Das Bild hier oben entstand 2019 – genauer beim Kulinarischen Erntedankfest im Bülow Palais am 22. September. Es war – wie immer, wenn in der Bülow Frühling oder Herbst kulinarisch gefeiert wird – ein Nachmittag voller aufregender Momente. Was dieses Erntedankfest allerdings für die Region einmalig (und, wie wir jetzt wissen, auch so nicht wiederholbar) gemacht hat: die fünf Sterneköche der Region kochten unter einem Dach gemeinsam im Wintergarten, der Bibliothek, im Bistro und in der Küche. Wie es sich gehört: als gute Kollegen und Freunde, nicht als Konkurrenten.
Von den fünfen sind derzeit nur noch zwei – ja, wie schreibt man das denn nun: in einem Sternerestaurant aktiv wäre ja angesichts der Lage sei November vergangenen Jahres nicht wirklich das richtige Wort. Also: sie geben Lebenszeichen aus ihren Sternerestaurants und halten sich und ihre Kundschaft mit Mitnehmessen ein wenig bei Laune: Markus Blonkowski (Genussatelier, 2.v.l) und Stephan Mießner (Elements, 2.v.r.). Und die anderen drei, die in der Diagonale von links unten nach rechts oben? Also Benjamin Biedlingmaier (Bülow Residenz), Marcus Langer (bean&beluga) und Marcel Kube (Atelier Sanssouci)? Da schaun mer mal und fangen mit Benjamin Biedlingmaier an.
Benjamin Biedlingmaier kam, damals 27 Jahre jung, im Mai 2013 aus Sylt nach Dresden – vom Zwei-Sterne-Restaurant La Mer, wo er zuletzt stellvertretender Küchenchef war, ins Bülow-Palais, wo er als junger Chef die Tradition als Bewahrer des Sterns von Anfang an fortführte. Mit der faux gras, einer vegetarischen Alternative zum Klassiker foie gras, gelang ihm (mit seinem Team) ein sensationelles Signature Dish der aktuellen deutschen Gourmetküche. (Es gibt von zwei Besuchen 2014 und 2019 hier im Blog sehr ausführliche Eindrücke von Biedlingmaiers Kochkunst).
2019 machte das Caroussel – wie die ganze Gastro bundesweit – im März pandemiebedingt zu, öffnete aber, anders als die anderen, nie wieder (bis auf einige Pop-Ups). Seit April diesen Jahres (das Restaurant ist immer noch zu, soll aber mit neuem Konzept irgendwann weiter gehen) ist Benjamin Biedlingmaier nicht mehr Chef im Caroussel – aber er wohnt immer noch in Dresden. Vom heimischen Herd aus gibt er online-Kochkurse – derzeit noch ohne eigene Homepage, aber über seine Präsenz auf facebook und (beinahe schon old school) via E-Mail, wenn man einmal Kontakt hat.
Kochkurse online
Hat man sich für den Kurs entschieden (Kurspreis 59 €, egal wie viele vorm heimischen Gerät mitmachen), gibt es eine Einkaufsliste – was für Geräte man benötigt, erfuhren wir erst am Anfang des Abends. Nicht schlimm, denn Außerordentliches war nicht dabei. Kein Wunder: in der Woche unseres MItmachens gab’s handgemachte Olivengnocchi an Rucola Pesto mit halbgetrockneten Ofen-Tomaten und gehobeltem Parmesan. „Ein schönes schnelles Gericht, das man zu Hause gut nachkochen kann“, meinte Benjamin Biedlingmaier am Ende des Kurses nach knapp zwei Stunden in der Zusammenfassung – gut, dass keine Amerikaner im Zoom dabei waren, denen sind ja 30 Minuten Zubereitung manchmal schon zu viel. Es ist eben alles relativ, und an solchen Sätzen merkt man dann, dass Sterne- oder allgemein ambitionierte Küche dauert.
Sebastian Bellmann, der schon auf Sylt mit Biedlingmaier zusammen war und 2013 mit ihm nach Dresden gekommen ist, steht auch in der heimischen Küche mit ihm vor der Kamera. Streng genommen sind es zwei Kameras, die fest installiert sind und wahlweise zwischen Moderation und Herd/Arbeitsplatte hin und her geschalten werden.
„Ihr könnt Euch schon mal Eure Gläser füllen!“ lautet die quasi-erste-Anweisung des Abends – und obwohl vom Trinken in den vorausgegangenen E-Mails gar nie die Rede war, zeigte sich keine Partei überrascht. Alle waren bestens vorbereitet. Prost. Weniger leicht zu handhaben war hin und wieder die Technik. „Am besten ihr muted eure Geräte, dann klappt die Kommunikation besser!“ ist leichter gesagt als umgesetzt. Wer nicht vom Arbeitsalltag (oder den reichhaltigen Teilnahmen an Online-Weinverkostungen) an Zoom & Co gewohnt ist, tut sich natürlich schwer mit der Technik – und dass ein mitlaufendes Mikrofon nicht nur ungewollt Gesagtes an Alle überträgt, sondern auch nicht immer so gewünschte Bilder in fremde Küchen trägt, gehört zu den Lernerfahrungen so eines Abends.
Alles geschieht live, es gibt kein „wir haben da schon mal was vorbereitet“. Doch bei den Profis Biedlingmaier und Bellman geht es schnell. Aber Biedlingmaier fragt regelmäßig nach, ob die Zeit passt und wartet auch auf die anderen, weil bei denen dieses oder jenes oder manchmal gar dieses und jenes nicht so fix geht. Wie schön, wenn die Kartoffeln noch ein wenig länger brauchen, dann kann man ja mal zum Glas greifen: „Ein kleines Zwischenschlückchen ist nie verkehrt!“, sagt Biedlingmaier.
Immer wieder kommen selbst für alte Hobbyköche praktische Tipps. Mir sind heiße Kartoffeln zum Pellen ja beispielsweise immer viel zu heiß. Aber wenn man eine Kartoffelpresse hat, gibt’s ’nen Kniff, das zu vermeiden. (Nö, ich verrate den nicht, das nimmt ja zukünftigen Kursen den Spaß!). Pro Gang oder Hauptbestandteil ein Tipp fürs Kochleben – mehr braucht’s nicht. Und wenn es gar zwei oder drei sind, umso besser.
Beim Mischen des Teiges für die Gnocchi empfahl Benjamin Biedlingmaier Handarbeit. „Ich mache das gerne mit den Händen – denn Kochen ist ein Handwerk!“ Man müsse die Produkte spüren, aber wer sich scheut, der kann natürlich auch einen Löffel zu Hülf nehmen. Ähnlich viel Spielraum blieb bei der endgültigen Form der Gnocchi – einfach von der Rolle abschneiden oder die Pro-Version über die Gabel, damit’s chic aussieht? Hey, wir lernen beim Sternekoch, her mit der Pro-Version! (Hat geklappt…)
Das Leben der Gnocchi ist ein ewiges Auf und Ab. Erst müssen sie sich im heißen Wasser nach oben kämpfen, dann werden sie im eisekalten Wasser abgeschreckt und sollten sich tunlichst fallen lassen. Wer mag, kann darüber ins Philosophieren geraten, wir haben aber weiter gekocht, denn langsam wurd’s uns hungrig.
Aber wie so oft: am Ende fügt sich dann doch alles schnell zusammen. Gemeinsam und reihum probierten wir, alle waren mit ihren Leistungen zufrieden.
PS: Diese Woche Donnerstag und Samstag kocht Biedlingmaier wieder von zu Hause für Zuhause – es gibt Zweierlei vom Bachsaibling mit roh marinierten Zuckerschoten auf Kräuter-Risotto und Safranschaum…
Neues Lieblings Gericht
Benjamin Biedlingmaier
neueslieblingsgericht@gmail.
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