Das war damals® während des Pädagogik-Studiums in einem der herrlichen Hörsäle im Münsterschen Schloss. Professor Jürgen H. redete – wie immer frei und anschaulich – über ichweißnichtmehrwas, als von rechts ein Mann im langen Mantel (für einen normalen Studenten etwas zu alt, aber egal) den langen Weg im S9 von oben nach unten ging, sich mit großer Geste neben dem Prof positionierte und nur einen Satz exklamierte: „Und was ist mit Habermas?“ Dann verließ er (ab nach links), ohne auf eine Antwort zu warten, den Hörsaal. Wir blieben etwas ratlos zurück.
Was das mit der Besprechung des Feinschmecker Weinguide zu tun hat? Nun ja: der Feinschmecker reicht (wie üblich als letzter der einschlägig Verdächtigen) seinen Weinguide 2024 nach – wie immer als handliches Heft und zusammen (quasi als Aufkleber) mit der aktuellen Feinschmecker-Ausgabe „Zeit für Wild“. Im begleitenden Artikel lesen wir: „Für den Weinguide 2024 hat wieder eine exzellente Jury aus 13 erfahrenen Fachleuten 4.643 Weine verkostet und bewertet. Das Ergebnis: Ein Booklet mit den 555 besten Weingütern inklusive 1.700 Probiertipps für jedes Budget. Der Weinführer ist nach den wichtigsten Anbauregionen Ahr, Baden, Franken, Hessische Bergstraße, Mittelrhein, Mosel, Nahe, Pfalz, Rheingau, Rheinhessen, Sachsen und Württemberg sortiert.“ Und da fiel uns die Vorlesung aus dem zweiten Drittel des vergangenen Jahrhunderts ein: „Und was ist mit Saale-Unstrut?“
Kommt nicht vor. Weil offensichtlich keins der (sicher von der Redaktion auch angeschriebenen, denn im vergangenen Jahren waren ja mit Klaus Böhme und dem Landesweingut Kloster Pforta wenigstens noch zwei dabei, und nicht nur wir kennen ja einige gute) Weingüter glaubt, dass es sich lohnt, dabei zu sein. Denn „wir analysieren, bewerten und beschreiben nur Betriebe, die sich (nach unserer Einladung) aktiv beteiligen. Wer seine Weine nicht einschickt, taucht in diesem Guide nicht auf“. Es ist also eher ein Armutszeugnis für die Region und deren Winzer, dass keiner dabei ist. Dass die, die ihre Weine angestellt haben, so grottenschlecht waren, dass sie es nicht ins Heft geschafft haben, liegt übrigens außerhalb meiner Vorstellungskraft.
Besonders pikant ist das (und deswegen gehe ich so ausführlich darauf ein), weil viele Winzer im Osten – also die in Sachsen und die im Gebiet Saale-Unstrut – so gerne jammern und klagen, dass sie bundesweit so wenig Beachtung finden. Ja, wie soll denn jemand über sie reden, wenn sie sich verstecken? Und warum machen, die, die dabei waren, nicht wieder mit? Weil sie in ihrer Eitelkeit verletzt wurden, indem man ihnen weniger Punkte gab als erhofft? Mein Gott Winzer: das sind Kritiker! Die haben ihre Meinung, die sie aufschreiben (und manchmal klingen die kurzen Weingutstexte auch viel versöhnlicher als die harsche Punktevergabe). Aber sich beleidigt mit „bringt ja eh nichts“ zu trollen – das bringt nun wirklich nichts!
Der kleinste aller Weinguides für Deutschland ist auch ohne die Saale-Unstrut-Winzer im Vergleich zum vergangenen Jahr gewachsen: 555 Weingüter (statt 500) mit 1.700 Weintipps (statt 1.,500). Und das bei fast gleicher Seitenzahl, so dass die Gebietsbeschreibungen dran glauben mussten. Dass es, wie auch dem Umschlag steht, „die besten“ sind, unterliegt natürlich auch der Mitmach-Einschränkung. Aber wer mag schon „Die 555 besten Weingüter, die mitspielen wollten“ titeln? Und unter den „27 besten Weingütern“ mit 5 Punkten finden sich dann in der Tat die, die man dort vermutet – zuzüglich vielleicht einiger, die nur viereinhalb Punkte bekommen haben. Aber Kritik ist ja immer mehr subjektiv als objektiv…
PS: Die Bewertungen (nicht nur von diesem Jahrgang) sind auch online abrufbar.
Feinschmecker Weinguide
208 Seiten, 115 x 190 mm
Redaktionsschluss 10. Oktober 2022
Jahreszeiten-Verlag, Beilage zum Heft 1/2024 (Preis 13,90 €)
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