Die Vitrine für die Geschmackschubladen ist groß

Kochsternstunden 2024: Das Restaurant Ferdinand in Possendorf

Ferdinand

Mit Restaurants auf (oder an) Golfplätzen ist das ja so eine Sache. Einerseits sind sie ja in der Regel Clubrestaurants, andererseits wollen sie aber auch meistens offen für alle sein. Aber da kann es ja durchaus Berührungsängste geben: so als Nicht-Golfer unter den Clubmitgliedern? Im Ferdinand auf dem Golfplatz Possendorf haben sich Jana und Matthias Gentsch aber seit ihrer Übernahme des Restaurants im April 2022 auch dezidiert um Nichtgolfer bemüht: „Wir wollen für die Nachbarschaft in Possendorf da sein, aber auch für Wanderer, Radfahrer sowie Genießer aus Dresden und dem Umland“, sagte Matthias Gentsch damals. Und weil das so ist, machen sie in diesem Jahr bei den Kochsternstunden mit – dem alljährlichen Menüwettbewerb für Genießer.

Der Plan scheint aufgegangen: volles Haus am Tag unseres Besuchs. Es waren nicht nur Kochsternstunden-Tester da, sondern es gab auch Familienfeiern am Zehnertisch und die Kategorie Ausgehen mit Freunden am 4er-Tisch. Plus, etwas befremdlich für jemanden, der lange im Rheinland gelebt hat, eine Karnevalsfeier nach Aschermittwoch in der Scheune des Haues – mit Männerballett und allem PiPaPo. Das bekam man allerdings nur auf dem Weg zur Toilette mit, weil bei den Herren plötzlich sehr viele Röckchen zu sehen waren. Männer im Tütü – immer wieder ein hübscher Anblick.

Zurück ins Restaurant. So lange es hell ist, hat man einen tollen Ausblick auf den Golfplatz – vielleicht ein Grund, weswegen das Restaurant sich zwischen 17 und 18 Uhr nahezu bis auf den letzten Platz füllte?! Das Kochsternstunden-Menü gibt es in drei oder vier Gängen (wir waren keck und machten aus dem oder beim Hauptgang ein und, hatten also fünf Gänge zum Probieren – in kleineren Portionen). Die Weinbegleitung dazu sieht Weine von Frédéric Fourré vor. Und der ist an den Samstagen der Kochsternstunden-Zeit persönlich vor Ort, um die Weine vorzustellen (dafür kann man leider keine Extra-Punkte vergeben…). Als gelernter Sommelier (seine erste Stelle war Ende des vergangenen Jahrhunderts das Intermezzo im Taschenbergpalais) und charmanter Plauderer (er kommt aus Paris!) ist das mit ihm nicht nur informativ, sondern auch unterhaltsam. Wer will, kann Fragen stellen und geht mit den Antworten im Kopf nicht dümmer raus aus dem Abend.

Das Ferdinand (benannt übrigens nach dem Freiheitskämpfer Ferdinand von Schill, der hier sein Gut hatte) will dezidiert kein fine dining Restaurant sein, sondern den Begriff der gutbürgerlichen Küche (endlich einmal, das machen ja viel zu wenige!) mit angemessenem Inhalt füllen. Und das gelingt dem Küchenteam unter der Leitung von Marc Albert primstens. Was auf die Teller kommt, ist eine gelungene Mischung aus Tradition (Hirschrücken und Cumberlandsauce!) und vorsichtigem Abenteuer (Schneekrabbenscheere? Lila Püree? – Na klar, aber mit Gurken-Senfgemüse fast wie im letzten Spreewaldurlaub, nur besser vielleicht). Da ist es schwer, eine eindeutige Schublade zu finden, aber die Vitrine für die Geschmackschubladen ist groß und hält insgesamt alles mit einem Begriff zusammen: es schmeckt. Und wenn das alles dann auch noch von einem flinken und freundlichen Service (sowie, wenn es von den Abläufen passt, manchmal auch vom Küchenchef) serviert wird, dann ist doch alles bestens!

Die Weine verdienen einen eigenen Abschnitt – auch wenn der Winzer mal nicht dabei ist, dann aber natürlich besonders. Frédéric Fourré gehört (zusammen mit seiner Partnerin Amrei Niessen) zu den für Sachsen typischen Winzern mit wenig Rebfläche. 3 ha bewirtschaften sie selbst, Trauben von einem weiteren Hektar kaufen sie von befreundeten sächsischen Winzern hinzu. So weit, so nicht ungewöhnlich. Spannend ist allerdings, was das Winzerpaar aus den Weinen macht: sie sind experimentierfreudig, mehr als die meisten hierzulande. Frédéric bringt französische Ideen mit (es gibt viele Cuvées, manchmal auf den ersten Blick sehr abenteuerlich anmutende), Amrei hat nach ihrem Geisenheim-Studium frisches önologisches Fachwissen nach Sachsen (nicht nur in den eigenen Betrieb…) gebracht. Und als gelernter Sommelier versteht Frédéric Fourré natürlich was vom Pairing, den passenden Weinen zum Essen. Und weil er sich was traut, kann man auch Weine wie die Chimäre de Saxe oder den MoMu fortified probieren: die Chimäre ist eine Cuvée aus vorwiegend (weißem) Grauburgunder und (als Traube: rotem) Spätburguder, der weiß gekeltert wurde – wobei die Anteile von Jahr zu Jahr variieren.. Sehr trinkfreudig! Und wenn einem der Geschmack des MoMu irgendwie südfranzösisch vorkommen sollte, dann ist das fein beobachtet: das Vorbild für diesen Morio Muskat waren die Weine des Muscat de Rivesaltes, bei denen die Maischegärung der eh schon süßen Weine durch Zugabe von Ethanol gestoppt wird. Mit 15 Prozent Alkohol ist das fast wie ein Likörchen am Ende des Essens. Passt also!

Menü

  • Rosa gebratener Hirschrücken aus heimischen Wäldern auf mariniertem Feldsalat im Kartoffelnest, dazu Cumberlandsoße
  • Süßkartoffel-Erdnuss-Suppe mit Curryhähnchen
  • Geschwenkte Schneekrabbenschere auf lila Püree, geschmortes Gurken-Senfgemüse und Champagnerschaum
    oder
    Gebratene Perlhuhnbrust, dazu Rote-Bete-Blini, Babypakchoi und Sherrysoße
  • Preiselbeer-Quarkknödel mit Kürbiskern-Crunch auf Vanille-Maracuja-Espuma

Weinbegleitung

  • 2022 Spätburgunder Rosé trocken, Weinbau Frédéric Fourré, Sachsen
  • 2022 Kerner feinherb, Weinbau Frédéric Fourré, Sachsen
  • 2022 Chimäre de Saxe feinherb, Weinbau Frédéric Fourré, Sachsen
  • 2021 MoMu fortified, Weinbau Frédéric Fourré, Sachsen

Preise

  • 3-Gang Menü mit Suppe 39,00 € | inkl. 2 Weine 47,50 €
  • 3-Gang Menü mit Vorspeise 47,00 € | inkl. 3 Weine 59,50 €
  • 4-Gang Menü 54,00 € | inkl. 3 Weine 66,50 €

Ferdinand Restaurant | Café
Ferdinand-von-Schill-Str. 4a
01728 Bannewitz

Tel. 035206 397 222
ferdinand-possendorf.de

Mehr Infos zum Winzer bei den STIPvisiten und auf seiner Webseite

[Besucht am 17. Februar 2024  | Zur Karte der hier besprochenen Restaurants in Dresden und Umgebung] .

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Hinweis:
Die STIPvisiten sind Partner der Kochsternstunden.

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