Die Deko befremdet: was haben denn bitteschön die locker über das Tischtuch verstreuten Legosteine mit einem Fünfgangmenü im fine dining zu tun? So dumm kann wahrscheinlich wirklich nur fragen, wer noch vor dem Tisch steht und nicht sitzt – denn kaum hat man sich mit dem Apero (einem süffigen Cidre aus der Normandie, der die Balance zwischen trocken und trinkflußsüß perfekt hielt) zugeprostet, gehen die Hände zu den vielen Teilen und beginnen, daraus was zu bauen. Erst zaghaft und abstrakt, später dann gezielt und mit – naja, nennen wir es: – Gestaltungswillen.
Wir sind im Gewölbekeller der Bürgerstraße 14 in Dresden-Pieschen. Kenner wissen: dort gibt es (seit fast 16 ½ Jahren) das Petit Frank, in dem Frank Ollhoff (im Service) und André Fröbel (in der Küche) beharrlich französische Lebensart pflegen, gegebenenfalls Stopfleber und Froschschenkel inklusive (aber nicht in einem Gang, versprochen!). Für den Menüwettbewerb Kochsternstunden, an dem das Petit Frank schon zum elften Mal teilnimmt, haben sich die beiden Jungs allerdings ein Menü ausgedacht, bei dem die französischen Einflüsse zum größten Teil in der Getränkebegleitung liegen.
„Aaaaber!“, höre ich im Geiste da den kleinen Frank rufen, „was ist denn mit dem Crèmesüppchen von Kartoffel & Trüffel mit einer Knusperpraline von der Boudin noir?“ Gute Frage, denn das war feinste französische Landhausküche – voller Geschmack und nicht so deftig, wie es klingen mag. Keine Frage: die schmeckt auch ohne Trüffel und ergibt, wenn die Portion nur etwas größer ist, ein komplettes Mittagsgericht. Und mich höre ich im Geiste schon erwidern: „Jaja, der Geist der französischen Küche weht ja eh durchs Gewölbe…“
Großdobritz liegt natürlich nicht in Frankreich, spielt aber bei vielen Freinschmecker-Restaurants in Dresden und Umgebung eine wichtige Rolle. Dort gibt’s die Agrargesellschaft Großdobritz (mit Wagyu- und Aberdeen Angus-Rindern sowie der Schweinerasse Duroc) und als Vermarkter Händler’s Hausschlachterei. Wenn bei den Großdobritzer Grüßen, die vor dem Menü aus der Küche kamen, Thunfisch und Lachs auf dem Teller lagen, dann weist das nicht auf eine Produktionsumstelung hin – Frank Ollhoff hat lediglich die Dry-Age-Einrichtung des Betriebs genutzt. Den Thunfisch fanden wir sehr gelungen, den Lachs des weiteren Übens wert.
Die Geschichte des Dänischen Protestschweins ist lustig und – je weiter man sich recherchierend hineinkniet – verwirrend. Man liest, dass dänische Bauern rund um Husum Schweine so gezüchtet hatten, dass sie das Bild der dänischen Flagge abgaben, um damit gegen ein Flaggenhissverbot in Schleswig und Holstein zu protestieren. Dann liest man aber auch, dass die Rasse ausgestorben sei und die wenigen Dänen rund um Husum damals das vielleicht gar nicht geschafft hätten, eine derartige Rasse zu züchten. Aber: egal! Denn wir probierten einen köstlich konfierten Schweinebauch von egal welcher Rasse, der sich auf Erbspüree suhlte und geschmacksbegleitend eine Jacobsmuschel sowie einen (aus Gründen: französisch anmutenden!) Schaum von der Entenleber gar keinen Grund zum Protest fand.
Beim Hauptgang haben wir was ganz Dolles gemacht – also nicht alle, aber Eine: Man kann im Petit Frank nämlich (ohne das vorab anmelden zu müssen) auch ein vegetarisches Menü zu den Kochsternstunden probieren. Das finde ich klasse, weil so vegetarisch-carnivore Mischehen stressfrei genießen können. Es ist wirklich ein eigenes Menü, mit eigens dazu ausgesuchten (anderen) Weinen. Für alle, die das vegetarische Menü nicht fleischfrei genießen wollen, gibt es sogar die Möglichkeit, es mit Fleisch wieder aufzupimpen. Und genau das passierte bei uns beim Hautgang: hier das vorgesehene Duett vom Großdobritzer Kalb (mit zartem Filet und schmackhafter pulled Zunge), da von der vegetarischen Karte ein Ei „Benedikt“ mit Trüffel auf einem hausgemachten Raviolo gefüllt mit Ziegenfrischkäse an einem Tatar von der Roten Beete im cremigen Kartoffelsud serviert und dann gleich die vegetarische Idee mit dem Angebot mit rosa Entenbrust konterkarriert. Tres chic!
Käse nehmen wir ja nicht oft in deutschen Restaurants – die Auswahl ist meist enttäuschend. Frank Ollhoff holt aber nicht nur seine französischen Weine aus Frankreich, sondern auch den Käse und lässt ihn in Pieschen reifen. Die ganze Glocke voll französischer Rohmilchkäse mit Baguette und einem Quittenchutney war ein besonderer Genuss, weil Reblochon, etwas Ziegenkäse, gereifter Camembert, Brillat Savarin und Bresse Bleu geschmackvoll Akzente setzten. Dazu gab’s einen ganz speziellen Wein: Traminer Sauvage von Amrei Niessen und Frédéric Fourré – so sachsenuntypisch wie köstlich. Er ist im offenen Tonei ausgebaut, komplett oxidativ – und schmeckt zum Nachschenken gut. Mit erfreulich geringem Alkohlogehalt von 12 % auch kein Problem…
Kein Problem gab’s auch mit dem Dessert: es war noch Platz (wir lieben derart vorsorgliche Köche, die das exakt zu berechnen wissen!), es hat geschmeckt. Schöner Abend! Auch dank der Legosteine, übrigens. Einmal hätten wir fast vergessen, unser Essen zu fotografieren 😉
Das Menü
- „Großdobritzer Grüße“
- Gebratene Jakobsmuschel im Duett mit konfiertem Schweinebauch vom Dänischen Protestschwein auf einer Crème von grünen Erbsen, dazu eine Tomatenmarmelade und ein Schaum von der Entenleber
- Crèmesüppchen von Kartoffel & Trüffel mit einer Knusperpraline von der „Boudin noir“
- Duett vom Großdobritzer Kalb: das Filet sous-vide und gebackene Kalbszunge an Kartoffelkrapfen und Ofenhokkaido
- Eine ganze Glocke voll französischer Rohmilchkäse mit Baguette und einem Quittenchutney
- Variation von Schokolade und Tonkabohne mit den legendären Schokoladenbällchen
Die Getränkebegleitung
- Cidre de Normandie
- 2018 Grüner Veltliner Stefan Bönsch Sachsen
- 2015 Ballade, Domaine Mas l´avail Roussillion
- Traminer sauvage de Frederic Fourré Sachsen
- 2015 Maury Cuvée de l´expression
Die Preise
- 5-Gänge-Menü 68,50 € (Getränkebegleitung 38,00 €)
- 4-Gänge-Menü ohne Käse 60,00 € (Getränkebegleitung 32,50 €)
- 4-Gänge-Menü ohne Dessert 63,50 € (Getränkebegleitung 32,50 €)
Petit Frank
Bürgerstraße 14
01127 Dresden-Pieschen
Tel. +49 351 8211900
www.petit-frank.de
Öffnungszeiten
Di – Sa 17–23 Uhr
Hinweis:
Die STIPvisiten sind Partner der Kochsternstunden.
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