Wie der Zufall es so wollte: Am Nachmittag hatten die Kolleginnen im Gespräch ein plastisches Vorurteilsbild gezeichnet. Bülow? Das sei doch dieses vornehme Dingenskirchen, wo alles so steif zugeht und die Stühle untern Hintern geschoben würden, wo man quasi entmündigt würde und dann auch noch ganz kleine Portionen bekäme! Ich hörte mit großen Lauschern zu, grinste in mich hinein und fragte: Schon mal da gewesen? Nein, das nicht – aber genau so stelle man sich das vor. Na prima.
Wir waren dann nur wenige Stunden später in Bülow’s Bistro und freuten uns, als das freundliche Personal uns die Jacken abnahm und zur Garderobe brachte, und als dann – rein zufällig – der Hoteldirektor Ralf Kutzner gerade vorbeikam und einem Nachzügler am Tisch das Platzieren durch galantes Stuhlrücken erleichterte, war ja schon fast alles perfekt, so rein vorurteilsmäßig. Wobei: ich mag das ja (und, wenn es sich anbietet, mach ich das auch. Also Stühlerücken). Wir bestellten das Kochsternstunden-Menü, das es in drei Gängen (35 € / inkl. Weinbegleitung 53 €) und als 4-Gänge-Menü (41 € / 64 €) gibt.
Das Essen kommt aus der Küche von Benjamin Biedlingmaier – und der hat im Hauptrestaurant des Hauses, dem Caroussel, bekanntlich einen der begehrten Michelin-Sterne erkocht. Entsprechend groß war die Vorfreude auf das Menü, das im Vergleich zum eher barocken Palais sehr sachlich-nüchtern klingt:
- Bete, Hüttenkäse, Thymian
- Ermisch-Goldforelle, Sellerie, Vanille, Apfel
- Kalb hoch 3, Lauch, Süßkartoffel
- Karotte, Petersilienwurzel, Kürbiskerne
Farbenfroh und geschmacksintensiv ist das, was die Köche schicken. Es sind natürliche Farben und es ist natürlicher Geschmack, den Biedlingmaier herauskitzelt aus den Grundprodukten. Die Rote Bete zum Beispiel schmeckte am intensivsten gerade dort, wo man es am wenigsten vermutete: der Pinselstrich am Tellerrand war nämlich keineswegs nur Dekoration, sondern eine Geschmacksbombe. Nach den betebedingten 30 shades of red wurde uns beim zweiten Gang grün vor Augen: Granny Smith. Eine feinsäuerliche Unterlage für die Goldforelle (farblich abgestimmt natürlich nicht grün, sondern im forelligen Orangerot. Die Haut superkross, wahrscheinlich also extra gebraten/gegrillt. Denn der Fisch selbst war (natürlich, der Mann kann ja kochen!) saftig, dass es ein Vergnügen war.
Zwischenruf, den Wein betreffend! Denn natürlich hatten wir uns auf die vorgegebene Weinauswahl verlassen – weil wir wissen, wer sie trifft! Jana Schellenberg, die langjährige Sommeliere des Caroussel, kennt sich bestens aus und trifft – was ja nicht selbstverständlich ist – immer gut unseren Geschmack. Bei unserem Besuch hatte sie die Zeit und ließ es sich nicht nehmen, die ausgesuchten Weine vorzustellen und uns mit Hintergrundinfos zu versorgen. Ich sage nur: es geht nichts über lebenslanges Lernen!
Die Weine:
- 2014 Pinot Blanc de Noir, Weingut Pfeffingen, Pfalz
- 2014 Grauburgunder S, Weingut Spies, Rheinhessen
- 2012 Pinot Noir, Weingut Johanneshof Reinisch, Thermenregion, Österreich
- 2009 Maestra‘ Recioto di Gambellara Cristiana Meggiolaro, Veneto, Italien
Wir kannten vorher alle vier nicht und fragten uns hinterher nur, warum eigentlich nicht? Wahrscheinlich, weil es zu viele gibt und man immer noch zu selten über den Tellerrand – pardon: Gläserrand – hinaus sieht…
Während wir auf den Hauptgang warten, ging mir noch einmal die von den Kolleginnen gemutmaßte Steifigkeit durch den Kopf. Irgendwie lief das nicht so richtig, denn wir hatten – von Anfang an – nicht nur miteinander, sondern auch mit den Leuten vom Hotel und Restaurant gescherzt, geplaudert, unserer ganz bezaubernden und souverän agierenden Servicekraft Anne Hofmann Fragen gestellt und immer gute Antworten bekommen. Steif geht anders!
Bliebe die Sache mit den übersichtlichen Portionen. Ja, für sich genommen sind die Teller nicht überbordend, was aber natürlich auch hilft, die Speisen hübsch zu arrangieren – das Auge isst bekanntlich mit. Aber mit dem Brot vorweg und dem Konfekt zum Espresso danach ist man genau das, was den Abend auch im Nachhinein abgerundet und toll erscheinen lässt: gesättigt, nicht voll.
Dreierlei vom Kalb (aufregend: Herz! klasse: Bries! saftig-würzig: Steak) lag nicht nur optisch gleichberechtigt zum Süßkartoffelstampf als Streifen auf dem Teller, sondern war auch geschmacklich gleichwertig. Wie Benjamin Biedlingmaier dem Gemüse sowieso gerne eine Bühne gibt – ganz gut zu sehen ist das auch beim Dessert. Das ist Gemüse pur – und lässt nichts vermissen.
Bülow’s Bistro
Königstraße 14
01097 Dresden
Tel. 0351.80030
www.buelow-palais.de/buelows-bistro
Geöffnet täglich ab 11.30 Uhr
[Besucht am 16. März 2016 | Übersicht der hier besprochenen Restaurants in Dresden und Umgebung]Die STIPvisiten sind Partner der Kochsternstunden.
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