Vorweihnachtszeit ist Showtime. Das Besinnliche weicht dem Prickelnden, wenn es in Dinnershows zur Sache geht. Es gibt was zu essen, was zu trinken und was zu lachen. Wer über den Ernst des Lebens oder die Unwägbarkeiten desselben nachdenken möchte, geht in andere Theater. Wem das Leben als solches aber schon ernst genug ist, der ist bei der lockeren Unterhaltung à la Cabaret im Palais oder Mafia Mia bestens bedient. Beide Shows hatten jetzt Premiere vor ausverkauften Häusern mit begeisterten Gästen.
Das Konzept beider Shows ist identisch, es ist Varieté im besten Sinne. Eine eher sehr schlichte Geschichte als Klammer, mehr als ordentliche Musik zur Unterhaltung und erstaunlich gute zirzensische Einlagen fürs Auge sorgen für den Showteil, der Dinnerpart besteht aus einem kleinen Menü mit Entenkeule, Rotkohl und Kloß oder Knödel im Hauptgang. Die Frage, wo es besser schmeckt, ist philosophischer Natur: Verantwortlich für beide Menüs ist Andreas Kirsch, und der ist zur Vorweihnachtszeit quasi der Herr der Entenkeulen in Dresden. Bei Mafia Mia steht er selbst mit in der Küche, im Kurländer Palais sind die CrazyLobstars seine adäquaten Stellvertreter vor Ort. Das Essen ist im besten Sinne des Wortes gutbürgerlich, es schmeckt so, wie man es sich bei Muttern wünscht. Und das heißt: Keule innen saftig und außen kross. Dazu ordentlicher Rotkohl und Pflaumen-Kloßroulade (im Palais) bzw. Kräuter-Panchetta-Semmelknödel (bei Mafia Mia) – und reichlich Sauce, die bei Bedarf nachgereicht wird – wir hatten Bedarf, was ja eher ein gutes Zeichen ist.
Beim Cabaret im Palais treten wie im Vorjahr Miss Evi & Mr. Leu als tragende Charaktere auf, die sich auch gern als Evi & das Tier bezeichnen (wobei bei „Tier“ der Herr Leu gerne seine attraktive Zunge zeigt, auch wenn man das als Gast gar nicht unbedingt sehen möchte). Das Züngeln gehört wohl zur Einlösung der Beschreibung „sinnlich, sündig, glamourös und … gewürzt mit subtiler Erotik“, die uns ja immer ein wenig erschrecken lässt, weil wirklich sinnlich-sündig-glamourös-subtile Erotik eine Herausforderung ist. Aber glücklicherweise war die Show zwar hochprofessionell, aber irgendwie in unseren Augen (zwei männliche, zwei weibliche) keineswegs erotisch. Da kann man auf diesem Gebiet also nichts falsch machen und sich auf die anderen angesagten Qualitäten besinnen, als da wären „höchstes musikalisches Niveau, Humor, Artistik und große Bühnenkunst“. Und richtig: da wurden wir nicht enttäuscht! Evi Niessner, eine ausgebildete Opernsängerin, weiß wie man Stimme aus dem Körper holt. Und sie weiß, wie man Stimmung macht. Ihr Mann ist Mr. Leu, und der hat nicht nur eine von ihm als schön empfundene Zunge, sondern auch viele andere Talente. Rock’n’Roll oder Blues, Ballade oder Chanson: Seine Stimme ist wandelbar, das Spiel am Klavier passt. Und wenn Mr. Leu Tom Waits anstimmt (Time, mit deutschem Text vorgetragen), dann ist grandios einfach mal eine Untertreibung.
Vergleichbares Spiel erlebten wir im Capitol gegenüber der Messe, wo zum nunmehr sechsten Mal der Pate und seine Freunde und Familie den Rahmen für die Show abgeben. Im Sommer war der Pate im heimischen Palermo – und bekam da, man kennt ja die Rivalitäten unter Mafiabossen, eins übern Schädel. Hat er nun alles vergessen oder tut er nur so? Egal, denn das eigentliche Spiel findet zwischen den Auftritten von Pate & Co statt. Die Firebirds haben in Dresden ihre feste Fangemeinde, und wahrscheinlich wäre es im Saal genau so voll, wenn nur sie aufträten. Sie können wunderbar a-capella singen, sie sind ein starkes Team an den Instrumenten – und sie bringen Schwung in die Bude. Fleißig sind sie auch, denn wenn die Show ruht und das Publikum isst (keine Brust, sondern Keule!), spielen sie in kleiner Besetzung zur Unterhaltung auf. Das hat schon was.
Aber es wäre ungerecht, die Künstler zu vergessen, die zwischendurch dran sind. Was nicht selbstverständlich ist: auch für die Damenwelt unter den Gästen gab’s was zu sehen! Und nein, damit sind nicht die Herren Schlicht und Kümmerling gemeint, die ihre Reize woanders haben, sondern die zweimal zwei Jungs, die der Schwerkraft zu trotzen schienen. Das Duo Gravity (Sven Munoz aus England und Nikolai Edwardo Huesca aus Irland) war der absolute Sieger in Sachen Muckis, und das ebenfalls männliche brasilianische Artistenduo „Dua Vesso“ krabbelte mir-nix-dir-nix an zwei Stangen herum, dass es nur so eine federleichte Art hatte. Von wegen pole dancing ist nur was für Frauen! Und die Jungs unter den Zuschauern? Durften auch mal hinsehen, wenn die Tänzerinnen Yana Lutsiv und Inna Zhalkovskaya mit Superkurzkleid über den Tisch wirbelten, der auch ihre Bühne ist. Oder die choreographischen Bilder des ukrainischen Trios Torimé bewundern, oder den Pearlettes zuhören, die als Trio die bisherige so stimmgewaltige wie sexy Powerfrau EliZa ersetzten.
Insgesamt war’s sehr kurzweilig, und bei der Premiere zumindest verging die Zeit bis kurz vor Mitternacht wie im Fluge…
Mafia Mia – Heiße Nächte in Palermo läuft noch bis zum 15. Januar 2017; Beginn 19.30 Uhr
Erlwein-Capitol, Messering 8 E (gegenüber Haupteingang Messe)
www.mafia-mia.de
Cabaret im Palais – Die sinnlich-glamouröse Weihnachtsshow
Festsaal des „Kurländer Palais“, Tzschirnerplatz 3-5, 01067 Dresden
www.cabaret-im-palais.de/
Spielzeit: 23.11. – 21.12. / 29.12. – 31.12.2016 und 06.01./07.01.2017
Karten je nach Kategorie und Wochentag 58,50 € – 88,50 €.
[Wir waren zu Gast bei den Premieren am 23. November (Cabaret im Palais) und 25. November 2016 (Mafia Mia) – auf Einladung mit Pressekarten.]
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