Das Erbgericht, Haus Nr. 61. 1534 erste urkundliche Erwähnung. So kann man es draußen auf einem Schild lesen, dem wir auch etwas vom besonderen Privileg der Schankberechtigung entnehmen können. Lange her. Was nicht auf dem Schild steht, ist die neuere Geschichte: Seit zehn Jahren nun liegt das Schicksal des Hauses in den Händen von Enrico Schulz und seiner Familie – und das ist ein ausgesprochener Glücksfall für die Gegend. Denn wenn man sich einmal die alten Notizen durchliest, so stellt man fest: Geschmeckt hat’s in Tautewalde schon immer, aber Köchewechsel waren in der Nachwendezeit wohl eher die Regel. Seit 2006 also kocht nun Enrico Schulz, und da die Schulzens mittlerweile auch Besitzer des Erbgerichts sind, dürfte das wohl auch so bleiben – zumal es nicht nur uns mundet, sondern auch den Einheimischen und angereisten Hotelgästen: Bei unserem Besuch war jeder Tisch besetzt (wer reserviert ist klar im Vorteil!).
Zu den Kochsternstunden gibt es ein 3-Gänge-Menü (36 € / inkl. Weinbegleitung 55 €), das noch um einen schmackhaften Gruß aus der Küche erweitert wurde. Trotz der Fülle beim Mittagsgeschäft ging es nach kleinen Anlaufschwierigkeiten – die wir aber wegen dem offensichtlich zeitgleichen Eintreffen zahlreicher anderer Gäste kurz vor uns in Kauf nahmen – erstaunlich zügig voran. Dass die Laune gut blieb, lag aber eindeutig auch an den beiden Service-Mädels, die sich um uns kümmerten: herzlich, freundlich, kompetent bei der Weinbegleitung – so wünschen wir uns das – und es zeigt ja auch, dass die Damen im Service durchaus auch ausgleichend wirken können, wenn die Küche im Stress ist.
Die Vorspeise – Cocktail von Pulpo und Chorizo an Auberginenpüree mit Paprikacoulis – kam uns beim Lesen spanisch vor, war es in den Bestandteilen ja teilweise auch, schmeckte uns beim ersten Probehapps aber gar nicht typisch spanisch. Warum? Weil wir dort den Pulpo meist eher rustikal genossen haben (ja, wirklich genossen: einfach, frisch, gut). Im Erbgericht waren da feinere Töne zu erkennen – beispielsweise stolperte die Zunge nicht über Saugnäpfe vom Pulpo. Insgesamt war dieser Teil eher leicht und stand somit im schönen Kontrast zum Chorizo-Part, der mit der richtigen Schärfe und (die Chorizo war gebraten) dem nötigen Biss für Abwechslung am Gaumen sorgte. Was soll man dazu bloß trinken? Nicht leicht, am besten vielleicht ein Bierchen? Gab’s nicht, sondern 2014 Elbling, trocken, VDP Gutswein, Schloss Proschwitz. Immerhin ein Wein, den es nicht so häufig hier gibt, der es vielleicht mit dem Pulpo hätte aufnehmen können, aber bei der Chorizo (eigentlich müsste man ja sagen: vorhersehbar) versagte. Einfache Lösung: wir tranken das Wasser zum und den Wein nach dem Gang.
Zum Hauptgang kann man zwischen Fisch (Isländer Schellfischfilet auf Kokosgemüse und Limettenrisotto) und Fleisch (Schulter vom Cebo-Ibericoschwein auf Bohnen, Oliven, Süßkartoffelpüree) wählen. Wie schön, dass wir zu zweit da waren, da ging auf dem Nachweg beides! Wer allein hingeht: vielleicht gegen Aufpreis den Fisch in kleiner Portion als Zwischengang anfragen – auch wegen des begleitenden Weines, aber keineswegs nur. Der Wein ist nämlich einer vom tschechischen Nachbarn, und sowas gibt es bei uns ja erstaunlich selten. Ein sehr feiner, fruchtiger und nicht vordergründiger 2014 Sauvignon Blanc, Arte Vini, Südmähren machte viel Spaß und harmonierte prima mit dem (fabelhaft gegarten, Respekt!) Schellfisch. Wer Schellfisch nur gekocht oder gar als Stäbchen serviert kennt, wird sich wundern, was man aus diesem Fisch alles machen kann. Für mich mindestens so gut wie der seit einigen Jahren über die Maßen gehypte Skrei, richtig zubereitet vielleicht noch besser im Geschmack. Der Fleischteller stand in puncto Qualität dem Fischteller in nichts nach – Schwein satt, und in Analogie zum Spiel mit den Geschmäckern beim Fisch gilt hier natürlich auch: wer mit Schwein so komisch wässriges Zeugs verbindet, sollte sich einmal ein richtig gutes Stück Schwein gönnen. Das schmeckt auch ganz ohne Begleitung! Mit passender Sauce und der gelieferten Begleitung war’s ein Traum – vor allem das Süßkartoffelpüree gefiel. Dazu gab’s, warum auch immer, einen italienischen Wein aus Apulien. Na klar, der passte und schmeckte, aber (aus der Kategorie: Meckern auf hohem Niveau!) einen Spanier zum Ibero hätte ich irgendwie passender gefunden.
Stichwort auf hohem Niveau: wir wurden auf eben diesem verwöhnt und erhielten zum abschließenden Himbeerschaum an zweierlei von Mango und Schokolade neben dem vorgesehenen Moscato Giallo, IGT Villa Medici, Verona zum Gegenprobieren auch noch ein Gläschen Hemmungslos – was ein schöner Name für die 2009er Trockenbeerenauslese eines Sauvignon Blanc ist. Das Gläschen dieses Österreichers aus der Südsteiermark machte übrigens erfreulicherweise seinem Namen insofern keine Ehre, als dass wir im Anschluss an das vergnügliche Mahl noch ganz normal und keineswegs enthemmt eine Verdauungswanderung den Pumphutsteig entlang absolvierten…
Landidyll Hotel Erbgericht Tautewalde
OT Tautewalde 61
02681 Wilthen
Tel. 03592.38300
www.tautewalde.de
Geöffnet:
Mo – Do 18–21.30 Uhr
Fr – Sa 11.30 bis 14 Uhr und 18 bis 21.30 Uhr
So 11.30 bis 14.00 Uhr und 17.30 bis 21 Uhr
Die STIPvisiten sind Partner der Kochsternstunden.
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