Chic vs. spröder Charme des Verfalls

Möwe vor Porto

Natürlich wurde das Wetter besser, als der Morgen der Abfahrt ein leises time to say goodbye summte. Aber so ist das in Porto im Februar: da kann es kalt sein, da kann es regnen. Und es kann auch kalt sein und regnen – wobei mit etwas Glück sich das dann blitzeschnell ändert und man mittags draußen am Ufer des Douro Wein und Pulpo-Salat genießen kann.

Dreieinhalb Tage lang war der Porto-Besuch rein wettertechnisch enorm durchwachsen. Aber erstens waren zwei Tage davon ja für die Messe der Wine&Travel Week vorgesehen (da gibt’s einen Podcast zu!) und zweitens sind manche Ecken von Porto in diesem undefinierten Grau ja vielleicht gerade richtig für den spröden Charme des Verfalls.

Mündung Douro 7246Wie nähert man sich einer fremden Stadt am besten? Zu Fuß, natürlich. Wobei: schon beim Anflug gab es erste Eindrücke von der Küste und von der Mündung des Douro (wir näherten uns von Süden, da ging das). Mit nur kleinem Handgepäck und ein wenig Vor-Recherche weiß man: mit der Metro ist man schnell in der Stadt. Das Andante-Touristenticket für 24 Stunden kostet 7 €, das für 72 Stunden (also drei Tage) 15 € – das ist günstiger als jeder Hop-On-Hop-Off-Bus und gewährleistet stressfreien Transport. Wenn nicht Karneval gewesen wäre, wären sogar Busse ab meiner Metro-Station gefahren – aber so ging’s per Pedes mit ersten Eindrücken immer runter bis an den Douro.

Pestana Douro RiverDas Hotel Pestana Duoro River ist modern und rund um einen Schornstein aus Ziegeln gebaut. Der gehörte mal zu einer Seifen- und Kerzenfabrik, die auch noch andere Spuren im Haus hinterlassen hat: wegen der Blumenseifen, die hier einst hergestellt wurden, ist jedes Stockwerk dem Duft und der Farbe einer Blume gewidmet. Nettes Gimmick. Hübsch auch der Blick auf den Douro, wenn man das passende Zimmer erwischt hat. Die Autobahnbrücke ist zwar nicht romantisch, aber sie ist auch weit genug entfernt, um nicht zu lärmen. Und als Vordergrund für Sonnenuntergangshimmel eignet sie sich ganz gut. Richtig grandios ist der Steg, der vom Restaurant bis knapp über den Douro führt – toller Sitzplatz, wenn es nicht gerade Februar ist…

Museo da Imprensa Lino 7262Rein bustechnisch ist das Hotel nicht so super angebunden: man muss immer ein gutes Stück laufen (auch ohne karnevalsbedingten Ausfall). Andererseits lernt man so ja auch die Gegend kennen. Wenn man es runter zum Fluss geschafft hat (was gar nicht so leicht ist, der Eingang ist oben an der Straße), kann man da ein wenig spazieren gehen und landet an zwei notierenswerten Punkten: das Nationale Museum für Presse, Zeitungen und grafische Künste (Museu Nacional da Imprensa / Jornais e Artes Gráficas) hat derzeit „aus Sicherheitsgründen“ geschlossen. Draußen sieht man einen netten Eingang und eine zur Kunst gewordenen und vor sich hin rostende Linotype – die Maschine, die zu Bleisatz-Zeiten die Buchstaben zu Zeilen setzte (a line of types, you know). Als ich bei der Zeitung mit dem Journalismus anfing, standen solche Linotypes noch in der Setzerei…

Marina e Ponte do FreixoDer andere notierenswerte Punkt ist das Restaurant gleich nebenan und direkt am Fluss. Es gehört zum Sportclub Marina do Freixo und hat einen großen Außenbereich, bei dem es sich sogar im Februar in der Sonne aushalten lässt. Der Service ist nett, der Hauswein erträglich und die Snacks („we have toast and hamburger!“) besser als nix. Aber dafür ist es trotz einer eher ins chickimickihafte tendierenden Publikums (das Restaurant gehört zum Yachtclub, man fährt in teuren Autos vor und ist eher nach Club denn nach Hafen gekleidet…) enorm preiswert. Für einen echten Sonnenuntergang reicht’s hier nie, denn die Stadt  geht zu hoch, da hat die tiefe Sonne nur die Chance, über die Wolkenbande zu spielen.

OrtFreies Schlendern am freien Tag vor der Messe und (einem der Leitmotive der Wine&Travel Week folgend: sustainability) ein ausgiebiger Morgenspaziergang am Douro entlang zum Veranstaltungsort Alfândega do Porto sind alles andere als zielgerechte Stadtführungen, ergeben in der Summe aber doch ein abwechslungsreiches Bild der Stadt. Der Screenshot der Karte mit den Aufnahmeorten der Fotos weist große Lücken auf – etwas, was Touristiker ja gerne hören, denn jede Lücke ist ja ein Grund zum Wiederkommen.

Porto-Pano

Ponte Luis I | Klicken öffnet mehr!

Cold beer long climbThemen gibt es genug. Mindestens einmal muss man über die Brücke Luis I gehen. Sie hat zwei Etagen: oben fährt im schleichenden Tempo die Metro, links und rechts ist Platz für Fußgänger. Von oben gibt’s tolle Blicke auf Porto und auf den gegenüber liegenden Stadtteil Vila Nova de Gaia. Unten ist derzeit Baustelle, aber für Leute zu Fuß (und für solche mit Rad, wenn sie schieben) ist eine Gasse gelassen. Die Brücke verbindet die Stadtviertel der Ribeira und des Cais de Gaia, und weil es links und rechts des Douro ganz schön hoch geht, gibt es die beiden Verbindungen von oben nach oben und von unten nach unten. Wer unten rüber läuft auf die linke Seite des Douro und dann oben zurück will, hat einen köstlichen Anstieg zu gewärtigen.

BrückenDie Ponte Luís I wurde 1886 eröffnet und ist damit die zweitälteste der noch existierenden Brücken über den Douro in Porto. Die Eisenbahnbrücke Ponte Maria Pia etwa einen Kilometer flussaufwärts wurde 1877  in Betrieb genommen – sie war damals die größte Bogenbrücke der Welt. Beide Brücken sehen sich ähnlich und gleichen irgendwie auch einem Turm, den man aus Paris kennt – was kein Zufall ist, denn die Ponte Maria Pia wurde von Gustave Eiffels Unternehmen gebaut. Eiffels damaliger Partner Théophile Seyrig hat sie entworfen – und als er sich später von Eiffel getrennt hatte, für den neuen Arbeitgeber (das belgische Unternehmen Société de Willebroeck) die Ponte Luís I geplant. Etwas verwirrend: Ein Eiffel-Schild ist an der Luis I angebracht…

Bahnhof Såo BentoDa die Metro über die Brücke fährt, kann man natürlich auch mit ihr rüber oder nüber – wir hatten ja, zur Erinnerung, unser Andante-Ticket und somit keinerlei Fahrkartenkontrolleurs-Sorgen. Wenn man von Gaia zurück nach Porto fährt, landet man in der S-Bahn-Station Såo Bento. Nix wie raus aus dem Untergrund und am besten gleich rein in den alten Bahnhof. Der sieht von außen normal imposant aus, sorgt aber in der Vorhalle für den großen Wow!-Effekt: Azulejos (Bilder aus Keramikfliesen) des Malers Jorge Colaço könnten für das Nichterreichen eines geplanten Zuges sorgen! Man muss aber gar nicht mit dem Zug fahren, sondern kann auch einfach so gucken, wieder raus gehen und sich in den Bus setzen, um mal was ganz anderes zu sehen.

Pulpo im Café do Cais | Klicken öffnet mehr!

Cafe do caisHaben wir aber nicht gemacht, sondern sind erst mal noch ein wenig gelaufen: zur Kathedrale Sé do Porto geht’s hier hügelan, und durch verwinkelte Gassen wieder runter bis ans Ufer des Douro. An den Cais da Ribeira und den Cais da Estiva geht es touristisch zu – aber wenn man Glück hat, landet man im Café do Cais und bekommt vom fachkundigen und netten Personal guten Wein und ordentliches Essen serviert – als ob man Stammgast sei und nicht Touri. Zum frisch-fruchtigen Weißen der Quinta do Portal (6,50 €) gab’s einen ebenso erfrischenden portugiesischen Pulposalat (14 €) – und vorab eine gute Auswahl von Brot mit Olivenöl. Das Lächeln vom Service war gratis…

StraßenbahnDer Verdauungsspaziergang führt ein wenig durch enge Gassen zur Endstation Infante der Tram. Mit ihr zu fahren gehört (wie in Lissabon) eigentlich zum touristischen Pflichtprogramm, aber erstens kann man einen Teil des Wegs auch gehen (mehr Häuser gucken!) und zweitens sind die kleinen Dinger schnell kuschelig voll. Da bietet der Bus deutlich mehr Platz – und er fährt auch weiter. Das Straßenbahnticket muss übrigens separat gekauft werden – die hauptsächlich von Touristen genutzten Bahnen der Linien 1, 18 und 22 haben ihr eigenes System (Karten beim Schaffner!).

Ab an den Atlantik | Klicken öffnet mehr!

SurferDie Linie 500 ist wie für Touristen geschaffen. Das Ziel ist Matosinhos (Mercado), und es geht zuerst ein wenig durch die Altstadt und dann (fast) immer am Wasser entlang – zuerst am Douro, dann am Atlantik. Wer schwindelfrei ist, sitzt ganz gut im oberen Stockwerk, das aber in den Gassen der Altstadt schon merkwürdige Gefühle auslösen kann. Unten sitzt es sich auch gut, und man könnte, wenn man wöllte, aussteigen, sobald sich was Nettes ergibt. So getan an der Rotunda de Anémona, einer Kunstinstallation, die an Fischernetze erinnern soll und sich im Wind bewegt. Von dort führte uns dann die Neugier direkt ans Wasser, wo sich eine Reihe von etwa 20 Surfern die kleine Welle gaben. Viel Warten war da inklusive, denn wir sind ja nicht im Surferparadies Nazaré

Fort und PergolaEin Spaziergang am Nachmittag bedeutet im Februar, dass man der untergehenden Sonne (so sie zu scheinen beliebt) entgegen geht. Was kann man außer dem Ozean noch sehen? Die Festung Forte de Såo Francisco Xavie,  17. Jahrhundert, Kanonen und natürlich „auf einem markanten Felsen hoch über dem Strand errichtet“, wie ich irgendwo las. So oder so ähnlich sehen die Festungen überall aus. Aber dass zu ihren Füßen (kann man das so sagen?) Tische und Hocker aus Felsen fürs Spielen arrangiert wurden, das hat man nicht so oft – und es konterkarriert den ursprünglichen Sinn der Festung aufs Allerangenehmste: hier sitzen vornehmlich (aber nicht nur) alte weise (nur ein s, jawoll!) Männer und spielen Karten. Einige spielen, einige schauen zu. Ein paar Meter weiter scheint das zu sein, was wir in Deutschland das Vereinsheim nennen würden. Vor der Tür natürlich auch Spieler (m, weder w noch d).

WarnungDer Weg entlang der Küste führt hier auf Holzbretterwegen. Nicht gut geeignet für Stöckelschuhe und schmale Radreifen. Es gibt Warnungen, die berechtigt erscheinen. Der aus England bekannte hübsche Hinweis „Slippery when wet“ (rutschig bei Nässe) wäre auch angemessen, aber meist soll das Wetter in der Saison ja gut sein. Und wer kommt schon im Februar?

Die Pergola da Foz als nächste Attraktion ist ein romantisches Fotomotiv, es gibt sie als Fototapete für zu Hause, und für Verliebte bildet der Säulengang die ideale romantische Kulisse für Selfies aller Art. „Die Pergola befindet sich an der Strandpromenade von Foz. Ein großer Gehweg am Meer, auf dem man lange, beschauliche Spaziergänge machen, sich auspowern, joggen, Fahrrad fahren, händchenhaltend spazieren gehen und seiner besseren Hälfte ewige Liebe versprechen kann“, schreibt Marta Gomes. Man darf da natürlich auch bei diesigem Wetter alleine lang schlendern, was aber weder romantisch klingt noch es in der Tat ist.

Leuchttürme, Angler und Wellen | Klicken öffnet mehr!

LeuchttürmeUnd weil das alles so trist wurde, hat der Bus mal wieder ein Stück des Weges übernommen. Das Ziel: die beiden Leuchttürme Farolim de Felgueiras (der mit dem so gar nicht passenden Vorbau) und der Farolim da Barra do Douro (der etwas näher an Amerika dran ist…). Man kann zu beiden Leuchttürmen laufen, aber da sie auf eigenen Molen stehen, muss man jeweils hin und zurück. Ein Münzwurf bringt die Entscheidung: gehe zum aktiven Leuchtturm mit dem weiteren Weg! Das hat den Vorteil, dass man sehr schön die sich aufbäumende Welle beobachten kann, die hier entsteht – das kleine Becken zwischen den Molen zwingt das Wasser ja zum Aufbäumen: irgendwo muss es ja hin. Und ja, sehr gerne spritzt es auch mal neugierige Zuschauer nass…

…und noch mehr zu sehen: Häuser, Fiesen, Menschen | Klicken öffnet mehr!

…und dann gibt es ja noch immer wieder zwischendurch die Sachen, die beim Besuch von Porto auch kurze Wege lang machen können, weil es so viel zu sehen gibt. Häuser! Fliesen! Und die Menschen, die dazu gehören, die Szenen des Stadtlebens. Macht Spaß!

  1. Häuser
    Fliesen
    People
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Hinweis:

Die Recherchen zu diesem Beitrag wurden unterstützt mit einer Pressereise auf Einladung des Great Wine Capitals Global Network.

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