte steht es nicht, sagen tut’s auch keiner (wir haben allerdings auch nicht gefragt, weil wir es ja wussten). Dass er unter „regional“ geführt wird, ist allerdings schon fast irreführend, denn ein hiesiger, sächsischer Wein ist das eben nicht. Das Schnäppchen-im-Glas-System funktioniert übrigens nicht immer: Der Müller Thurgau vom Staatsweingut Wackerbarth kostet im Glas auch 7,50 Euro, in der Flasche aber 37 Euro, mithin sollte man da flaschenweise ordern, wie auch beim Riesling vom Weingut Schloss Proschwitz, der als Flasche 42 Euro und im Glas 8,50 Euro kostet. Es gibt noch mehr solche Rechenschätzchen, was nicht gerade für Professionalität im Weinkartenbereich spricht. Wobei es sowieso überraschend wenig Weine sind für ein Restaurant der Spitzenklasse (denn das will das Ven ja sein).

Weiteres Nachdenken über Unzulänglichkeiten von Restaurants im Hotelbetrieb unterblieben, weil wir in die Küche gebeten wurden. Dort warteten ein Glas Sekt sowie eine weiß-rot-grüne Komposition aus Jacobsmuschel, Wassermelone und Gewürztagetis Sud im kleinen Weck-Glas auf uns. Wenn eine Jacobsmuschel das Menü einleitet und auch noch perfekt ist, sind für uns die Weichen für einen gelungenen Abend ja meist schon gestellt. Christoph Mezger nahm sich Zeit für einen Plausch am Pass – ob das auch geht, wenn mal richtig Betrieb ist, kann ich nicht sagen, an diesem Abend war nicht viel los (das Restaurant leer, der Hof nur leidlich besetzt und eine Gruppe separat irgendwo im Haus). Zeit also, über die von ihm „intensive taste“ genannte Küche zu sprechen. Wobei man das bittesehr englisch aussprechen sollte, um dem Sinn näher zu kommen 😉 . „Der Eigengeschmack der Produkte steht im Vordergrund, wir wollen den natürlichen Geschmack der Produkte intensivieren!“ sagt Mezger – und er sagt es nicht nur, er handelt auch danach.

Die Vorspeise Marinierter Spargel mit Schnittlauchcreme, eingelegten Pilzen und getrockneten Tomaten kam mit Spargel aufrecht stehend und mit (Pilz-)Hut an den Tisch und bezog seinen köstlichen Geschmack aus dem Sößchen und dem Kochwasser (oder der Marinade) des Spargels, so dass das Gericht ein sehr citrusfrischer sommerlicher Genuss war. Wir hatten um eine alternative Vorspeise gebeten und sie auch klaglos erhalten: Gebeizter Heilbutt mit Vogelmiere, Aroniaeis und Püree an gefüllten Perlzwiebeln. Auch diese Vorspeise kitzelte den Gaumen und war nett arrangiert – und wer sich die Bilder ansieht und sagt: Alles sehr übersichtlich! – der hat erstens Recht und irrt dennoch, wenn es um die vermeintlich zu geringe Menge geht: Die passte nämlich. Wie schon öfter mal angemerkt: Gute Köche dosieren die Menge so, dass man auch mehrere Gänge essen kann ohne pummeldicke das Restaurant verlassen zu müssen.

Besonders gespannt waren wir, wie das Flank Steak mit Auberginenstift und Püree, Morcheln und Sauerampferdressing wohl geraten würde: Ein Steak aus dem unteren Rippenbereich, dem Rinderlappen, wie man es in Deutschland so kaum bekommt. In Amerika, dem Land der Steak-Esser, gehört es aber als preiswertere Alternative zu den wertigeren Steaks zum Standard-Grill-Programm. Unser Flank Steak war perfekt gegart und hatte einen intensiven Eigengeschmack, das Fleisch natürlich nicht so zart wie vom Filet (das nur wenige Zentimeter über dem Flank liegt, aber eben ganz anderes Fleisch ist). Die Morcheln und Auberginen setzten dazu einen schönen Akzent: Versuch gelungen!

Fisch nach Fleisch? Geht! Zum Hauptgang kam Königslachs an Spinatcreme, Safranschaum, Spitzgelee und Kohlrabisalat aus der Küche. Lachs kann ja reichlich langweilig schmecken, da verstehen sich viele Köche prima drauf. Mezger wurde dem kostbarsten aller Wildlachse mehr als gerecht – und stellte ihm mit den Beilagen adäquate Begleiter zur Seite. So intensiv können also also die alten Langweiler aus Kindertagen, Spinat und Kohlrabi, schmecken…

Das Dessert mit Eis, Chips und Frucht von der Erdbeere mit Rosmarinstaub und Pistazienjus rundete den Abend perfekt ab. Zum Essen werden wir wiederkommen – und zum Wein lassen sie sich im Ven bis dahin ja vielleicht was einfallen. Gutes muss nicht überteuert sein!

Restaurant Ven
Innside by Melia
Salzgasse 4
01067 Dresden

Tel.: 0351 / 795 15 0
www.ven-dresden.de

Geöffnet: Täglich 18 – 22 Uhr

[Besucht am 16. Juni 2012 | Übersicht der hier besprochenen Restaurants in Dresden und Umgebung]

1 Kommentar

  1. „intensive taste“

    ? Klassischer Fall von denglischem Eigentor! So richtig intensiv geht’s im Englischen eigentlich nur auf der Intensivstation respektive der intensive care zu; ansonsten spricht man bei Geschmacks- und Genussfragen von einem intense taste. 🙂

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