Manchmal ergibt sich ja die Frage nach einem empfehlenswerten Restaurant in der Stadt – und da fällt dann in der Regel auch der Name „Genuss-Atelier“. Bei Feedbacks wie „Wir waren im Genuss Atelier und der Abend war ein voller Erfolg. Super Wein, klasse Essen und ein hervorragender Service“ fragt man sich als Tippgeber dann allerdings: warum warst du selbst so lange nicht da? Gute Frage – unsere Antwort: einfach mal hingehen, um diese tolle Gästekritik am eigenen Leib zu erfahren.
Wir waren an einem Sonntagabend da, denn das Genuss-Atelier gehört zu den wenigen anspruchsvollen Restaurants, die da geöffnet haben. Es scheint sich zu lohnen, denn es ist gut was los. Seit unserem Erstbesuch kurz nach der Eröffnung gab es im Konzept kleine Änderungen. Statt brutal regional liest sich die Karte jetzt nett regional mit Ergänzungen zuverlässiger Lieferanten, die nicht von hier sind. Das ist insofern eine schöne Entwicklung, als dass jede strenge (manchmal schon fast ideologische) Herangehensweise auch Beschränkung bedeutet – die Hauptsache ist doch, dass die Qualität stimmt! Auch bei den Weinen hat man sich ein wenig geöffnet, neben solchen von Sachsen und Saale-Unstrut gibt’s jetzt auch was von der Mosel. Auch hier: gut so – und weiter so (vor allem im Bereich der Rotweine, dazu später mehr)!
Die Karte ist angenehm überschaubar und bietet doch ausreichend Auswahl. Die Preise reichen von sieben Euro (Vorspeise) bis knapp 25 € (Hauptgang). Besonders interessant ist, was sich unter dem Punkt „Überraschungsmenü“ verbirgt: Ab drei Gängen (39 €) bis zu acht Gängen (je Gang 10 € mehr) sagt man lediglich an, was man nicht mag oder verträgt und lässt sich ansonsten überraschen. Einzige Rahmenbedingung: Alle am Tisch müssen sich für die Option Menü entscheiden (können aber durchaus unterschiedlich viel Gänge bestellen). Warum das so ist? „Nur zum Menü servieren wir unsere Grüße aus der Küche vorab und danach – und wenn dann nur einer das Menü isst, kommt das bei den anderen meist nicht gut an!“ erzählte uns Küchenchef Marcus Blonkowski, der zusammen mit seiner Schwester Nicole (die den Service leitet) im November 2014 das Genuss-Atelier gegründet hat. Drei Dinge gab’s vorab: Sächsischer Bergkäsechip – Pilze, dann Frühlingsrolle – Paprika und abschließend Hausgebackenes Körnerbrot – Kräuteraufstrich. Drei sehr kleine Dinge waren das, die aber geschmacklich pointiert zeigten, wohin die Reise an diesem Abend gehen sollte. Die Frühlingsrolle in größer und mehr wäre auch eine tolle Vorspeise (oder an heißen Tagen ein kompletter Mittagssnack!).
Das Menü kam in sechs Gängen (und einem eingeschobenen kleinen siebten). Mit dabei: drei der insgesamt aktuell fünf Vorspeisen. Hirtensalat – einmal anders räumt auf mit dem begründeten Vorurteil, dass er bäuerlich-grob sein muss. Eine Vielzahl von Texturen und auch optisch ungewohnt, dafür aber geschmacklich ein rundum erquickender Auftakt. „Nehmt bitte immer alle Zutaten zusammen auf und nicht getrennt!“ hatte uns der Chefkoch gleich zu Beginn des Menüs gebeten. Wir waren brav und verstanden, wie er’s meinte: das Gesamterlebnis ist das Ergebnis! Und das gilt sicherlich nicht für das Genuss-Atelier. Meine Lieblingsvorspeise: Flusskrebse – Kopfsalat – Reis, weil hier in der Tat alles unzertrennlich am Gaumen die Geschmacksknospen reizte. Die Gemüsekaltschale – Chorizo war nicht so mein Ding, was vielleicht am deutlich spürbaren Anteil von Sellerie in der Suppe lag. Aber das gehört zur Kategorie meckern auf sehr hohem Niveau, denn auch diese Schüssel war beim Abräumen leer…
Zu jedem Gang gab’s ein Glas Wein. Da wir ja vorher nicht wussten, was es zu essen geben sollte, hatten wir uns vertrauensvoll in die Hände von Jan Gottfried begeben. Er kommt aus Usti, hat einen Bachelor für Weinbau und Önologie und ist Mitglied in der Vereinigung Tschechischer Sommeliers. Aber vor allem ist er: charmant, freundlich, wissend. Der Probeschluck auf Wunsch ist selbstverständlich, bei Nichtgefallen weiß er Ersatz. Bei mir war das nicht nötig, denn die drei Weißen zu den Vorspeisen standen eh auf der Wunschliste. Es gab die Cuvée Viermalweiß vom Weingut Stefan Bönsch (Langebrück, Sachsen), in der Müller-Thurgau, Riesling, Scheurebe und Traminer eine trinkflusserregende Verbindung eingehen. Einen Weißburgunder vom Weingut Matyas (Coswig, Sachsen) hatten wir ja auch beim ersten Besuch. Der neue Jahrgang hat unsere Erwartung nicht enttäuscht und zeigt, dass das neu aufgestellte Weingut (die nächste Generation ist dran!) auf einem sehr richtigen Weg ist. Aus der Reihe „unser Liebling“ kam der Auxerrois vom Thüringer Weingut Bad Sulza (Saale-Unstrut) zu uns, und man kann nur sagen: Respekt! Diese an Saale-Unstrut wiederentdeckte Sorte hat Stil, aus dem Glas kam uns ein verhaltener und überhaupt nicht vordergründiger Duft entgegen, am Gaumen dann allerlei Früchte und ein solides Säuregerüst. Da wir zur Suppe keinen Wein tranken, war das dann schon unser Begleiter zum ersten Hauptgang – und zwar ein perfekter.
Weißwein zum Fisch, natürlich: Stör – Risotto – Tomate – Salzzitrone – so steht’s auf der Karte. Die Salzzitrone lag allerdings auf dem Fisch, was eine ganz prächtige Kombi war – und das Risotto war tomatig mit selten probierter Qualität. Mit unserem Auxerrois ein perfekter Gang! Zum Fleischgang empfahl uns Jan Gottfried beim Wein einen Farbwechsel. Wir zögerten ein wenig, denn die Rotweine spielen auf der Karte nicht so die große Rolle. Regent, Dunkelfelder und Domina aus Sachsen, Pinotin aus Saale-Unstrut, Spätburgunder von der Mosel: macht uns das happy? Sechs verzweifelte Augenblicke auf Gastseite standen einem glänzenden Augenpaar des Sommeliers gegenüber: „Versuchen Sie die Domina!“ sagte er in seinem tschechisch geprägten Deutsch – da vermochten wir nicht zu widersprechen. Und siehe da, zu Lammhüfte – Polenta – Pilze – Trüffel aus Eilenburg (mit perfektem Lamm, zart und geschmackvoll und natürlich so rosa wie es sein soll) ließ sich die Domina vom Weingut Jan Ulrich (Diesbar-Seußlitz, Sachsen) nicht lumpen. Sehr dunkel, deutliche Tannine: ein kräftiger Begleiter, dem ein Jahr im Holzfass gut getan hat.
Die Dessert-Runde bestand neben der Pflicht für die Menü-Esser zusätzlich aus der „Danach“ genannten Kür. Zuerst die Pflicht, zwei Desserts: das Gin Tonic Sorbet kam mit Gin (aus Dresden, natürlich) im separaten Röhrchen. Die Frage trinken oder drüber gießen? beantworteten wir mit einem herzhaften sowohl-als auch, nahmen ’nen Schluck aus der Pulle und verdröppelten den Rest übers Sorbet. Dieser Gang vor dem Lamm zu servieren wäre übrigens auch eine gute Idee! Dann wäre mit Pfirsich – Schokolade – grüner Tee immer noch ein veritables nuancenreiches Dessert übrig geblieben, zu dem wir voller Freude ein Glas Riesling A vom Pillnitzer Königlichen Weinberg (Weingut Klaus Zimmerling, Sachsen) genossen, das bis zum (übrigens gleichzeitig servierten!) „Danach“ reichten musste: Zupfkuchen / Sorbet – Shiso Kresse / Getrocknetes weißes Schokomousse – Zitrone – Brombeere waren ein so ordentlicher Abschluss und das Pendant zu den eingangs gereichten Grüßen aus der Küche, dass sie durchaus eigenständig nach dem Dessert hätten kommen können. So hatten wir mit den wärmeempfindlichen Zutaten einen kleinen Zeitkampf auszufechten, den wir freilich gewannen…
Restaurant Genuss-Atelier
Bautzner Straße 149
01099 Dresden
Tel. +49 351 / 25028337
www.genuss-atelier.net
Geöffnet:
Mittwoch – Sonntag 17:00 – 23:00 Uhr (warme Küche bis 21.00 Uhr)
Samstag und Sonntag zusätzlich 12.00 – 15.30 Uhr
Hinweis:
Wir waren – weil uns das Team eh gut kennt – nicht anonym dort, sondern mit Namen angemeldet. Und wollten eigentlich auch nur vier Gänge essen. Aber der Chef meinte, um das volle Programm zu genießen, sollten es wenigstens sechs sein – die wir dann auch bestellten. Was wir nicht wussten: dass er uns zu den zwei Extra-Gängen einlädt. Da waren wir zwar injeladen, aber dennoch nicht anders im Urteil als ohne diese Geste (merci!)…
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