An einem Samstagabend spontan in Bärwalde aufzukreuzen und im dortigen Gasthof nach einem freien Tisch zu fragen: das hat was von Lottospielerei. Einfacher und vielversprechender ist es, vorher anzurufen und einen Tisch zu bestellen – was wir gemacht hatten und daher zwar eine Minute später als der andere Gast kamen, aber bleiben durften. Es hat sich halt rumgesprochen, dass das kleine feine Restaurant von Olav und Manuela Seidel in the middel of nowhere Dinge bietet, die man so im weiten Umkreis nicht bekommt. Und wenn ich Dinge schreibe, meine ich: Essen, Wein und Gastfreundschaft.
Die Speisen, am klassischen holzbefeuerten Herd zubereitet, schmecken uns ja immer irgendwie einmalig grandios. Es gibt auch Klassiker, um die man nicht herum kommt (zumindest: wir nicht herum kommen), aber es gibt eigentlich bei jedem Besuch auch immer eine ungeplante Überraschung. Dieses Mal war es ein Perlhuhn, das unschuldig in der Pfanne lag und unsere Aufmerksamkeit erregte. Ein komplettes Perlhuhn, mit Kopf und Fuß – und es sah bezaubernd aus, so kurz vorm Ende der Garzeit. Aber schafft man das zu zweit? „Wenn nicht, dann gibt es halt ’nen Doggy-Bag!“ meinte Manuela Seidel überraschenderweise. Also ja. 45 Minuten Zubereitungszeit, lasen wir in der Karte, müsse man in Kauf nehmen. Na gut, warum nicht? Es gibt ja Vorspeisen!
Wir wählten, getrieben von Unvernunft und Speichelfluss, einerseits Fromage blanc von der Ziege – lauwarm –, Bärwalder Frühlingswildkräuter (6,50 €) der Ziege und der Kräuter wegen und andererseits ein Süppchen von Flusskrebsen, gebeiztes Schweinebäckchen (5,50 €) – des spannenden Kontrastes wegen (und weil wir bei Flusskrebsen gerne mal Hurra rufen). Das waren zwei richtige Entscheidungen auf einen Streich, auch wenn wegen der bei Olav Seidel üblichen Geschmeidigmacher (Butter, Sahne) eventuelle Diätpläne gleich übern Haufen geworfen werden sollten. Was uns immer wieder begeistert: die Geschmacksnuancen. Und dass die Gerichte nicht schwer sind, sondern leicht. Und sie liegen nicht schwer im Magen, sondern machen genau die richtige Lust auf Mehr.
…und dieses Mehr kommt dann („schon mal zum Ansehen!“) auf dem Silbertablett. Ein schönes Effilée-Perlhuhn (also mit Kopf und Füßen), das – aus seiner Sicht: in besseren Tagen – auf einem kleinen Bauernhof aufgewachsen ist. Der Wohlfühl-Pegel ist umgeschlagen, nun sind wir dran. Dem Perlhuhn gönnt der Koch noch ein wenig Ruhe, bevor er es tranchiert, dann kommt es portionsgerecht an den Tisch, und zwar in zwei Aufzügen. Das feine Fleisch im ersten, der Rest (ich vermute: mit ein wenig Nachgarzeit) im zweiten. Und? Uuund? Saftig war’s! Die Haut leider nicht mehr kross, aber was soll’s – wir haben’s genossen. Und Sauce gelöffelt. Und uns erfreut am Geschmack, den eben doch nicht alle Züchter hinbekommen – weswegen die Tiere einen längeren Weg nach Bärwalde hinter sich haben. Aber egal: regional lieben wir nur, wenn es gut ist, am liebsten sogar sehr gut.
Das ganze Schwelgen und Schlemmern muss man natürlich im rechten Augenblick abbrechen, damit es nicht zu einem abrupten Ende kommt, sondern einen vernünftigen Abschluss gibt. Man könnte auch sagen: Damit noch Platz für Crème d’Anjou, Kumquat und Passionsfruchtsorbet (6,50 €) ist, oder für Bärwalder Cassissorbet, Kaiserstühler Mirabellen Kirschedelbrand (6,50 €) – oder für Beides, wenn man zu zweit ist. Die Desserts nicht zu probieren, wäre nämlich Frevel. Und frevelhaftes Benehmen passt ja nun mal gar nicht zum Gasthof Bärwalde, wo Geschmack, vernünftige Gemächlichkeit und Freundlichkeit eine so wunderbare Allianz eingehen.
Gasthof Bärwalde
01471 Bärwalde
Kalkreuther Straße 10a
Tel. 035208 / 342901
Geöffnet:
Montag ab 18.00 Uhr
Dienstag und Mittwoch: Ruhetag
Donnerstag, Freitag, Samstag ab 18.00 Uhr
Sonntag: 12.00 – 15.00 Uhr
Reservierung dringend empfohlen
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