Den Gault&Millau Weinguide Deutschland gibt es schon seit 30 Jahren – und er musste sich (nicht immer freiwillig) immer wieder neu erfinden. In diesem Jahr neu: Verlag und Lizenznehmer (schon wieder, seit 2017 der dritte Wechsel), eine neue Rubrik Trinkreife (da werden 750 Weine empfohlen), eine Abteilung Foodpairing (nur in der App, und da auch nicht immer), eine Auswahl junger Weintalente (genannt Next Generation) und als Gastregion Südtirol (mit Winzer:innen und 500 Weinen). Summa Summarum sind das 800 Weingüter und 8..000 bewertete Weine auf den 780 Seiten zwischen grünen Paperbackdeckeln.
Die Bewertung der Weingüter wie der Weine erfolgt in diesem Band mit Trauben, wobei eine Traube für „empfehlenswert“ steht und es sich dann hochtraubt über sehr empfehlenswert, beeindruckend und nationale Spitze auf fünf Trauben, die für „Weltspitze“ stehen. Halbe Trauben gibt es nicht, aber in jeder Kategorie gibt es schwarze und rote Trauben – letztere stehen für „herausragend in seiner Kategorie“. Damit hat sich der Weinguide bei der Weinbewertung vom internationalen 100-Punkte-Bewertungssystem verabschiedet, was für eine direkte Vergleichbarkeit natürlich nicht einfacher macht. Spitze wird immer noch Spitze sein, aber darunter wird’s dann schon – nun ja: komplexer. Zumal eine Besprechung der Weine schlicht nicht stattfindet – so gesehen ist der Gault&Millau 2023 nur eine Art Adressbuch mit leichter Vorauswahl.
Da man in Rezensionen auf Verkaufsplattformen immer mal wieder sowas wie dieses liest: „kein Gut von Bedeutung fehlt in diesem Standardwerk“ – weit gefehlt! Einige absolute Spitzenwinzer sucht man leider in dieser Ausgabe vergebens. Schade“, hier nochmal der Hinweis auf einen Absatz im vorherigen Beitrag über den eichelmann: „Wie es kommt, dass nicht alle Weingüter im Buch sind? Ganz einfach: die Winzer entscheiden prinzipiell selbst, ob sie dabei sein könnten. Denn nur wer der Redaktion Weine schickt, hat überhaupt eine Chance, im Buch (und in der App) dabei zu sein. Das gilt nicht nur für den eichelmann, das ist bei allen (mir bekannten) Weinführern so. So gesehen sind die Weinführer wie eine Wanderkarte, auf der nur die der Forstverwaltung genehmen Wege eingezeichnet sind – im Ernstfall also irreführend.“
Die App wurde ja bereits eingangs im Zusammenhang mit dem Foodpairing erwähnt. Die Integration ist einfach, weil man mit dem Zugangscode aus dem Buch ein (automatisch nach einem Jahr endendes) Abo G&M Wein abgeschlossen hat. Somit kann man sich via (bei der Registrierung angegebene) E-Mail und Passwort einloggen, wo man will: Smartphone, Tablet, Web-Browser. Problemlos und somit eine einfach nutzbare Ergänzung zum Buch, vor allem natürlich unterwegs. Laut Buchaufdruck gibt es – neben dem Foodpairing, das nicht wirklich der Hammer ist (zu 2018 Centgrafenberg Spätburgunder GG: Wild, zum 2016 Stettener Stein Silvaner GG: Appetizer) – „+14.000 Weine in der App“. Ob damit die Karteileichen gemeint sind, die massig auftauchen und in der Weingutsbeschreibung so angedeutet sind: „Eine aktuelle Weingutsbewertung liegt nicht vor. Die Weingutsbeschreibung basiert auf dem Vorjahr.“ Wahrscheinlich, denn es sind dann meistens auch Vorjahresweine. Aber immerhin: in der App haben die Weine nicht nur Trauben, sondern auch Klartext. Inwieweit das hilft, ist natürlich eine andere Frage, denn ob ich nach der Lektüre von „in der Nase dropsiges „Zuckerl““ auf drei Trauben (beeindruckend) gekommen wäre? Aber immerhin weist der 2016 Pinot Grauburgunder brut nature von Schloss Wackerbarth auch noch „ausgeprägte Cremigkeit“ auf und ist „Sur Lie geprägt, verspielt“.
Gault&Millau Weinguide 2023
780 Seiten, 15 x 4.2 x 22.6 cm
ISBN 978-3745916188x
HENRIS Edition | 45,00 €
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