Ich möchte mich jedes Jahr verbessern!

Auf ein Glas, Folge 161: Anton Baron Longo, Neumarkt (Südtirol, Italien)

Schlössl

„Wer den kompletten Namen sagen kann, bekommt eine Flasche Wein von mir geschenkt!“, lacht der Anton aus Südtirol. Hatte er mich deswegen gleich zur Begrüßung gefragt, ob wir beim DU seien? Wohl kaum, denn die Flasche hätte der aufstrebende Winzer aus Neumarkt am Ende der Südtiroler Weinstraße ganz sicher erübrigen können – zumal wir uns ja eh zur Probe verabredet hatten. Nein: Anton Longo ist der unkomplizierte Typ, der gerne lacht – auch wenn er sich im Gespräch keineswegs als vordergründig oder oberflächlich erweist, sondern oft eher nachdenklich erscheint. „Das neue, hell leuchtende Sternchen am Südtiroler Weißweinhimmel“ nennt ihn Heiner Lobenberg anerkennend untertreibend – und die Dorfgemeinschaft in Neumarkt tituliert ihn oft noch mit „der Herr Baron“. Wahrscheinlich ist ihnen Anton Baron Longo Liebenstein zu Wellenburg und Langenstein aber einfach zu lang.

Baron Longo SchlösslVor dem Treff im Weingut mit Anton Longo gab’s aber eine Begegnung mit seiner rechten Hand Omar und rund einem Dutzend von unbezahlten (außer: Kost und Logis) Mitarbeitenden des Weinguts – niedliche Schweine. Wir trafen uns am Schlössl zum Grundkurs Baron-Longo-Weinwissen: Baron Longo in Neumarkt (Südtirol) ist seit 2015 auf dem Markt und seit 2024 zu 100 % Demeter-zertifiziert. Die Komplexität der Weine, sagt Omar, entstehe durch die Kombination zweier stark unterschiedlicher Lagen. Die Hauptlage liegt auf 240–310 m Höhe mit 18,5 Hektar und vielfältigen Böden (sandig-kiesig, lehmig, porphyrhaltig) sowie Neigungen von flach bis steil. Eine zweite, hochgelegene Parzelle (2,5 ha Weinreben) befindet sich auf 950–1050 m direkt am Rand des Trudner Horn Naturparks.
Aus den oberen, kühleren Lagen stammen Säure und Mineralität, aus den unteren, wärmeren Lagen Frucht und Weichheit.

Zur biodynamischen Bewirtschaftung gehören Kuhhorn-Präparate, Kompost und ganzjährig frei laufende Schweine (aktuell über 13 Tiere), die Unkraut bekämpfen und den Humusaufbau fördern. Es werden sowohl traditionelle Pergola-Systeme (bei alten Anlagen, 40–60 Jahre) als auch moderne Guyot-Erziehung verwendet. Viele Rebstöcke sind 30–60 Jahre alt, es gibt aber auch jüngere und neue Anpflanzungen (u. a. 1,2 ha Weißweine in Planung).

Unsere probierten Weine

  • 2021 Liebenstein, Chardonnay
  • 2024 Schlossberg, Weißburgunder
  • 2024 Sauvignon Blanc, Urgestein Toldo de Kasnan

Notizen des Gesprächs

Baron Longo Palais

  • [00:37] unterwegs in Südtirol, Zu Gast beim Weingut Baron Longo
    die Lese ist beendet
    am 24. August mit der Lese angefangen!
    und ist es gut gelaufen?
    wir werden sehen, was der Wein zu uns sagt!
    es ist gut gelaufen!
    vom einen Tag auf den anderen war der Herbst da
    die Frage war: was holen wir zuerst?
    so viel in so kurzer Zeit haben wir noch nie gelesen!
    letzter Lesetag?
    das war Ende September!
  • [04:28] Das Weingut: Baron Longo
    ist das ein Fantasiename? (Nein!)
    Baron ist der Adelstitel
    als Baron wird man geboren, da muss man nicht studiert haben. Und Adel gibt es a eigentlich auch nicht mehr
    aber „wir wohnen hier sehr ländlich, da bin ich immer noch der Herr Baron!“
    1656 ging’s los
    …damals als Reichsritter
    weil „einer meiner Vorfahren auf die Idee kam, sich gegen die Franzosen zu erheben“…
    …in den Freiherrenstand erhoben
    der Ur-Ur-Großvater hat in dem Palais (wo wir auch zum Gespräch sitzen) bereits Wein gemacht
    aber er war nicht nur Winzer, sondern auch Bürgermeister von Neumarkt an der Etsch
    1919/1922 kam der Faschismus auf, es w urde alles italianisiert
    Neumarkt wurde zu Egna
    aus Anton wurde Antonio, aus dem Freiherrn der Baron
    Anton(io) war Bürgermeister des Dorfs, durchaus aufmüpfig…
    damals wurde der Wein (mit der Kutsche, mit dem Zug) in Fässern nach Klagenfurt gebracht
    in der Weinstube dort wurden die Longo-Weine verkauft
    dort konnte man sich die Weine vom Fass zapfen
    Vorfahr war Mitgründer der Genossenschaft Neumarkt, die später in der Kellerei von Tramin aufging
    also verkauften Großvater und Vater die Trauben an die Genossenschaft!
    2011 kam der Anruf („ich war länger am Studieren…“)
    der Vater: es reicht ihm, ich sollte mal arbeiten kommen!
    Agrarschule, Schwerpukt Obst- und Weinbau
    nach der Agrarschule Uni Bozen, Wien, Portugal, Montpellier – und dann war Schluss mit Lustig
    Bozen war dreisprachig: Italienisch, Deutsch, Englisch. Ein Vorteil
    Ladinisch (die dritte Amtssprache in Südtirol) kann er nicht
    2011 Obstbau verpachtet und auf Wein konzentriert
    die Genossenschaften in Südtirol haben extrem hohen Standard
    Terlan und Andrian hatten wir ja schon mal probiert…
  • [11:23] Platz für die vielen Kleinen (er ist Mitglied bei den freien Weinbauern Südtirols)
    wir haben knapp 20 ha
    100% unserer Trauben ist aus eigener Produktion
    Weinberge von 290 m bis hoch zu 1050 m
    Omar hatte uns im Weinberg vorbereitet: unterschiedliche Höhen, verschiedene Böden. Nachgehakt…
    Thema Terroir
    wenn ich hundert Meter weiter geh‘, haben wir schon einen anderen Boden
    aber: geprägt von kalkhaltigen Böden
    Einfluss von Gletschern
    der Schlossberg ist da Sinnbild: da ist er aufgewachsen, da leben die Eltern
    die Gesteine dort sind von weit hergekommen…
    das Projekt 1050 entstand 2011
    als der Vater da den Hof erwarb, war Weinbau in solchen Höhen nicht erlaubt
    vernünftige Regelung?
    die Regelung sollte wohl vor Missbrauch schützen: es gab Beiträge für Neuanlagen 😉
    die Beiträge gibt’s nicht mehr, und nun darf jeder…
    in der Höhe sind’s knapp 4 ha
    Vater hatte die idee, dort Solaris zu pflanzen
    und sie hat sich schön gezeigt
    erster Jahrgang – spontan vergoren wie alle ihre Weine und im Holz ausgebaut mit 14% Alc und 30gRZ
    aber als Anton den Betrieb übernahm…
    Wein muss immer schmecken!
    bei den PiWis hatte er er Zweifel
    nun stehen auf den 4 ha Pinot Nero (Spätburgunder), Chardonnay und Sauvignon Blanc…
    …sowie 1 ha Solaris belassen um des Familienfriedens willen
    dieses Jahr haben sie den Spätburgunder früh holen müssen – und entschieden, Sekt zu machen
    (zusammen mit Chardonnay reift ein Sektgrundwein heran)
    Frage nach Oechsle? Sie rechnen in Babo!  (auch hier)
    mit 13 Babo geerntet (laut Formel sind das 62,7 °Oe)
    (die anderen holen sie bei 19 Babo etwa also 86,7 °OE)
    es war auf jeden Fall sehr sauer!
    2 ha an Frost verloren da oben
    Frost ist aber auch in der Ebene ein Thema: im vergangenen Jahr aus 4 ha nur 120 l gewonnen (Chardonnay)
    da wird ein Väterchen Frost-Wein draus
    das ist böse und es holt einen runter: es ist nichts selbstverständlich im Leben
    …und man muss auch gute Jahrgänge schätzen und dankbar sein!
    diese Akzeptanz ist nicht leicht!
    2013 hatten sie 100% Hagelschlag
  • [23:04] volle Lager, Preisbewusstsein, Konsumverhalten
    die Natur reguliert sich immer!
    es gibt und gab immer schon Weinkrisen!
    sind wir noch ein Startup?!
    jedes Jahr ist anders, und ich mach nur einmal im jahr Wein
    Diskussion: was ist der richtige Verschluss?
    der Wein im Glas!

    Baron Longo
    Fotos und Bearbeitung: Nadia Fiore

    wir begrüßen Nadia!
    ein Weingut muss ja auch seinen Bekanntheitsgrad steigern!
    Nadia hilft ganz stark, Präsenz zu zeigen
    Zeit nehmen ist ein Thema!

  • [27:41] Liebenstein 2021, Chardonnay
    Chardonnay ist die Rebsorte, auf die er den Focus setzen möchte
    Vater hatte sich eher breit aufgestellt vom Rebsortenspiegel
    ich versuche einen anderen Weg zu gehen
    etwa 75% Weißwein
    Tendenz: steigend
    wir hatten viele Cuvées, aber der Kunde fragt explizit nach reinsortigen Weinen
    natürlich sind wir Idealisten, aber wir müssen auf den Markt hören
    Authentizität und Handschrift sind wichtig
    schöne Gläser – Josephinenhütte, Zalto (die mit dem Bauch)
    die Weine haben durch dieses Glas noch mehr Identität
    wir verkosten im Keller auch mit diesen Gläsern!
    ist das schon snobby? Ja!
    ich möchte mich jedes Jahr verbessern
    was machen die Leute, die diese Gläser nicht haben? Einen anderen Wein trinken?
    Anton in Berlin: Sie können aus dem Glas aber wenn’s kaputt geht, 40 EU
    UVS hatte das in einer Dresdner WeinBar
    Mit Psychologie gegen Glasbruch
    Achtsamkeit braucht es beim Weinmachen und beim Gläser spülen…
    zum Wein!
    Liebenstein ist keine Lage
    2015 gab es in Südtirol Diskussion zur Lagenklassifikation
    die 8 ha Großlage wäre Villener Güter geworden
    Ich würde gerne einen Japaner „Villener Güter“ aussprechen hören!
    Vill ist eine Fraktion (Teil der Gemeinde) von Neumarkt
    Liebenstein ist sein zweiter Nachname
    ich heiße „von Longo Liebenstein“
    …und es geht noch weiter: von Longo Liebenstein zu Wellenburg und Langenstein
    Liebenstein: der erste Wein, den er 2015 gekeltert hat (damals Cuvée Weißburgunder und Chardonnay)
    wie es zur Cuvée kam
    2020 großer Hagelschlag – Weißburgunder zerstört: seitdem reinsortig Chardonnay
    für mich der Wein, der fürs Weingut steht
    ein Jahr im großen Holzfass, spontan vergoren
    danach kam der Wein ins Edelstahlfass für ein weiteres jahr
    Alkohol ist ein Thema: 13 oder 13,5 sind angestrebt, „weil Geschmacksträger“
    weniger Alkohol? Gerne, wenn der Geschmack nicht leidet
    damit die Weine nicht zu fett/opulent werden, ernten sie früh
    Heiner Lobenberg kommt ins Spiel (er war im Weingut…)
    er wollte den Weißburgunder getrennt haben
    so entstand der Schlossberg
    Schlossberg 2023 bei Lobenberg: 33 EU / 2024 für 35,50 Eu
    Palais Longo von 1620 mit vielen Fresken als Vorlage für Etiketten
    im Fall „Liebenstein“ aus der griechischen Mythologie die Ernte/Weinlese
    Oben: Wachsverschluss
    Rotweine haben Blau, Weißweine das Crema aus dem Wappen
    umgestellt auf leichte Flaschen (alle bei 300 g ungefähr)
    Korken sind natürlich ein Thema
    Themensprung zurück in den Weinberg: Wein ist nicht nur biologisch, sondern auch DEMETER
    20 ha bio-dyn ist eine Ansage
    seit 2024 DEMETER-zertifiziert
    seit 2020 biologisch zertifiziert
    schon der Vater hatte – „als Freigeist“ – bio-dynamische Ansätze
    die App „When Wine“ verrät, wann ein guter Moment ist, Wein zu trinken – according to the moon
    die App fand: heute ja!
    Marketingmäßig vielleicht übertrieben
    aber wir arbeiten bio-dynamisch, weil wir davon überzeugt sind
    und die Mitarbeiter müssen es mittragen
    es sind ja zwei Dinge: Arbeiten nach und mit dem Mond – und die Art und Weise, mit Spritzmitteln umzugehen
    es ist ein Ansatz, den man erlebt haben sollte!
  • [48:57] der nächste Wein ist der Schlossberg
    der Berg ist in Wirklichkeit die Gletschermoräne, der Hügel um das Villner Schlössl
    dort wächst auf der Nordseite der Pinot Bianco
    hier noch auf der Pergola (Anbauweise)
    unter der Pergl wurden früher sogar Gemüse angebaut (Kartoffel, Spargel)
    im Weingut Foradori baut die Myrtha Zierock heute noch Gemüse unter der Pergola an
    es ist wichtig, dass der Boden vital ist
    jetzt im Glas: 2024 Schlossberg
    der Wein, der während der 25er Lese auf die Flasche gezogen wurde
    Premiere, den Wein zu verkosten!
    ein Jahr im großen Holzfass (1.200 l)
    ein inspirierender Weißburgunder, dezent und elegant
    Menge eher gering, „was die Lage hergibt“ (ungefähr ein Fass)
    Schlossberg ist seit 24 dann auch Demeter-zertifiziert
    was auf dem Etikett hinten steht (Fibi, roter Hahn)
    Vorderetikett auch in Braille-Schrift
    als ein Zeichen der Achtsamkeit
    nochmal zur Biodynamie
    Auslöser für die Biodynamie?
    ich habe für mich eine Verantwortung erkannt
    die Biodynamie ist die gesündeste Art des Wirtschaftens
    schmeckt man das?
    man schmeckt es!
    die Kreislaufwirtschaft mit eigenen Quellen, eigenen Tieren
    Biodynamie ist nicht universell übertragbar!
    muss man daran glauben?
    und was sagt das Dorf?
    das Dorf sieht, dass wir „trotzdem“ was ernten
    wie steht’s mit der Menge, die gelesen wird?
    die Reben sind harmonisch, haben zwar wenig(er) Ertrag, aber…
    …sie kann sich besser regulieren gegenüber Krankheiten
    Riesenthema in Südtirol: flavescence dorée
    es gibt kein Mittel dagegen
    Flavescenz
    kritisch ist, dass (trotz biodyn) es eine Monokultur ist
    Monokultur führt auch dazu, dass vermehrt Krankheiten auftreten
    wir gehen in Richtung Spezialisierung, gemischte Landwirtschaft existiert kaum noch
    das Bild des Winzers wird ja immer sehr romantisch dargestellt
    aktuell machen wir 60.000 Flaschen
  • [1:04:37] zum Abschluss gehen wir in die Höhe
    Sauvignon Blanc – Urgestein Toldo de Kasnan
    es ist Sauvignon, aber er schmeckt nicht nach Sauvignon
    Toldo de Kasnan ist der alte Name der Ortschaft
    der alte Name für das Dorf Gschnon
    Verschluss: kein Wachs, aber Banderole
    auf dem Rücketikett steht: La sprezzatura
    das heipt: schaut einfach aus, braucht aber viel Wissen und Erfahrung
    Wein zu machen ist große Handwerkskunst
    Ausbau im großen Holz
    aus der Lage in 1050 m Höhe
    ein kleiner Teil aus einer 300-m-Lage ist drin
    Urgestein da oben (doofe Frage, wo der Wein so heißt)
    wir mussten die Reben mit dem Bohrer ins Gestein bringen
    ins große Glas eingeschenkt: der Wein braucht Luft
    die Rebe muss immer ein bisschen leiden
    Humusanteil hat sich vergrößert auf dem kargen Berg
    Humusbildung gefördert auch durch Pferdemist…
    …und die elf Helferchen
    die Schweine leisten auch ihren kleinen Beitrag
    ein Beruf, der Genugtuung gibt und erdet
    warum eigentlich internationale Rebsorten? Passt das zum Biodyn-Gedanken?
    da arbeite ich noch an einer Antwort
    ich mach‘ das, wovon ich überzeugt bin und was mir schmeckt. Und das ist Chardonnay
    Piwi gesehen im Garten: Souvignier gris
    der Garten-PiWi ist einzige Fläche
    es zeigt, dass es möglich ist, auch mit der PiWi-Sorte sehr guten Wein zu machen
    es gibt bereits gute Ergebnisse, aber sie sind noch nicht perfekt
    es fehlt Erfahrung – Winzer müssen die neuen Sorten ja auch ernst nehmen!
    es gibt ja Vorreiter, auch in Südtirol
    PiWi kann eine Ergänzung sein!
    Ich weiß ja gar nichts vom Wein! – Ja dann koste ihn! – Er schmeckt gut – Da weißt du alles!
    wir müssen es schaffen, den Wein einfach zu genießen und den Wein als Wein einfach mal lassen können

Baron Longo
Fleimstalerstr. 30, Via Val di Fiemme
39044 Neumarkt/Egna (BZ)
Südtirol, Italien

Tel. +39 0471 820007
baronlongo.com

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[Besucht am 27. Oktober 2025 | Alle Beiträge Wein & Winzer Südtirol]

Hinweis
die Recherchereise nach Südtirol wurde unterstützt von theiner’s garten das biorefugium
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Auf ein Glas – der Podcast der STIPvisiten. Gespräche beim Wein. Über Wein. Über Essen. Und übers Leben, natürlich.

Alle Folgen unter diesem Link: podcast.stipvisiten.de

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