Gleich gut für die vegane wie die carnivore Fraktion

Kochsternstunden 2023: Rausch

Rausch

Der Restaurantname könnte potentielle Besucher (m/w/d) verunsichern: Rausch. Klingt doch eher nach gepflegtem Besäufnis, oder? Aber Namen, wissen wir ja auch, sind Schall und Rauch – und irren sei menschlich, sagt eine andere Weisheit der Altvorderen. Also bestellen wir einen Tisch fürs Testessen der Kochsternstunden – zuerst allein, dann bucht sich nach einem Chat ein Freund hinzu und als Walk-In gesellt sich ein weiterer nach einem Telefonat auf dem Weg zum Rausch spontan hinzu. Das muss Erwähnung finden, weil zwar ausreichend Platz im Restaurant ist, der Laden aber kurz nach dem abendlichen Öffnen um 18 Uhr sich atemberaubend schnell füllt: wer reserviert hat, ist also klar im Vorteil.

Wo es so voll ist, wird es gut sein, denken wir – und es lässt sich auch bestens an. Ein Kellner, der freundlich und zuvorkommend ist, der sich – wie wir später feststellen – auch gut mit Weinen auskennt, führt uns durch den Abend. Es sollte, soviel vorab, für ihn aber auch ein Abend mit Herausforderungen werden. Das wissen wir zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht. Auf dem Tisch liegen Karten mit den Menüs – es gibt eins „mit Fleisch“ und eins „vegan“. Beide kosten 49 € – wer sich wofür entscheidet, tut es also nicht wegen des Preises. Zwei von uns wählen „mit Fleisch“, einer „vegan“, weil er zwar nicht prinzipiell vegan is(s)t, es aber spannend fand bei der Lektüre. So soll es sein…

Der erste WOW-Moment des Abends kam mit dem Brot an den Tisch: was aussah wie eine rote brennende Kerze (wir dachten schon: was soll der Quatsch? ’ne Kerze direkt am Brot?!?), erwies sich als eine Rote-Bete-Créme mit Docht. Also essbar (bis auf den Docht)! Kreativität: super! Geschmack: nun ja, irgendwie war’s uns allen dreien nicht nach dem unseren. Woran es lag? Vielleicht daran, dass für diese Spelerei Margarine genommen wurde? Das Fett brennt und gibt dem Docht Nahrung. Doch was dem Docht schmeckt, muss ja nicht dem Gast munden, und so beschlossen wir, das mal versuchsweise nachzubasteln, dann aber mit Butter (oder, wie man früher® sagte: mit guter Butter. [Natürlich diskutierten wir heftig und kamen zu dem Schluss, dass die vegane Fraktion mit Butter nicht klar kommt und es vielleicht deswegen Margarine sein musste – verständlich.]

Eigentlicher Menüstart war dann die Suppe. Laut Karte eine weiße Kartoffelsuppe mit Rotkohlschaum – was sehr farbenfroh klingt. War’s aber nicht, denn der Rotkohlschaum ließ sich farblich am ehesten mit altrosa beschreiben, und das Weiße der Kartoffelsuppe ging im gebrochenen Glas ein wenig unter. Optisch war’s also, trotz des Kressegrüns zum Kontrast obenauf, nicht ganz so der Hit. Aber: es schmeckte! Und zwar, wie der Gastrosoph Carl Friedrich von Rumohr wohl gesagt hätte, leckerhaft! Beim Morchelsüppchen aus dem veganen Menü gegenüber gab’s natürlich keine Farbproblematik, denn Morcheln kommen ja immer etwas düster daher…

So weit, so primstens bislang. Aber dann warteten wir auf den Zwischengang. Und warteten. Und warteten. Uns wurde bang: ob der Koch wohl schon gegangen sei, weil er keine Lust mehr hatte? Denn was mag an Wildschinken mit Blumenkohlwaffel so lange dauern? Eigentlich ist das der klassisch-schnelle Gang, der bestens vorbereitet ist und schnell geschickt werden kann. Von der Suppe bis zum Zwischengang vergingen mehr als 40 Minuten, die wir zwar überlebten (wir waren ja kein altes verheiratetes Ehepaar, sondern eine tratschende Männerrunde!) – was in Social-Media-Neusprech wahrscheinlich „eine gefühlte Ewigkeit“ gewesen wäre. Wie dem auch sei: optisch wie geschmacklich wurden wir getröstet und verstanden mittlerweile, warum die Pieschener Eckkneipe so beliebt ist. Vielleicht ist für die Beliebtheit ja auch die vegane Alternative ein Grund – oder aus veganer Sicht: die fleischige Alternative. Meist gibt es ja nur das eine oder das andere – aber beides beherzt und gleichwertig nebeneinander hat man selten. Die Optik des veganen Ganges war zumindest ähnlich ansprechend, das Gegenüber hatte auch geschmacklich nichts zu meckern (wenn ich das richtig erinnere).

Bis zum Hauptgang lernten wir, dass vierzig Minuten Wartezeit nachgeradezu lächerlich sind, wenn es auch mit knapp fünzig geht. Und bevor jemand fragt: nein, wir sitzen da nicht mit der Stoppuhr herum, aber die Fotos haben ja Zeitmarken, die man im Fall der Fälle mal auswerten kann. Die angegebenen Zwischenzeiten sind also auch nicht reine Wartezeiten, sondern Zeiten zwischen dem Einsetzen der Gänge – für die ganz Genauen. Unsere wirklich nette Bedienung nutzte die Zeit, uns Trost zu spenden und zu beteuern, dass die Küchenmannschaft das Haus noch nicht verlassen habe. Wir zeigten Verständnis, ohne es wirklich zu verstehen. Vielleicht sollte man für solche Fälle auch Kleinigketein parat haben, um die Gäste über die Runden zu bringen: Grissini mit Dipp oder einfach mal ’ne Runde vom Pilsner Urquell Tankbier ausgeben, zwischen den Gängen als Lerneinheit über die Unterschiede von hladinka, šnyt und mlíko.

Lange Pausen beim Essen können ja nicht nur boring sein, sondern sie haben noch einen Nachteil: man wird satt. Der Körper denkt: OK, das war’s dann wohl – und schaltet um in den Verdauungsmodus. Der dann aber gestört wird durch neue Nahrungsaufnahme, im Fall des Hautgangs sogar durch reichlich und nicht zu leichte Kost. Die Roastbeefroulade war (um das Fleisch vor den Veganern zu verstecken?) in einer Kruste versteckt, was gut würzig schmeckte und einen zusätzlichen Hauch von Umami ergab, aber eben auch ziemlich ins Sättigungskontor schlug (wenn das schräge Bild mal erlaubt sei). Prima: Es gab extra Sauce. Noch mehr prima: der Chorizo-Rosenkohl. Die Kalorienbombe Kartoffel-Safran-Baumkuchen stufte ich als typisch deutsche Sättigungsbeilage ein, ergo: überflüssig. Aber das ist, wie alles, natürlich streng subjetive Geschmackssache.

Schon eine Stunde nach dem Hauptgang kam das Dessert, bei dem der Kumquat-Granatapfel-Kompott in bester Erinnerung blieb. Wenn die Küche jetzt noch an ihren Abläufen arbeiten würde, wäre es rundum chic im Rausch…

Das Menü

  • Begrüßungsaperitiv mit oder ohne Alkohol
  • Weiße Kartoffelsuppe | Rotkohlschaum | Laugengrissini
  • Wildschinken | Blumenkohlwaffel | Meerrettichbutter | Preiselbeeren
  • Roastbeefroulade | Kartoffel-Safran-Baumkuchen | Chorizo-Rosenkohl
  • Nudossitaler | Kumquat-Granatapfel-Kompott

Vegane Alternative:

  • Begrüßungsaperitiv mit oder ohne Alkohol
  • Morchelsüppchen | Polentacroutons | hausgebackenes Brot
  • Pakoras, gefüllt | Koriander – Knoblauch – Dip | Feldsalat | Kartoffelsticks
  • Linsenmaultasche | Pilz – Wirsing – Gemüse | Kartoffel – Kürbis – Rösti
  • Panna-Cotta | Birnenragout | Keksboden | süßes Pesto

Die Weine

  • Der weiße Schuh | halbtrocken | Riesling, Müller-Thurgau, Scheurebe | Sachsen
  • Grauer Burgunder Hirschhof | trocken | Rheinhessen
  • Dadá No.1 | trocken | Malbec und Bonarda | San Juan, Argentinien
  • Doktorspiele Rosé | trocken | Cabernet Sauvignon, Frühburgunder, Merlot, Spätburgunder | Rheinhessen

Die Preise

  • Menü: 49 €
  • Weine: Einzeln je 0,1-l-Glas, in Summe 18,40 €

Rausch Dresden
Bürgerstraße 36
01127 Dresden

Tel. +49 351 84222266
rausch-dresden.de

Öffnungszeiten: Di – Sa ab 18 Uhr

[Besucht am 15. Februar 2023 | Übersicht der hier besprochenen Restaurants in Dresden und Umgebung]

Hinweis:
Die STIPvisiten sind Partner der Kochsternstunden.

 

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*