Spitzen-Burgunder der leichtfüßigen Art

Podcast "Auf ein Glas", Folge 121: Sebastian Fürst, Weingut Rudolf Fürst (Franken)

Sebastian Fürst

Ungewöhnliche Podcast-Zeit: morgens halb neun! Sebastian Fürst sitzt aber schon im Büro, als das Taxi zum Weingut inmitten der Weinberge 15 Minute zu früh kommt und nimmt sich – trotz reichlicher Termine und bevorstehender Ernte – Zeit für ein Gespräch. Natürlich sind die Spätfolgen des Frosts im April ein Thema. Und wenn wir schon bei den unschönen Seiten des Winzerdaseins sind, behandeln wir auch noch das Thema Kirschessigfliege: was hilft? Ein schlagkräftiges Team! Sebastian Fürst kann sich auf seins verlassen – und zwar nicht nur auf die sechs fest Angestellten, sondern während der Lese auch auf bis zu 45 Helfer, die meisten aus der Gegend. Aus der Abteilung „Was Sie schon immer wissen wollten, sich aber nie zu fragen getrauten“ gab es dann auch eine erhellende Antwort auf die Frage, wie man es eigentlich schafft, so gut zu sein. Eine Teilantwort hatte Sebastian Fürst im Prinzip schon vor der Frage beantwortet: Lernen, lernen, lernen – und zwar bei guten Betrieben. Und der andere, offizielle Teil der Antwort: es kommt darauf an, die richtige Rebsortenwahl für den vorhandenen Weinberg zu finden. Das muss nicht immer die Sorte sein, die dem Winzer am besten schmeckt!

Und das sind unsere Themen:

  • 00:33 Gruß aus Churfranken
    zu Gast bei Sebastian Fürst im Weingut initten der Weinberge
    wie sieht’s aus kurz vor der Lese?
    der schlimmste Frost, den ich in 17 Jahren erlebt habe
    wir gehen im besten Fall von halbem Ertrag aus
    …und im schlechtesten Fall 30 %
    abhängig vom Wetter der nächsten Tage
    gesunde Trauben sind für uns das wichtigste – und jeder Tropfen Wasser macht die Situation schlechter
  • 02:46 und die Kirschessigfliege?
    es gibt drumherum auch viele Streuobstwiesen, Brombeeren und Wildkirschen – eigentlich hat die KEF genug zum Ernähren
    wenn’s kühl und feucht wird, schlägt sie beim Wein zu
    Kirschessigfliege (KEF) ist seit 2014 immer da
    eigentlich nicht viel anders als die kleine Fruchtfliege…
    aber die KEF kann die Beeren anbohren und die Eier in die beerfe legen – das konnte die althergekommene Essigfleige nicht
    gelernt: durch Selektion kann man feine und reife Spätburgunder erzielen
    aber wenn man ein oder zwei Tage zu spät kommt, explodiert die Situation
    man fasst die Traube an und schon platzen die Beerenhäute auf und man hat den Essigsaft in der Hand…
    dann ist es zu spät und nichts mehr zu machen
    ein gutes Team hilft! Und es muss groß genug sein…
    Ziel: der KEF immer einen Schritt voraus sein
  • Luftbild05:28 Eckdaten Weingut
    Weinbau in der Familie seit 1638, aber „so richtig“ seit Rudolf Fürst
    anfangs bäuerlicher Betrieb mit Ackerbau, Tabak und Wein
    übernahm nach dem Tod von Rudolf Fürst: Paul Fürst
    er und seine Frau Monika haben sich schnell nur noch auf Wein konzentriert
    in die Weinberge im Centgrafenberg ausgesiedelt
    in der Zeit wuchs der Betrieb von 1,5 auf heute 20 ha
    in Churfranken, dem westlichsten Zipfel von Franken
    zwischen Odenwald und Spessart in der linken unteren Ecke des Mainvierecks
    hier kommt man nicht automatisch vorbei, wir sind ab vom Schuss
    gehörte früher (bis zu Napoleon) zu Mainz
    wir fühlen uns als Teil Frankens, aber mit anderen Bodenbegebenheiten, bisschen anderem Klima und anderen Traditionen
    in Bürgstadt, Großheubach, Klingenberg, Erlenbach hat der Spätburgunderanbau lange Tradition
    für uns mit Abstand die wichtigste Rebsorte
    Riesling hat hier mehr Tradition wie Silvaner
    Boden ist steinig und karg
    die Burgunder werden nie opulent, haben immer eine leichtfüßige Art
    aber gleichzeitig viel Druck am Gaumen und Kraft und Frische – und Langlebigkeit
    Fürst: 60% Spätburgunder
    und als regionale Besonderheit: Frühburgunder
  • Spät- und Frühburgunder10:07 im Glas: 2022 Spätburgunder Tradition
    ein Jahrgang, den wir uns jederzeit gerne wieder bestellen würden
    kerngesunde Trauben, wie gemalt
    wir haben ja jetzt immer mehr solche heißen Jahrgänge (18, 19, 20, 22)
    damit können wir gut leben
    wir sind im etwas kühleren Seitental
    aber die Weine sind kräftiger und dunkelbeeriger geworden, haben mehr dunkelbeeriges Aroma
    22 ist ein Jahrgang, der heiß gewachsen ist, aber klassischen Ausdruck hat
    könnte man was spritzen gegen die KEF? Ja, aber versuchen wir zu vermeiden. Lieber ohne Insektizide auskommen
    es gibt sogar eins, was für biologischen Weinbau zugelassen ist
    der Knackpunkt sind wirklich die Laubarbeiten
    Trauben müssen luftig hängen und einen Teil des Tages Sonne abkriegen
  • 13:27 das Weingut ist nicht biozertifiziert, arbeitet aber im Grunde so
    wir arbeiten biologisch plus phosphorige Säure
    ein Mittel, das schon mal zugelassen war für biologischen Weinbau, aber dann nicht mehr
    Bürokratie pur – eine lustige oder auch eine traurige Geschichte
    als PflanzenSTÄRKUNGSmittel anerkannt
    aber weil es auch schützt ist es als PflanzenSCHUTZmittel nicht mehr anerkant
    wie ich 2007 heim gekommen bin, waren wir schon euphorisch und standen kurz vor der Zertifizierung
    aber dann wurde die phosphorige Säure gestrichen und seitdem arbeiten wir so…
    Team: 6 fest angestellte MA
    plus meistens 2 Azubis sowie Praktikanten
    während der Vegetation helfen Leute aus der Gegend mit
    im Herbst bei der Lese sind es dann bis zu 45 Leute
    ein tolles lokales Team
    es ist ja auch eine weinaffine Bürgerschaft, oder?
  • 18:30 Häckerwirtschaften (Besen- oder Straußwirtschaften andernorts)
    früher haben die Winzer ja zur Häckerwirtschaft ihr Wohnzimmer ausgeräumt – das ist jetzt schon professioneller
    Weingut Störrlein Randersacker
    toller Betrieb, sehr handwerklich
    während des Landwirtschaftlichen Fachabiturs gemacht
    dann im Burgund und Elsass
    zwei Jahrgänge im Burgund – 2005 nur als Buttenträger und 2006 fast ein 3/4 Jahr
    …und Praktikum bei Rebholz (Pfalz)
    und im Elsass
    aber auch mal auf Mallorca einem ehemaligen Lehrling geholfen, einen Weinberg anzulegen
    das ist Sebastian Keller
  • 23:28 da kommt die Frage, die so schwer zu formulieren ist und noch schwerer zu beantworten: wie wird man ein guter Winzer?
    wie kommt es, das es Weine gibt – gute Weine und saugute Weine?
    der Großvater hat den Grundstein gelegt
    Vater Paul ist ein Qualitätsfanatiker
    wir versuchen, immer das Maximale rauszukitzeln
    aber es ist eigentlich ganz einfach: die Weinberge sind die Grundlage
    wir sind froh dass wir so tolle Möglichkeiten haben
    Weinberge in Bürgstadt, aber auch Klingenberger Schlossberg
    und seit fast 30 Jahren auch Muschelkalkweinberge des Karthäuser in Astheim (die mit Chardonnay gut funktionieren)
    so wichtig: die richtige Rebsorte am richtigen Platz
    was nicht zwingend geht: ich habe ne tolle Lage und meine (!) Lieblingsrebsorte
    manchmal gibt’s zwei Rebsorten, die passen, aber wohl nie (oder selten) drei
    und dann: Handwerk – Handwerk – Fleißarbeit
    bei Bewerbungen muss er deutlich darauf hinweisen, wie viel das Winzerhandwerk mit Putzen und Pflegearbeiten zu tun hat
    alles was im Keller liegt, muss im besten Zustand sein
  • Vinothek27:16 die Rolle des eigenen Geschmacks des Winzers spielt große Rolle
    wir sind in der glücklichen Situation dass wir Weine produzieren können, die uns schmecken
    man kann’s nicht schaffen einen Wein zu machen, der für alle perfekt ist
    wir machen Weine, die uns schmecken – und versuchen dann so viele Freunde und Kunden dafür zu gewinnen wie es geht
    die Spätburgunder beispielsweise: transparent in der Farbe (also nicht tiefdunkel) sie sind nicht opulent
    also Eigenschaften, die manchem Weintrinker nicht so gut gefallen
    auf den steinigen Böden sind die Reben nicht so produktiv (daher nicht so Alkoholisch – 12,5 bis 13 % max)
  • 30:04 Globale Erwärmung (mehr als 1,5° plus) spielt den Winzern ja in die Hände…
    in den Seitentälern profitieren die Rotweine in der Tat
    aber wir spüren auch die negativen Effekte wie Starkregen und damit verbundene Erosion
    und auch Spätfrost wird häufiger
    der frühere Austrieb ist es
    Kooperationsbetrieb von Untersuchungen an der Uni Würzburg zum Thema https://bigdata-at-geo.eu/index.html
    der Austrieb hat sich nach vorne verschoben (1 bis 1,5 Wochen)
    die frostgefährliche Zeit wird sich verdoppeln in naher Zukunft
    da muss man sich drauf einstellen und Strategien entwickeln
    z.B. Frostrute (die freilich nicht neu ist…)
    beim normalen Frost baut der sich ja von unten auf: da hat die hochgereckte Frostrute Chancen
    Weinberge in Astheim (3,5 ha) vom Frost verschont – da geht die Ernte los
    Frühburgunder war erfroren, ist nochmal nachgetrieben und sieht gut aus
    Möglichkeit auf qualitativ guten Jahrgang ist gegeben
  • 37:27 im Glas 2022 Frühburgunder R
    FB ist dem SB eigentlich total ähnlich
    im direkten Vergeich (gleiche Lage z.B.) sieht man: FB ist opulenter, würziger, rauchiger und der SB einen Tick feiner
    warum gibt es so selten FB? Weil er kompliziert im Anbau ist
    für uns mit Abstand die komplizierteste Sorte
    kompliziert – und schmerzhaft niedrige Erträge

Der Podcast wurde aufgenommen am 6. September 2024.

Weingut Rudolf Fürst
Sebastian Fürst
Hohenlindenweg 46
D-63927 Bürgstadt

Tel. +49 9371 8642
weingut-rudolf-fuerst.de

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