Topfgucker im Caroussel

Hinter den Kulissen in der Küche von Benjamin Biedlingmaier

In der Küche serviert der Chef persönlich

Wir waren schlecht vorbereitet. Ich hatte vor längerer Zeit die „Geständnisse eines Küchenchefs“ von Anthony Bourdai gelesen, das den schönen Untertitel „Was Sie über Restaurants nie wissen wollten“ hat. Und im Ohr ist mir noch die Hörbuch-Version der Reportage des begnadeten Schreibers Bill Buford, der seine Erlebnisse „als Küchensklave, Sous-Chef, Pastamacher und Metzgerlehrling“ unter dem Titel „Hitze“ auf den Markt brachte. Alles sehr reißerisch! Und nun kommen wir in die Küche des Caroussel und alles ist anders.

Ansage am Pass Benjamin Biedlingmaier, seit Mai 2013 Küchenchef, Aufsteiger des Jahres und am Vortag unseres Besuchs 28 geworden, sagt zwar auch, dass er „manchmal etwas impulsiv“ sei – aber prinzipiell scheint sein Stil anders zu sein. Ruhig steht er am Pass – der Schnittstelle zwischen Küche und Service, wo die Teller angerichtet werden – und ruft die nächsten Gerichte ab. Wenn der Sechsertisch im Caroussel den nächsten Gang bekommt, ist das schon eine ganze Menge, aber alle Köche in der Küche hören genau zu und filtern sich ihren Arbeitsanteil heraus. Aber nicht nur das: Sie quittieren die Ansage, zum Beispiel, mit einem „jawohl, sehr gerne!“

Topfgucker in der KloscheSo wird das nichts mit dem Bestseller, denn wer will schon lesen, dass sich die Leute vertragen und konzentriert vor sich hin arbeiten? Fliegende Messer, schreiende Chefs und heulende Mitarbeiter lassen sich zwar sicher besser vermarkten, aber mehr Spaß macht’s natürlich anders. Wobei: Spaß ist jetzt so ein Gast-Wort. Die Jungs in der Küche haben nämlich einen harten Job, von dem wir als Topfgucker am Abend ja nur den geringsten Teil mitbekommen haben. Vorbereitung ist schließlich in einer Profiküche mehr als die halbe Miete, und die findet vor dem Gästeandrang statt. Das sehen wir uns dann vielleicht ein anders Mal an.

Topfgucker-PlatzDieses Mals also: Küche gucken. Und vielleicht auch was zu essen abbekommen? Keine Ahnung, wir waren schlecht vorbereitet. Hoteldirektor Ralf Kutzner hatte uns in Empfang genommen und in die Küche gebracht, ganz schnell die Stationen erklärt. Bevor wir hibbelig werden konnten, kommt Restaurantleiterin Antje Kirsch in die Küche, eine Flasche Schampus in der einen und zwei Gläser in der anderen Hand. „Zur Begrüßung!“ Sie ergänzt des Direktors Beschreibung mit dem für uns wichtigen Hinweis, wo unser Platz an diesem Abend sei: Der Service hat einen seiner Tische für uns abgeknapst, da können wir prima im Weg stehen! Besteckkasten, Brotkorb, vier Sorten Butter sind auch schon da (das Brot übrigens von dieser unverschämt verführerischen Art, und von den Butterstücken hat’s uns die geräucherte besonders angetan).

Unter kritischer BeobachtungAm frühen Abend hat Robert Knoll den großen Stress: Er ist für die Vorspeisen zuständig, also auch für die beliebten Grüße aus der Küche und das Amuse bouche – beides weit mehr als Ohnmachtshappen, nämlich eine lustvolle Einstimmung in den Abend. Los ging’s mit Kürbissüppchen mit Lauchschaum, Krustentierpraline auf Rettichsalat und Gänsestopfleberterrine mit Apfel, angerichtet in Löffeln und Gläsern auf der Schieferplatte. Das Amuse reichte uns Knolli, wie sie ihn hier alle nennen, persönlich über den Pass: Linse, Feige, griechischer Joghurt und Entenbrust. Wir löffelten und hhmmten im Stehen vor dem Pass, um bei der Vorbereitung der ersten regulären Vorspeise zuzuschauen. Aber nicht nur wir sahen interessiert zu: Auch Benjamin Biedlingmaier ging am Abend von Posten zu Posten, sah sich die Arbeit der Mitarbeiter an und gab Hinweise und Anregungen. Es geht ja auch darum, das Team auf eine Linie zu bringen – seine. Schlecht gefahren ist er damit bislang nicht: Gleich im ersten Jahr hielt er den Michelin-Stern fürs Haus, erkochte 17 Punkte beim Gault Millaut und wurde, wie erwähnt, Aufsteiger des Jahres beim Feinschmecker.

Robert Knoll: VorspeisenFenchel, Tomate und Birne geben auf dem Teller ein geometrisch-heiteres Bild und im Mund eine ganze Welt von Geschmäckern. Das Auge isst mit, heißt es. Und das geht ja beim Teller los, den wir freilich nicht mitaßen. Alle Speisen werden im Caroussel auf Meissener Porzellan Serie „Wellenspiel Relief“ serviert. Sieht chic aus, aber runterfallen darf da nichts in der Hektik des Abendbetriebs (kleiner Deckel der Sauciere mit Anfass-Zipfel als Sollbruchstelle: 32 Euro – nur mal so nebenbei erwähnt). Die heitere Optik gehört zum Stil des neuen Chefs, ebenso wie das Spiel der Texturen: Immer, wenn Gelees oder Mousse auf dem Teller liegen, gibt es garantiert ein Crumble – da hat man wenigstens was zu beißen.

In der Caroussel-KücheIm Laufe des Abends lernen wir alle Posten kennen, können Fragen stellen (und bekommen Antworten!). Dominic Hörl schauen wir beim Zubereiten der Jacobsmuscheln und des Rehs über die Schulter, Tobias Heldt wirbelte am Gemüse-Posten herum und hatte dennoch Zeit für Antworten. Sebastian Bellmann hat mit Benjamin Biedlingmaier schon im Restaurant La Mer auf Sylt zusammen gearbeitet. Ihn sahen wir an diesem Abend – überall. Meistens aber am Pass, beim Dekorieren der Teller. Zur großen Freude gab’s dann immer wieder eine Möglichkeit, das Gesehene sowie Gelernte auch gleich mal zu probieren. Auf diese Weise erhielten wir ein eigenes Topfgucker-Menü, sieben Gänge. Vier davon kamen aus dem kleinen Menü, in dem (für 115 €) sechs Gänge serviert werden, die anderen drei aus dem großen Menü (acht Gänge, 135 €).

Das Caroussel-Topfgucker-Menue

Topfgucker-Menü

Apero:

Kürbissüppchen mit Lauchschaum, Krustentierpraline auf Rettichsalat und Gänsestopfleberterrine mit Apfel

Linse, Feige, griechischer Joghurt und Entenbrust

Menü:

Fenchel
Tomate und Birne

Fjordforelle
Granny Smith, Ziegenquark und Sesam

Jakobsmuschel
Blumenkohl, Vanille und Mais

Kaninchen
Petersilie und Rote Bete

Reh
Vogelbeere und Steckrübe

Quitte, Mohn und Hagebutte

Milchschokolade, Kaffee und Banane  

(Topfgucker-Abend für höchstens zwei Personen, Preis 115 € pro Person)

Caroussel
Königstraße 14
01097 Dresden

Tel. 0351 / 80030
www.buelow-palais.de/caroussel/

Geöffnet:
dienstags bis samstags ab 18.30 Uhr (Küchenschluss 22 Uhr)

[Besucht am 10. Januar 2014 | Zur Karte der hier besprochenen Restaurants in Dresden und Umgebung]

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