Eigengeschmack, Baby – und wie!

Ein Besuch im Genuss-Atelier

Genuss-Atelier

Der Genuss findet im Gewölbe statt und, bei entsprechendem Wetter, draußen. Aber als wir da waren, war das Wetter nicht entsprechend, wir also unten. Ist aber nicht schlimm, denn im Ziegelgewölbe ist es nicht finster, sondern eher heimelig. Zwei Mädels im Service agieren schnell, verbindlich und kenntnisreich, zwei Jungs werkeln in der Küche: Nicole, Lisa, Martin und Marcus sind offensichtlich ein funktionierendes Team im Genuss-Atelier, das vergangenen November eröffnet hat. Als Profis im Gastro-Bereich haben sie natürlich auch das Klappern gelernt, das zum Handwerk gehört: Auf der Webseite drohten sie mit Mangel („einige Tage … sind schon sehr gut gebucht. Ein paar freie Tische sind noch zu vergeben, also am besten gleich noch reservieren“ – was wir natürlich auch taten und überrascht waren, dass nie mehr als drei Tische mit maximal vier Personen gleichzeitig besetzt waren).

Ist das unseriös? Nein, der Begriff wäre zu hart. Aber nett ist es nicht, weil ja ein bissl geflunkert. Wo wir dabei sind: auch nicht nett fanden wir die Weinkarte. Es gibt, so sehr ist das Haus der Regionalität verpflichtet, nur Weine aus Sachsen und solche von Saale und Unstrut. Die Auswahl der Weingüter hält sich im gediegenen Mittelfeld auf – aber nur bei der Qualität, nicht bei den Preisen. 5,20 € für ein kleines Gläschen (0,1 l) Weißburgunder oder einen Schieler sind doch recht happig und auch übertrieben – nimmt man die ganze Flasche, wird’s preiswerter (28,50 € bzw. 26,50 € statt 39 €). Das muss man ja nicht verstehen, oder? Zum Thema regional und Wein vielleicht auch nochmal der Hinweis, dass man, wenn man eine Cuvee H von der Hoflössnitz kauft, nicht wirklich sächsischen Wein trinkt. Die Trauben kommen von weit her aus dem Westen – ob das die Touris wissen und wollen? Regional ist’s auf jeden Fall nicht. Und wenn der Saibling aus Niedersachsen kommt – warum dann der Wein nicht aus der Pfalz oder aus anderen Gegenden, wo sie bessere Weine für weniger Geld verkaufen?

Damit aber genug des Ärgers, der Rest war Schwelgen. Wir ließen uns auf ein 4-Gang-Überraschungsmenü (45 €) ein, das weitgehend aus den Angeboten der Tageskarte zusammengestellt war. Hinzu kamen zwei Küchengrüße und ein Brotkorb vorab – und die stimmten uns sehr hoffnungsfroh. Schinken vom Missionshof Lieske, Brot von der Bäckerei Jacob, Radebeul: Allein die Namensnennung der Produzenten (oder wie später beim Fleisch des Zulieferers, denn da kam „Onkel Franz“ als trusted source ins Spiel) schafft Grundvertrauen. Schon diese Kleinigkeiten, urig-rustikal auf Stein oder Holzrinde angerichtet, kitzelten den Gaumen ungemein. Eigengeschmack, Baby, und wie!

Was fürs Auge, was für die Geschmackssensoren: das Konzept blieb und erfreute uns ungemein. Der Saibling zur Vorspeise war etwas zart im Geschmack, aber Fenchel und hauchdünne Radieschen über ihm machten das mehr als wett. Die Spargelcremesuppe (einzeln 6 €) gehört zu den besten, die wir je hatten (und das schließt die selbst gemachten ein – obwohl die auch nicht schlecht sind!). Die Portion war vergleichsweise riesig – an sparsamen Tagen ist so eine gehaltvolle Cremesuppe ein kleines Mittagessen! Kein Wunder also, dass bei Kalbsrücken, Kartoffel, Spargel, Hollandaise (einzeln 19,50 €) sich langsam ein gehöriger Sättigungspegel einzustellen begann. Das perfekt gegarte Kalb lag, was wir für eine Unart halten, auf dem Spargel, wodurch der natürlich von seiner aphrodisiatisch-vorbildlichen Spannkraft  befreit wurde (obwohl ursprünglich auch auf den Punkt und nicht zu schlapp gegart). Ansonsten erspürten wir auch bei diesem Gang die ursprünglichen Geschmäcker und waren darob sehr erfreut.

PS: Wir hatten aus der Karte den 2013 Weißburgunder Radebeuler Lössnitz vom Weingut Matyas (28,50 €) bestellt und waren sehr positiv überrascht: Das Weingut scheint eine schöne Entwicklung genommen zu haben, wir haben es auf die Liste der in diesem Jahr zu besuchenden Orte gesetzt!

Restaurant Genuss-Atelier
Bautzner Straße 149
01099 Dresden

Tel. 0351 / 25028337
www.genuss-atelier.net

Geöffnet:
Mittwoch – Sonntag und an den Feiertagen 12 – 23 Uhr
(durchgehend warme Küche bis 21 Uhr)

[Besucht am 30. April 2015 | Übersicht der hier besprochenen Restaurants in Dresden und Umgebung]

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