Als Zwischengang ein Treffen im Stahltank

Kochsternstunden 2017: Restaurant "Zur Bosel" im Weingut Schuh

Kochsternstunden-Menü im Weinhaus Schuh

Die Tischnachbarin zur Linken an der langen Tafel beim „Offenen Tisch“ im Rahmen der Kochsternstunden brachte es auf den Punkt, als Martina Schuh nach einem der Gänge fragte, ob der Gang denn gefallen habe: „Es ist alles perfekt stimmig!“ Genau so erwarte sie es, wenn sie in einem Landgasthaus einkehre: Gute bürgerliche Küche! Wir waren in Sörnewitz vor den Toren Meißens im Weinhaus Schuh, wo Martina Schuh das Weinrestaurant „Zur Bosel“ führt und Sohn Matthias seit knapp einem Jahr für Weinberge und Weinkeller zuständig ist. Beim offenen Tisch waren beide anwesend und erklärten Speisen wie Getränke – und Matthias Schuh sorgte zusätzlich bei einer Kellerführung nach dem Hauptgang dann noch für einen nicht geplanten Show-Höhepunkt.

Vier Gänge bietet das Restaurant an, das bereits einmal Sieger des Kochsternstunden-Wettbewerbs war und einmal den dritten Platz belegt hat (43,50 €, inkl. Weinbegleitung – 4 Weine á 5cl – und Wasser 58,80 €). Beim Hauptgang kann man wählen, ob Fisch oder Fleisch, die Beilagen sind identisch – und statt der Weinbegleitung gab es selbstverständlich auch eine farbenfrohe nichtalkoholische Begleitung, zu der wir nichts weiter sagen können, weil wir ja den Wein probiert haben! Der kam, nicht weiter verwunderlich, im Prinzip aus dem eigenen Haus. Die Ausnahme ganz am Anfang war der Begrüßungssekt: Matthias Dostert Elbling Sekt brut als Grundlage für den Cocktail kommt vom befreundeten Winzer in Nittel an der Mosel – und der kann was, Stichwort: darf zwar nicht Champagner heißen, aber schmeckt vielleicht besser als manch‘ einer, der sich so nennen darf. Er ist ja auch, wie die namensverbotenen Brüder aus der Champagne, handgerüttelt und gärt deutlich länger als vorgeschrieben in der Flasche (zweieinhalb Jahre, die Vorschrift verlangt neun Monate).

Quasi parallel dazu stellte der Service kleine Tellerchen auf den Tisch, die eine Ansage beinahe überflüssig machten: Gruß aus der Küche steht drauf, aber was auf dem Teller liegt, weiß der natürlich nicht. Also sagt’s Martina Schuh an: Ein Rote-Beete-Wachtelei mit etwas Kaviar. Nüdlich! Zur Vorspeise Lachs-Sashimi-Salat, in der sich Gurke, Avocado und Ruccola mit (sparsam verwendetem, aber sehr geschmackvollem) Limettendressing den Teller übersichtlich arrangiert teilten, kündigte Matthias Schuh seinen Goldriesling an (2016 Meissner Klausenberg Goldriesling QbA, Weingut Schuh) und konnte sich einen Seitenhieb „auf den Herrn mit der Kamera“ nicht verkneifen, der „den Goldriesling ja besonders liebt!“ Die Dame neben der Dame links von mir war begeistert, sie sei auch ein großer Fan dieses Weines, lächelte sie mir zu. Ich prostete charmant zurücklächelnd zurück und fand die milde Säure, die Matthias Schuh zuvor gelobt hatte, zur Gurke in der Vorspeise sogar nahezu ideal. Goldriesling ist eben nicht Goldriesling, und wenn man weiß, wie man mit dieser früh reifenden und im Glas sich leicht und frisch gebenden Sorte umgeht, kommt in der Tat etwas heraus, was man nicht bashen muss. Leider loben den Wein mehr Winzer als die, die es können.

Mit dem zweiten Gang kam von der Weinseite ein Liebling auf den Tisch: Den 2016 „Der Rosa Schuh“ QbA, Weingut Schuh hatten wir neulich im Stresa bereits probiert und den Schieler aus Kerner und Dornfelder als idealen Sommerwein der kommenden Saison ausgemacht. Dass die Cuvée nicht nur ein Sonnensolist ist, sondern auch zum Essen passt, bewies die Küche mit der Suppe: Passierte Linsensuppe mit Rotwurstchip ist erstens nicht so deftig, wie man denken könnte nach dem Lesen der Reizworte Linse und Rotwurst – aber doch ganz schön kräftig. Da möchte der Wein dazu schon mithalten können!

Beim Hauptgang galt es zu entscheiden, nicht nur zwischen Fisch (Zanderfilet mit einer Frühlingskräuterkruste) oder Fleisch (Gefüllter Kalbsrücken á la Bea), sondern auch zwischen Riesling (2015 Meissner Kapitelberg QbA, Weingut Schuh) und Grauburgunder (2015 Meissner Klausenberg QbA, Weingut Schuh). Ich hatte mich fürs Kalb entschieden (so wie Bea ihn füllt, kann ich das sicher nicht, dachte ich) – die Füllung mit Kräutern und Steinpilzen war in der Tat köstlich, das Kalb mir etwas arg trocken geraten. Um ehrlich zu sein: das hatte ich beim Zander befürchtet – aber mein Gegenüber frohlockte: nö, alles bestens. Zum Kalb war der Grauburgunder empfohlen, der allemal zu den Steinpilzen eine sehr gute Wahl ist – wir hatten ihn ja bereits im Stresa und auch im Si | Ro mit Genuss probiert. Also orderte ich den Riesling (den die Fisch-Fraktion empfohlen bekommen hatte), um für mich Neues zu probieren. Funktionierte auch sehr gut, zumal die Beilage Tomate – Artischocke – Kartoffel  bei beiden Gerichten die gleiche war.

Ab ins Fass!Nach dem Hauptgang gab es für die Teilnehmer des offenen Tisches eine Spezialeinlage: Kellerführung! Das klingt ja meist aufregender als es ist in den neuen modernen Betrieben, in denen Arbeitsabläufe wichtiger sind als romantische Ecken. Also sehen wir zuerst Stahltanks in weiß gefliesten Räumen und eine Flaschenabfüllanlage, die zwar den Schriftzug Clemens trug, aber nicht wirklich für den Kochsternstunden-Initiator Clemens Lutz personalisiert war. Einige der Stahltanks waren schon leer und standen demzufolge offen. Es ging um die Reinigung der Fässer und dass man da auch rein kann – nein: muss. Und dann gab ein Wort das andere: ach, da passt einer rein? – ja, na klar – und das bist du? – ja, na klar! – zeig doch mal! – ach nee, lass mal! – ach doch, zeig mal! – ach nee! – doch! – echt? – na klar! Und schon entledigte sich Matthias Schuh seines Jackets und hechtete mit einem eleganten Köpper ins Fass. Ihm nach: Clemens „ich-bin-zwar-keine-Flaschenabfüllanlage-aber-so-ein-Fass-von-innen-hat-was“ Lutz. Drinnen machten die beiden erst mal ein Selfie und krabbelten dann wieder raus, der Herr Lutz mit dem Kopf zuerst und der Herr Schuh mit den Füßen voran. Sehr elegant!

Über die Straße im zweiten Gebäude bekam die Nicht-Romantik wenigstens einen Hauch von dem, wie sich Klein-Fritzchen ein Weingut von innen vorstellt: Holzfässer! Große und kleine, alle gebranded mit Logo und Schriftzug Weinhaus Schuh sowie Aufschriften mit Kreide dran, wie zum Beispiel Po 16 (was natürlich ein Hinweis auf den Portugieser aus dem Jahrgang 2016 ist). Als besonders spannend allerdings erwies sich Fass 232, aus dem Matthias Schuh eine Fassprobe zog. Klar und rosa sah der sehr junge und noch nicht fertige Wein aus, von dem jeder ein Glas zum Probieren bekam. Die Frage: was ist das für einer? vermochte keiner zu beantworten. Kommt man ja auch nicht drauf, dass es ein Grauburgunder ist, der über eine Woche auf der Maische vergoren ist und, da sowieso spät geerntet, ganz schön viel Farbe mitbrachte. Und, Donnerwetter: Geschmack, jetzt schon.

Zum Abschluss im Restaurant gab’s dann als Dessert Sanddorn trifft Heidelbeere mit Parfait-Coulis-Baiser sowie als Wein 2009 Meissner Klausenberg Regent Qualitätslikörwein vom Weingut Schuh. Irgendwie schloss sich damit der Kreis zum Beginn des Abends, denn so wie der Sekt nicht Champagner heißen darf, durfte dieser Regent nicht Port heißen. Obwohl er (von der Rebsorte einmal abgesehen) durchaus vergleichbar gemacht ist und auch die gleiche Rolle erfüllt: Dessertbegleiter und Digestif in einem.

Weincafé – Pension „Zur Bosel“
Dresdner Str. 314
01640 Sörnewitz

Tel. +49 3523 / 84810
www.weinhaus-schuh.de

Öffnungszeiten:
November – März: Do und Fr ab 18 Uhr, Sa und So ab 11 Uhr
April – Oktober: Mo, Do und Fr ab 18 Uhr, Sa und So ab 11 Uhr
Januar: geschlossen

[Besucht am 16. März 2017 | Zu den Restaurantkritiken für Dresden und Umgebung]


Hinweis:

Die STIPvisiten sind Partner der Kochsternstunden.

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*