Löchrige Felsen und hängende Täler

Karstige Küste

Rechts das Meer, links meist Landschaft und in zweiter Reihe mal Häuser. Die dann allerdings in der Regel üppig, schön geweißt – so gestaltet sich eine Küstenwanderung entlang des caminho dos promontórios – Pfad der Landzungen – zwischen der Praia do Molhe unweit der Mündung des Flusses Arade und dem Strand von Paraiso in der Nähe des Dorfes Carvoeiro. Bei uns war’s als Neujahrswanderung eine leicht gekürzte Fassung: Start an der Landzunge Ponta do Altar (von dort allerdings allerfeinste Blicke zur Praia do Molhe) und dann immer an der Steilküste entlang mit ihren Landzungen, durchlöcherten Felsen und Felsnadeln. Weil wir noch vor Sonnenuntergang zur Neujahrsparty im Club Nau sein wollten, brachen wir bei Vale de Lapa ab und ließen uns zurück ubern.

Leixão das Gaivotas, Praia dos Caneiros, Rei das Praias

Wie nahezu jede Küstenwanderung an der Algarve handelt es sich um eine Bummelei entlang einer Höhenlinie mit regelmäßigem Runter bis (fast) auf Meeresniveau und wieder hoch. Das ist nicht garstig, sondern karstig, denn die Karstlandschaft, die sich im Laufe der vergangenen 16 bis 24 Millionen Jahre durch vorzügliche Zusammenarbeit von Kalksteinfelsen, Süß- und Salwasser und natürlich auch beteiligten Lebewesen gebildet hat, lässt dem Wanderer keine andere Wahl. Dafür gibt es eben Bögen und Höhlen, große Felsbrocken im Meer, Algares (natürliche Dolinen) und Hängetäler. Damit dass auch Leute ohne einschlägige Vorbildung (also wir!) besser verstehen, gibt es immer wieder Info-Tafeln, was der unbestreitbare Vorteil eines touristischen Wegs mit eigenem Namen ist!

Arade-Mündung und Praia do Molhe

Wir beginnen die Tour an der Ponta do Altar, deren Klippen die natürliche östliche Mündung des Flusses Arade bilden. Ein kleiner Umweg (also nicht gleich den Weg am Parkplatz Richtung Osten nehmen, sondern erst mal ein wenig zurück!) lohnt, denn so sieht man
die Praia do Molhe nahe der Mündung des Flusses Arade mit Portimão im Hintergrund. Zwei künstliche begehbare Dämme mit Signalfeuern am jeweiligen Ende sorgen für ruhiges Wasser im Hafen von Portimão.

Leuchtturm Farol da Ponta do Altar

Auf der Ponta do Altar steht seit dem 1. Januar 1893 ein Leuchtturm, der zehn Meter hoch ist und und 32 Meter über dem Meeresspiegel liegt (wer mag mit diesen Angaben die Höhe der Ponta errechnen?!?). Ursprünglich sorgte ein Öllampe für festes weißes Licht, seit 1976 ist das Gebäude an das öffentliche Stromnetz angeschlossen, doch erst seit 1983 kann es sowohl mit Gas als auch mit Strom betrieben werden. Das Licht ist übrigens 16 Meilen (knapp 30 km) weit zu sehen. Mit dem weißen Haus unterm Leuchtturm sieht das sehr hübsch aus – im Gegensatz zum Radarturm gleich nebenan, der seit 2008 den gesamten Schiffsverkehr entlang der Algarve-Küste registriert.

Leixão das Gaivotas, Praia do Torrado

Von der Ponta hat man einen schönen Überblick – Richtung Osten wollen wir ja laufen, da sehen wir auf die Praia do Torrado mit dem vorgelagerten Inselchen Leixão da Gaivota. Steile Klippen, bis zu 23 m hoch – und mit 0,16 ha klein genug, um für menschliche Begehren nicht in Frage zu kommen. Silberreiher, Kuhreiher und Brachvögel hingegen fühlen sich wohl und nutzen den Felsen als Brutplatz.

Praia dos Caneiros

Der nächste offizielle Punkt auf den Tafeln der Touristiker wäre der Torre de Lapa – aber in Wirklichkeit gibt es zwischen dem Vogelfels und dem Wehrturm noch eine nicht unwichtige Station: ein Strandrestaurant! Es ist gleich die nächste Badebucht, und runter muss man sowieso von den Klippen, denn zu dieser Bucht führt eine Straße, die Touristen und Einheimische aus dem neueren Ferragudo (nix da enge Gassen – statt dessen: Häuser mit Swimmingpool!) ans Meer bringt. Der Strand heißt hier Praia dos Caneiros, und im Sommer ist er bewacht. Da wird dann aus einem schönen Sandstrand ein voller Sandstrand, aber jetzt im Januar bei unserem Besuch hält sich der Andrang in Grenzen. Das Restaurant hat eine tolle Dachterrasse, und die ist natürlich voll. Die Preise im Rei das Praias bewegen sich der Lage entsprechend auch auf gehobenem Niveau – aber beim Lesen der Karte wie auch beim Schnuppern (die meisten Algarve-Restaurants verfügen über einen Außen-Holzkohle-Grill) stellt sich Speichelfluss ein: vorgemerkt für einen kommenden Besuch!

Praia da Afurada

Wer unten am Strand war, muss natürlich wieder hoch auf die Klippen. Wir schrauben uns also von nahezu Meeresniveau auf schwindelerregende 40 Meter steil hoch und genießen Bicke zurück (ganz ohne Zorn) wie auch die nach vorne. Da tut sich zuerst am Boden etwas auf, was aussieht wie eine Hand, die nach einer Jakobsmuschel greift. Ist es natürlich nicht, sondern das Ergebnis von Wind und Wetter. Am Ende der Praia da Afurada braust ein Motorboot mit Touristen den Bogen an, der da durch den Felsen geht. Theoretisch kann man da wohl durch, aber der Wind scheint dem Kapitän zu sagen: lass mal! Er dreht mit seinem Boot jedenfalls wieder ab, zur nächsten Bucht mit Löchern im Felsen. Als wir näher kommen, sehen wir: es war vielleicht nicht nur der Wind, denn es gibt hier massiven Abbruch, dicke Felsbrocken haben sich gen Wasserlinie aufgemacht.

Torre de Lapa

Schon aus der Ferne sieht man jetzt den Torre da Lapa. Das ist einer der Wehrtürme aus dem 17. Jahrhundert, stämmig und fensterlos aus Stein und Mörtel erbaut. Von der Spitze des sechs Meter breiten Turms konnte man die Schiffe sehen, die vor allem aus Afrika kamen, um zu plündern und zu entführen. Die Menschen wurden damals vor der Bedrohung gewarnt, indem sie nachts Feuer legten oder tagsüber Rauch erzeugten. Heute ist der Torre nur ein schönes Zwischenziel bei der Küstenwanderung…

Über der Praia da Grilheria

Die aaahhh-und–ooohhh-Momente lassen nicht ab. Oberhalb der Praia da Grilheria fragen wir uns angesichts der steilen Felsen, ob es da einen Weg runter gibt? Die Antwort finden wir dann später auf der informativen Seite von playocean.net: „Praia da Grilheria liegt in einer kleinen Bucht, die ausschließlich über das Meer erreichbar ist. Das Areal ist sehr klein und erweitert sich auf der Ostseite ein wenig zu einer Höhle. In der Westzone gibt es Kieselsteine, die von regelmäßigen Klippeneinstürzen stammen. Bei Flut wird der Strand vollständig unter Wasser gesetzt, daher wird jedem, der diesen abgelegenen Strand besuchen möchte, empfohlen, auf die Gezeitenzeiten zu achten.

Blick gen Carvoeiro - östlich
Mitten im Nirgendwo steht dann plötzlich eine große Holzbank auf der Klippe und lädt zur Rast ein. Aber auch, wenn man so was gar nicht vorhat, lohnt der kleine (nicht zielführende) Abstecher auf diese Ausbuchtung in den Ozean, denn von dort aus sieht man sehr gut, wie zerklüftet die Küste ist, und man ahnt, warum es der Pfad der Landzungen ist. Am Horizont erkennt man das eigentliche Ziel des caminho dos promontórios, Carvoeiro.

Presa da Moura

Oberhalb der Praia do Vale da Lapa kommt zusätzlich zu den vielen Eindrücken von Dingen., die es zu sehen gibt, noch eine Spezialität aus der Abteilung Sie sehen, dass sie nichts sehen – aber wenn Sie was sähen, dann wäre es ganz aufregend. Ein Info-Schild verkündet die Sensation, dass es hier „Überreste des Stausees von Presa da Moura gibt, der römischen Ursprungs ist.“ Dieser Stausee war Teil einer Produktionsanlage zum Einsalzen und Konservieren von Fisch, in der Garum – eine Würze aus einer Mischung aus Blut und Innereien von Thunfisch oder Makrele und zerkleinerten Schalentieren – hergestellt wurde. So ein Becken in klein hatten wir wir schon mal gesehen beim Rundgang durch das Centro de Educação Ambiental de Marim bei Olhão – im verlinkten Beitrag steht mehr zu dieser köstlichen Sauce… Wir haben den verlorenen Damm nicht gesehen, aber laut Info-Tafel muss das Garum-Produktionsbecken stattlich gewesen sein: der Stausee „hätte ein Fassungsvermögen von etwa 10 000 m3 und eine Höhe von 6 bis 7 m gehabt“, lesen wir da und erfahren auch noch was über Hängetäler, die „von der starken Erosion des Küstengebiets zeugen, da sie durch einen schnellen Rückzug der Küstenlinie entstanden sind, dem die Wasserlinie nicht gefolgt ist.“

Algares/Dolminen

Stichwort Erosion: Algares (Dolinen) sind ein weiteres Spektakel, das man zwar sieht, aber meist im Detail doch nur erahnt – aus gutem Grund gibt es großzügige Zäume herum, damit man nicht hineinfällt in diese Löcher. Aber man kann ja mit ein wenig Glück an den Stränden der Algarve durch so eine Cabrio-Höhle laufen bei Strandwanderungen (wie hier oder da mit Erklärbild) – oder sich mit touristischen Schiffen mal hinein schippern lassen…

[Mehr Wanderungen an der Algarve-Küste]

.

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*