Von Pillnitz nach Birkwitz und Kleinzschachwitz

Spaziergänge im Welterbe (11)

Himmelwärts

Wanderer, betrittst Du das Welterbe Dresden linkselbisch bei Zschieren, komme besser nicht vom Weg ab! Du könntest Dich verbrennnesseln. Diese Warnung vorab soll ja nur Lust auf Schadenfreude weiter unten im Text machen, denn unsere Elbwanderung durchs Welterbe Dresden begann (und endete, ein Rundgang sozusagen) am Tag des offenen Weinguts ganz normal in Kleinzschachwitz. Dort kann man sein Auto parken, dorthin kann man mit der Straßenbahn oder dem Bus anreisen und dann mit einer Fährüberfahrt Richtung Pillnitz angemessen die Erkundung dieses Welterbe-Abschnitts beginnen.

Löwenkopfbastei PillnitzVon der Fähre aus gibt es touristische Superlativ-Blicke: Elbabwärts sieht man Maria am Wasser, elbaufwärts das Schloss Pillnitz. Letzteres ist unser erstes Ziel. Erstens weil es immer schön ist dort, zweitens weil es bei blauem Himmel mit Photocumuluswolken ein Muss ist (auch wenn man da schon hundert Mal war, immer mit Kamera) und drittens weil ja Tag des offenen Weinguts war und Klaus Zimmerling – einer der besten Winzer der Gegend – seinen Weinkeller (noch, er baut einen neuen) im Schloss Pillnitz hat und man bei einem Ausschank dort seine Weine probieren kann. Wir definierten also das Kürzel www neu und begannen die Welterbe-Wein-Wanderung mit einem Glas Weißburgunder.

Schloss Pillnitz

Schloss PillnitzPillnitz ist aber nicht nur wegen des Weines durch und durch Lust. Es fängt mit der merkwürdigen Architektur an: So haben sich die Menschen China vorgestellt, als noch kaum jemand da gewesen war: Phantasievolle Exotik. Für August den Starken bildete Schloss Pillnitz den “indianischen Auftakt” einer auf 24 Lustschlösser angelegten Konzeption königlicher Zerstreuung, für die da schon nicht mehr Geliebte Gräfin Cosel war der zwangsverordnete Umzug vom Taschenbergpalais nach Pillnitz der Anfang vom langen Ende auf Burg Stolpen. Matthäus Daniel Pöppelmann lieferte die Entwürfe, die ihre Vorbilder sowohl in der Toranlage zum Palast des Kaisers von China als auch im Palastbau von Venedig haben sollen.

An August erinnert heute noch die Gondel im Park, die dem Kurfürsten der Annäherung an Pillnitz über die Elbe diente, an die Cosel nichts mehr…

Der Schlosspark von Pillnitz wartet mit mancherlei Überraschungen auf: Teils folgt er der strengen Formsprache des Barock, teils ist er als englischer Landschaftsgarten gestaltet – und dann gibt es natürlich die Kamelie. Sie gilt als Europas älteste Pflanze dieser Art und blüht nun schon seit 1801 zwischen Februar und April, wenn 35.000 glockenförmige und karminrote Blüten den Frühling einläuten.

Weinbergkirche

Weinbergkirche 2008Unser Weg führt diesmal aber nicht durch den Garten, sondern heraus aus dem Schloss zu den Weinbergen. Wir biegen in den Bergweg ein, der später (an seiner schönsten Stelle!) Weinbergweg heißt, und besuchen die Weinbergkirche. Auch sie ist ein Werk Pöppelmanns, der damals ganz groß im Geschäft war in Dresden, ein Stararchitekt sozusagen. Der Anlass für den Bau dieser heute (zu Recht) so beliebten Kirche war ein Bauskandal: August wollte Schloss Pillnitz nach seinen Vorstellungen umgestalten, und da stand die alte Pillnitzer Kirche im Weg. Sie musste weg da – aber der Kurfürst ließ sich nicht lumpen, stellte das Grundstück im Königlichen Weinberg zur Verfügung und übernahm auch die Baukosten – und mit Pöppelmann stellte er auch seinen besten Baumeister ab. Die Geschichte der Weinbergkirche, die nach 1990 komplett restauriert wurde, kann man auf den Seiten der Kümmerer nachlesen. Die Interessengemeinschaft engagiert sich nicht nur, sie bezieht auch Stellung: „Die Mitglieder der IG Weinbergkirche setzen sich auch weiterhin sehr aktiv für den Status „Welterbe Dresdner Elbtal“ ein, da die Weinbergkirche ausdrücklich Bestandteil dieser Auszeichnung ist.“ Also weht die Welterbe-Fahne am Turm – ein netter und wichtiger Farbtupfer!

Wein und Kunst

RysselkuppeMan kann von der Weinbergkirche schön in den Weinberg sehen und bemerkt weiter oben auch einen weiteren Weg – aber man kommt von der Kirche aus nicht rauf, und wir wollten es sowieso nicht (den Weg heben wir uns für eine weitere Wanderung auf) und gehen den Bergweg weiter bis zum Winzer Klaus Zimmerling. Der wohnt unterhalb der von ihm bewirtschafteten Rysselkuppe mit seiner Frau Małgorzata Chodakowska , und die beiden sind nicht nur extrem symphatische Zeitgenossen, sondern auch Künstler für mehrere Sinne. Klaus Zimmerling produziert einen vortrefflichen Wein, wenn ich richtig informiert bin: aus Überzeugung biologisch angebaut, aber nicht damit protzend.

Kunst und WeinUnd Małgorzata Chodakowska schafft unabhängig und doch aufs trefflichste dazu passend Figuren aus Holz. Ihre Stammfrauen, selten auch Stammmänner, sind von solch faszinierender Schönheit, dass man es gar nicht fassen kann. Wenn man Glück hat, sieht man das zum Stamm passende Modell, wie es leibhaftig bei den beiden zu Besuch ist – da ist es besser, man hat nicht zuviel vom feinen Kerner „R“ oder dem Gewürztraminer probiert – die haben es nämlich in sich und können bei lebhaftem Zuspruch leicht zu Sinnestäuschungen führen.

Weinprobe bei Klaus ZimmerlingWir hatten übrigens gelesen, dass der Herr Zimmerling vom offiziellen Gedöns des offenen Weinguts ausgeschlossen wurde, weil er nicht drei seiner Weine zum Wahnsinnsschnäppchenpreis von zusammen sechs Euro anbieten wollte. Grinsend begrüßten wir ihn also mit „Hallo, Ausgeschlossener! Kann man hier Wein bekommen?“, worauf er zurück grinste und uns die ganze Palette anbot. Jeder Wein hat hier, auch zum Probieren, seinen Preis – und den ist er allemal wert. Wir haben ihn genossen und gerne mehr gezahlt als sechs Euro, denn im Laufe der Wanderung durften wir noch erleben, wie billiger Wein schmeckt.

Reelle Wegebezeichnungen

In Oberpoyritz laufen wir eine Straße mit dem schönen Namen Viehbotsche entlang, passieren die Feuerwehr (dort geht man dem Feuerwehrmännerlieblingshobby nach und kokelt, gezielt auf dem Grill und hinter dem Einsatzwagen) und gehen dann immer über Wege, die vermuten lassen, dass man früher noch redlich arbeitete: An der Schmiede, Marktweg, Ziegelweg und Schmiedeweg gehen nahtlos ineinander über. Heute müsste man ja dauernd nur umbenennen: New-Economy-Drive in SeifenblasengasseDresdner-Bank-Straße in Commerzbankalle und so…

Birkwitz

Via SaxoniaSo erreichen wir auf einem Weg, der vom Pflaster her auch die Via Appia sein könnte, Birkwitz und seine hinweisschildergepflasterte Hauptkreuzung. Ein großes Dreieck weist zum Einkaufsparadies, das nach etwa 50 Metern rechts auch hinter einem lamellenbehangenen Wohnzimmerfenster auftaucht. Hinter dem anderen Wohnzimmerfenster des Doppelhauses bietet ein Friseursalon seine Dienste an – soll keiner sagen, in Birkwitz sei nichts los. Eine Wohnresidenz direkt an der Elbe mit Blick auf die Fähre gibt es auch – etwas protzig, aber Birkwitz muss ja nicht immer dörflich bleiben!Die Personen-Fähre tuckert nach Bedarf, also faktisch immer hin und her. Am anderen Ufer – Überraschung! – steppt der Bär. Hier wurde nämlich die Beachbar Heidenau errichtet: Also Sand (feiner weißer Sand, schöner als mancherorts am Meer), Liegestühle, Strandkörbe, ein Grill und eine Bar mit Getränken. Voll ist es und alle sind guter Laune, und manchmal kommt sogar ein Schiff vorbei hinter dem Elbradweg, der die Beachbar vom Elbestrand trennt. Der Wein ist natürlich unvergleichlich zum Zimmerlingschen, aber besser als erwartet, und die Ohnmachtsbratwurst, die wir dringend benötigen, trieft zwar etwas vom Eigenfett, ist aber gut gewürzt.

Ein Schild verrät, dass wir knapp vier Kilometer vor Pillnitz und 16 Kilometer vom „Zentrum“ entfernt sind – wahrscheinlich meint das Schild Dresden. Eine andere Zeichenorgie warnt uns, dass es hier glatt sein könnte und ein Winterdienst nicht stattfindet, dass man nur als Fußgänger oder Radfahrer hier lang darf – es sei denn, man ist Teil der Fluorchemie, für die der Weg auch frei ist.

Elbaue mit BrennnesselnWir entschieden uns, Fußgänger zu sein und schritten wacker fürbass. Als wir wieder den Raum des Dresdner Welterbes betraten, kamen wir kurz vom rechten Weg ab, weil der gepflastert und langweiliger erschien als ein Pfad, der rechts ab zur Elbe führte. Den nahmen wir, gingen ihn auch weiter, als er langsam immer weniger Pfad wurde. Aber so eine kleine Brennnesselwiese kann uns doch nicht davon abhalten, durch die Natur zu streifen! Sylke beschloss irgendwann, dass es wohl aussichtslos sei und kehrte um – ich pirschte weiter voran, weil das langsam immer höhere Stellen erreichende Kuscheln der saftig grünen Brennesseln irgendwie prickelig war. Etwa fünf Meter vor dem Ziel (ein Parkplatz an der Elbe bei Zschieren) tat sich dann allerdings eine übermannshohe geschlossene Brennnesselwand auf, so dass auch ich die Gegend einmal von der anderen Gehrichtung aus betrachten durfte. Schön ist sie!

Zur Elbinsel

Zur ElbinselNicht mehr lang und man sieht die Elbinsel bei Pillnitz. Hier gibt es auf Zschachwitzer (also jetzt „unserer“) Seite die Gaststätte „Zur Elbinsel“, die ein wundersames Überbleibsel der DDR zu sein scheint. Das Fachwerk nimmt man dem L-förmigen Erdgeschossler mit Beinaheflachdach nicht ab, und die Karte ist üppig: Von der Soljanka (die sogar ganz ordentlich war) über Bratkartoffeln oder Omelett bis hin zu so exotischen Dingen wie Känguruhnuggets oder Froschschenkeln gibt es alles, was das Herz begehrt. Und es sind viele Herzen, denn der Laden ist voll. In der Karte steht, dass alles frisch zubereitet wird, und keiner wundert sich, dass es, auch bei vollem Laden, nicht länger als drei bis vier Minuten dauert. Bedient wird auch draußen im Garten, aber zahlen musst du drinnen bei der Chefin – das hat doch Charme! So wie der Wahlspruch, der auf der Karte steht: „Ihr Wunsch wird unser Service sein, von Party, Fete, bis zum Schwein!“

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