Ein Hauch von Sternewürdigkeit

Kochsternstunden 2020: Das Schönburger Palais in Lichtenstein

Schönburger Palais

Motto-Essen mag ich nicht. Meistens. Weil das Motto meist die Qualität des Essens übertrumpft – eine spezielle Variante der Selbstverliebtheit sozusagen. Aber meistens heißt ja nicht immer – und was es da jetzt im Rahmen der Kochsternstunden im Schönburger Palais gab, war zumindest über weite Teile ganz großes Kino. Christian Weidt allein in der Küche und Simone Hetze (bei uns am Tisch) im Service hatten sich eine Reihung von Begriffen zur Assoziation überlegt und dann schwungvoll losgelegt, die Begriffskette eine Hand voll – ein Gefühl von – ein Hauch von – ein Teil von – ein Herz für zu einem sinnlichen Gesamterlebnis werden zu lassen.

Schönburger PalaisWir sitzen wie vor vier Jahren beim ersten Besuch im Schönburger Palais im Rauchfang vor dem ausgedienten Kamin: virologisch korrekt separat! Auf dem Kamin befindet sich (das Team weiß ja, wie fotogeil wir sind!) ein nettes Arrangement mit den Weinen des Abends (Dekoware, wir bekommen natürlich später die korrekt temperierten Weine), Kerzen, Serviette und Kochsternstunden-Heften. Auf dem eingedeckten Tisch gibt es zusätzlich noch die Karte mit dem Menü und den Weinen zum Nachlesen – und sehr schnell auch ein Begrüßungsschluck. Wir kommen an und fühlen uns wohl!

Schönburger PalaisEssenstechnisch wird der Abend eingeläutet mit einem Lebensbaum. „Ist das etwa nur der Gruß aus der Küche?“ war die verblüffte Frage, die mit einem charmanten „na klar, richtig los geht’s ein wenig später!“ beantwortet wurde. Am Lebensbaum, der aus einem Meer von Wacholderbeeren herauswächst, hängen Kapern, geräucherte Entenbrust, Parmaschinken, Hirtenkäse, Beeren und Senfgurken. Tomaten, Walnussöl, schwarzes hawaiianisches Meersalz und Kräuterquark gehörten zum Beifang des Baumes am Boden, eine Pinzette (pro Person, natürlich) lag als Pflückhilfe bereit, Brot gab’s natürlich auch – etwas abseits. Und kaum haben wir den Lebensbaum nackicht gepflückt, kommt noch ein Gruß, dieses Mal auf einem Löffel: Algensalat mit Räucherlachs. Wir sitzen da und sind völlig baff!

KSS Schönburger PalaisWährend wir noch rätseln, welche Auflösungen die Clifhanger eine Hand voll – ein Gefühl von – ein Hauch von – ein Teil von – ein Herz für geben werden, naht eine erste Überraschung in Form von – richtigen Händen! Na gut: fast richtigen, es sind die von Schaufensterpuppen, mit Hemdmanschette zur Servicehand umdekoriert. Mein bislang aufregendstes Fingerfood (klingt wie ein Schulaufsatz, oder?) war mit der lapidaren Beschreibung Ei I Sellerie | Jakobsmuschel | schwarzer Knoblauch erstens völlig unzureichend beschrieben (weil ja jeglicher Hinweis zur Köstlichkeit fehlt!) und obendrein fahrlässig fehlerhaft: das leichtem Biss standhaltende Selleriepüree mit der Jakobsmuschel sowie dem 45 Minuten bei 68 Grad gegarten Ei und schwarzem Knoblauch obendrauf lag ja nicht direkt auf der Hand, sondern auf (natürlich essbaren) knackig-knusprigem Rote-Beete-Papier. Was für eine tolle Optik und welch wundervolle Geschmackskombination!

KSS Schönburger PalaisNun war das Gespräch natürlich in feste Bahnen gelenkt: wenn eine Hand voll gleichbedeutend damit ist, dass eine Hand kommt – was mag uns widerfahren bei der Ankündigung eines Gefühls? Das gewisse Kribbeln im Bauch löste sich auf, als ein weißer Teller mit einer weißen Kugel nebst ein bissl Grünzeug eingesetzt wurde. Hhm. Es folgte es enges Reagenzglas (virale Zeiten!) mit Strohhalm. Wieder hhm. Aber dann kam, frisch und dampfend aus der Kanne, die Suppe zum Joghurt. Wir folgten der Empfehlung von Simone Hetze und probierten zuerst die Suppe. Sie schmeckte ein wenig wie Chili-con-Carne, nicht sehr scharf, aber doch spürbar. Das Joghurt-Eis vermengten wir dann peu-a-peu mit der Suppe, was zu schönen Mustern und etwas cremiger Milde führte. Und das Reagenzglas leerten wir, ebenfalls wie empfohlen, ganz zum Schluss in einem Schlürf. Und bekamen so einen erfrischenden passionsfruchtigen Säureshot.

KSS Schönburger PalaisDie Nase war als erstes gefragt, als ein Hauch von nahte. Sie war auch ohne Ansage aktiv geworden und signalisierte: Blumenkohl. Aber nicht die muffelig-dumpfe Version, sondern mit Röstaromen! Zu sehen war noch nichts, außer ein weißer Papiersack mit roter Schleife auf schwarzem Teller. Ein Hauch von Überraschungsei! Nach dem Öffnen duftete es gar nicht mehr so doll nach Blumenkohl, weil Orangenzesten, Vanille und Orange ihren Anteil am Duft einforderten. Am wenigsten am Geruch beteiligt, aber dafür leader of the taste: der Steinbutt. Selbstredend perfekt gegart und geschmacklich beeinflusst von seiner Umgebung hatte dieser Gang für ich einen Hauch von Sternewürdigkeit.

KSS Schönburger PalaisDer Hauptgang ließ uns etwas ratlos zurück. Ein Teil von allem möglichen ergab hier nicht unbedingt ein Ganzes. Alles ist so, wie der Koch es mag, bekamen wir als Zusatzinfo mitgeteilt, was aber auch nicht wirklich weiter half. Also aßen und diskutierten und aßen wir mit einem Teil von Lust und freuten uns aufs Dessert. Und da hatte Christian Weidt auf jeden Fall wieder ein Herz für uns…

PS: Die Weinbegleitung ist in meiner Beschreibung ausnahmsweise mal sehr kurz gekommen. Was es gab, steht weiter unten in den Infos, und für die Wissbegierigen fasse ich mal so zusammen: sehr schöne Auswahl, die vor allem vor, zum und nach dem jeweiligen Gang passte!

Das Menü

  • EINE HAND VOLL
    Ei | Sellerie | Jakobsmuschel | schwarzer Knoblauch
  • EIN GEFÜHL VON
    Chilli | Joghurt | Passionsfrucht
  • EIN HAUCH VON
    Steinbutt | Vanille | Orange | Blumenkohl
  • EIN TEIL VON
    Rinderlende | Büffel-Mozzarella | Iberico-Schinken | Gänse-Ravioli
  • EIN HERZ FÜR
    Marzipan | Mohn | Kürbis

Die Weinbegleitung

  • Grauburgunder | Weingut Metzger | trocken | 2018
  • Hensel und Gretel The Witch Hunter | Sauvignon Blanc | Markus Schneider | trocken | 2018
  • Baron de Ley | Rioja Reserva | trocken | 2016
  • Portos – Rotweinlikör | Weingut Schloss Proschwitz | Edelsüß | 2018

Die Preise

  • 3-Gänge-Menü 38,00 € (inkl. Weinbegleitung 55,00 €)
  • 4-Gänge-Menü 45,00 € (inkl. Weinbegleitung 65,00 €)
  • 5-Gänge-Menü 55,00 € (inkl. Weinbegleitung 72,00 €)

Schönburger Palais
Schlossberg 19
09350 Lichtenstein

Tel. +49 37204/ 601010
www.schoenburger-palais.de

Öffnungszeiten:
Mi: 17–22 Uhr
Do–Fr: 12–14 Uhr und 18–22 Uhr
Sa: 12–23 Uhr
So: 12–22 Uhr

[Besucht am 14. März 2020 | Übersicht der hier besprochenen Restaurants in Dresden und Umgebung]


Hinweis:

Die STIPvisiten sind Partner der Kochsternstunden.

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