Es war so was wie die Generalprobe. Im Stresa, das an diesem 1. März vor vier Jahren in Striesen erstmals seine Tür für Gäste öffnete, gab es zwei Tage vor Beginn der Kochsternstunden zum Geburtstag das Kochsternstunden-Menü – mit einigen Abweichungen in der Weinbegleitung, weil an diesem Abend Winzer live vor Ort waren. Der erste Offene Tisch von Kochsternstunden-Macher Clemens Lutz lockte zu diesem Anlass zwanzig Gäste an, die vom Stresa-Chef Sebastian Böhme und seinem Team in bester Geburtstagslaune bedient wurden.
Das diesjährige Kochsternstunden-Menü umfasst fünf Gänge (69 €) und kann auch als 4-Gang-Menü (ohne Zwischengang, 52 €) bzw. 3-Gang-Menü (ohne Zwischengang und mit Vorspeise oder Suppe, 42 €) bestellt werden. Man kann die passende Weinbegleitung dazu wählen, wobei die Weine pauschal mit 6,50 € je Glas berechnet werden. Zum Geburtstag erfreute das Stresa seine Gäste mit einem Sonderpreis von 85 € für Menü, Aperitif, begleitende Weinen, Wasser und Espresso – so geht Geburtstag 2.0! Die Weine, wie schon angedeutet, entsprachen dabei nicht ganz denen während der Kochsternstunden, denn Matthias Schuh (bester Jungwinzer Europas 2012 und vor allem derzeit vielleicht der Winzer in Sachsen mit dem meisten frischen Wind im Gepäck) und Annekatrin Rades vom Rothen Gut Meißen (sowie, wie stets eher still in sich hinein schmunzelnd im Hintergrund, ihr Freund und Winzer des Gutes, Tim Strasser) waren live vor Ort und stellten ihre Weine zum Menü vor. So viel vorweg: das passte primstens!
Nach dem Begrüßungs-Aperitif (ein 2013er Blaues Wunder Jahrgangssekt Brut mit Ebereschenfruchtlikör von der sächsischen Spirituosenmanufaktur Martin Wagner aus Kirschau, den wir auf Wunsch pur genossen) kam sofort große Freude auf, denn der Ohnmachtshappen war schon eingedeckt: Hausgebackenes Sauerteigbrot mit Lauterbacher Ziegenquark und Radebeuler Kräutern war von der verheerend sauguten Sorte (knackige Kruste, fluffig-schmackhaftes frisches Brot), so dass man sich zügeln musste, denn es war ja der nullte Gang, da kamen noch fünf planmäßige und einer zusätzlich als Gruß aus der Küche. Das war Tomatenpanacotta mit Maishähnchen (also keinem ganzen, versteht sich) im Strudelteig. Ein Hauch von Koriander passte überraschend gut zu den Tomaten!
Bevor es dann nun wirklich losging, kam Matthias Schuh erst einmal zu Wort – und sein Wein „Der rosa Schuh“ ins Glas. Das ist, anders als sonst meistens, kein Roter, der schnell von der Schale geschubst wurde und deswegen mehr oder minder kräftig rosé ist, sondern ein Schieler. So nennen, das für die nichtsächsischen Leser*innen hier, die Sachsen einen aus roten und weißen Trauben gekelterten Wein, der dann zwar chic rosa aussieht, aber gemäß deutschem Weingesetz nicht Rosé heißen darf. Klingt kompliziert, schmeckt aber im Falle vom rosa Schuh verdammt nach mehr. Ein frischer Wein, der aber nicht von einer nichtssagenden Leichtigkeit platt gemacht wird. Vom ersten Schluck vor dem Essen über den dritten bei der Vorspeise bis zum letzten danach ist dieser Rosa (!) ein aromatischer Geselle. Wir haben am Tisch nicht rausbekommen, was für Trauben da vermählt wurden, also habe ich nachgefragt: Kerner und Dornfelder. Und wozu schmeckte uns der Wein so gut? Zu Schnitzelchen vom Kalbsbries | Kartoffelsalat 2.0 | Gurke | Mayonnaise. Kalbsbries kann ja so oder so geraten, bei der Generalprobe gab es beide Varianten: Wenn das Stück in der Panade zu dick geraten war, war das Briesschnitzelchen zu feucht, hätte ein wenig mehr Garzeit gebraucht. Mein Stück war perfekt, das vom Gegenüber nicht so. Sebastian Böhme erwies sich beim Ausheben der leeren Teller als perfekter Gastgeber, weil er nichts schön redete, sondern mit der Küche gleich verabredete: ab Freitag, wenn das Menü läuft, unbedingt auf die Plattheit achten. Wie beim echten Schnitzel halt… Der Kartoffelsalat, der wie eine Terrine aussah, schmeckte in der Tat nach Kartoffelsalat – mithin ein schönes Spiel von Optik und Geschmack.
Das Fischsüppchen „Stresastyle“ | mild geräucherte Jakobsmuschel | tomatisiertes Gemüse ließ sich gut an. Es kam erst einmal trocken in der Schale auf den Tisch, sah gut aus und wurde dann – mit einem Aromaschwall als Zugabe für die Nase – aufgefüllt. Die Essenz hätte weniger kräftig sein können, zumal die geräucherte Jacobsmuschel naturgemäß auch etwas von der Feinheit verloren hatte, die sie sonst auszeichnet. Weniger Würze wäre mehr, meinten wir – und bekamen auch hier Feedback aus der Küche: ja, heute war es kräftiger als beim eigenen Probeessen, man werde den alten Zustand wieder anstreben. Generalprobe eben… Der Wein dazu war glücklicherweise einer, den Matthias Schuh als seinen kräftigsten Grauburgunder vorgestellt hatte. Jahrgang 2015 vom Meißner Klausenberg, und zwar dort vom „heißesten Teil“. Das klingt gut, macht dem Winzer aber das Leben nicht immer leicht. „Für mich ist die Herausforderung, einen Wein mit nicht so viel Alkohol zu bekommen“, erläuterte Schuh. Der Wein sei, gemäß seiner Philosophie, im Keller so wenig wie möglich zu machen und sehr sehr viel Energie in die Weinbergsarbeit zu stecken, „einfach geerntet und dann vergessen“. Naja, ganz so einfach wird’s nicht gewesen sein… Wie auch immer: Die Trauben wurden im Oktober 2015 geerntet und bis Juni 2016 auf der Feinhefe belassen, bevor dann abgefüllt wurde. Noch schöner als dieser Wein war beinahe der Spruch, den Matthias Schuh dazu abgab: „Früher hätte ich mich für das, was ich heute mache, selber eingesperrt!“ Aber wahrscheinlich wieder rausgelassen nach dem ersten Probeschluck!
Als Zwischengang gab es Pochiertes Filet vom Skrei | Sherry–Berglinsen | weißer Tomatenespuma | Limonenöl, bei dem zuallererst die Sprenkel am Tellerrand auffielen. Da sie überall waren, sollte es wohl so sein – ein Sinn erschloss sich uns nicht. Oder kamen die etwa von der so gern zitierten Geschmacksexplosion? Und wenn ja: wo hatte die stattgefunden? Keine Ahnung, denn der Skrei war zwar prima in Konsistenz und Eigengeschmack – aber da explodiert naturgemäß nichts. Und die Linsen klangen auch gefährlicher als sie waren, sie schmeckten vor allem mit ein wenig hineingerührter Tomatenespuma vorzüglich und hinterließen keinerlei explosive Nebenwirkungen. Alles in allem ein stimmiger Gang, zu dem ein zweiter Grauburgunder dann auch trefflich passte. Annekatrin Rades vom Weingut Rothes Gut stellte ihn vor. Das Weingut bei Meißen ist linkselbisch, 12 ha groß und noch jung: 2010 gegründet – zuvor war man (wieso man? Die Eltern von Tim Strasser!) lediglich Traubenlieferant. Der 2015er Grauburgunder – „der Lieblingswein vom Tim“, meinte die Frau Rades, die es ja wissen muss, der Grauburgunder also war eine Spätlese, trocken ausgebaut. Ein Viertel wurde – nach gemeinsamer Maischestandzeit von zwölf Stunden – im Barrique ausgebaut, der Rest im Edelstahltank. Das Holz hält sich beim Trinken brav zurück, aber es gibt dem Wein ein wenig wohltuende Tiefe. Und insgesamt war dieser Grauburgunder zart und frisch genug zum pochierten Skrei.
Eine Variation vom Zicklein aus Zethau im Erzgebirge | Pastinake | Blumenkohl | Rote-Bete-Tortellini mit dem passenden Wein (Der rote Schuh) bot die eine oder andere Überraschung. Die erste ist natürlich das Zicklein selbst – gibt’s ja nicht so oft.Das Dreierlei dröselte sich auf in ein perfekt rosa gebratenes Stück vom Rücken, eine mit Spinat gefüllte Roulade (und einer wahnsinnig tollen Sauce, von der alle gerne mehr gehabt hätten!) sowie einer Praline, die mit einer Farce gefüllt war und die sich – vor allem mit herüber geretteten Saucen-Anteilen – als der Liebling bei den Gästen ringsrum entpuppte. Der eigentliche Knüller aber war der Blumenkohl. Da war sie, die Geschmacksexplosion! Und das bei Blumenkohl.
Der Küche war es bis hierhin gelungen, uns zu sättigen, ohne uns zu stopfen –auch das will ja gelernt sein. Und so passte das Dessert klaglos (bis auf das notorische Gemotze des Schreibers über den überflüssigen Apostroph): „Stresa´s Dessertsternstunde“ Apfel | Karamell | Kaffee | Schokolade | Nüsse war ein Rundumnaschvergnügen mit persönlichen Lieblingsanteilen von Gewürzkaffeeeis und Nusskrokant. Dazu ein, wie Annekatrin Rades sagte, Frauenwein von Tim Strasser, eine 2015 Solaris Auslese. Aromatisch, sehr reif, 76 g Restzucker (bei 6 g Säure). Wird nicht mein Liebling, aber ich bin ja auch keine Frau…
Restaurant Stresa
Augsburger Straße 85
01277 Dresden
Tel. 0351.65615730
www.restaurant-stresa.de
Geöffnet Mo – Do 18-23 Uhr, Fr – So 17-23.30 Uhr
[Besucht am 1. März 2017 | Zu den Restaurantkritiken für Dresden und Umgebung]
Hinweis:
Die STIPvisiten sind Partner der Kochsternstunden.
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