Durch die Hoflößnitz

Hoflößnitz

Die magische Jahreszahl für diejenigen, die sich nicht nur die Augen satt sehen wollen an schöner Landschaft, sondern auch ein wenig dazulernen wollen, ist 1401. Das war die Zeit, wo man noch ganze Dörfer mit Mann und Maus und Weinberg kaufen konnte – vorausgesetzt, man war vom richtigen Stand. Der Wettiner Markgraf Wilhelm I. war das zweifelsohne, und er erwarb das Dorf Kötzschenbroda, um es zu besitzen. Dank diese Urkunde und der Erwähnung von Weingärten wissen wir um den Weinbau in der Gegend – und dass in den Bergen auch Wein gemacht wurde, ist ebenfalls schriftlich belegt: 1409 sandte Wilhelm II. ein Viertel Fuder Wein aus dem „weyngarten, der do heyst auff der Lessenitz“ ans Freiberger Kloster.

SonnenblumeDie Lessenitz nennen wir heute Lößnitz, und sie ist für gemütliche Weinspaziergänge mit Einkehr hier oder da (oder hier und da) bestens geeignet – wobei das am Wochenende einfacher ist, weil viele Winzer lediglich eine Besenwirtschaft betreiben und nicht alle Tage geöffnet haben. So ist das beispielsweise am Startpunkt unseres Spaziergangs: Karl-Friedrich Aust öffnet sein Restaurant donnerstags bis sonntags (und das ist schon ein Tag mehr als in den Vorjahren!). Wir waren aber an einem Mittwoch unterwegs! Ist es da ein Trost, dass das Meinholdsche Turmhaus auch von außen gut aussieht? Naja, ein schwacher!

Weingut RetzschAber die Weinbergstraße bietet ja noch mehr! Wir fanden zum Beispiel da, wo früher der Alte Weinkeller der Familie Große war, ein Schild mit Aufmerksamkeitscharakter: Das Restaurant TuroTuro hatten wir in Mickten kennen und schätzen gelernt – und nun sind sie hier! Das sparen wir uns für das Ende der Tour auf! Aber quasi gleich nebenan gibt es das Retzsch-Gut, das neben Ferienwohnungen laut davor parkendem und beschriftetem Auto wie auch nach der eigenen Webseite von Mai bis Juni und von August bis September täglich ab 15 Uhr eine Straußwirtschaft betreibt. Da wollten wir eh schon lange mal hin!

Die Tische hinten mit wundervollem Blick auf die terrassierten Berge der Hoflössnitz waren auch mit Decken versehen – aber es sei geschlossen, versicherte uns ein Herr, der dort anwesend war. Ob wir nicht dennoch einfach so gegen Geld zwei Glas Wein bekommen könnten? wagten wir zu fragen und schöpften Mut, als er anhub: „Ja, wenn Sie nur zwei Glas Wein wollen…“ Aber der so viel versprechend begonnene Satz endete mit der Empfehlung einer anderen Örtlichkeit. Danke, die kennen wir, da gehen wir dann sowieso hin. Wie so oft erinnerten wir uns an Erlebnisse in Italien, wo wir zu unmöglichsten Zeiten außerhalb der offiziellen Öffnungszeiten vorzüglich bedient wurden und schlussfolgerten, dass Vergleiche wie „Nizza des Nordens“ (Radebeul) oder Elbflorenz (Dresden) so gesehen jeder Grundlage entbehren.

WeinkulturlandschaftDa uns zwar nach einem Wein war, wir aber noch nicht verdursteten, schritten wir wacker fürbass. Zu den Drei Herren zu gehen wäre müßig gewesen – ersten waren wir da gerade, zweitens ist die Vinothek auch nur donnerstags bis sonntags geöffnet. Also ab in den Weinberg! Zuerst geht’s ein Stück Straße, dann aber einen schönen Weg mit Treppen bergan. Es eröffnen sich immer wieder traumhafte Blicke ins Elbtal – immer mal umgucken und nicht nur stur nach vorne sehen! Man sieht (klare Sicht vorausgesetzt) über Radebeul hinweg bis ins Osterzgebirge, erkennt einige Punkte von Dresden und kann elbauf bis zu den Tafelbergen der Sächsischen Schweiz sehen. Das ist schon schön! Voraus kommt dann noch die Ergänzung Richtung Stausee von Cossebaude, auch nett.

Frederic FourréeMan könnte auf diesem Weg zum Spitzhaus kommen, aber das wollten wir nicht: Der Abstecher Eggersweg führt mitten durch den Weinberg: Den nehmen wir! (Wenn das Tor geschlossen ist, weiter hoch zum Spitzhaus und dann die Treppe runter!) Auf halben Weg sehen wir, wie jemand im Weinberg schuftet: Frédéric Fourré. Das kann man ja ändern: Wir also rein in die Parzelle und gewunken, so dass wir einen kleinen Zwangsplausch halten können. Es geht um Rebenschnitt, Qualität, störende Wanderer, fehlenden fetzigen Wein jetzt und sofort (nein, ein Scherz: wir haben nur über die Arbeit im Weinberg geredet und sind dann auch gleich gegangen!).

SpitzhaustreppeDas Ende des Eggersweges ist verschlossen, aber wir krabbeln über die Absperrung (wir wollten ja nicht rein, sondern raus!). Und schon sind wir auf der Spitzhaustreppe. Ein berühmter Baumeister des Barock hat sie gebaut – Matthäus Daniel Pöppelmann, im Auftrag von August dem Starken. Und natürlich hat er dem Ganzen Gestalt gegeben: 52 Mal sieben Stufen, weswegen die Treppe auch Jahrestreppe genannt wird – oder Himmelsleiter, was man versteht, wenn man unten steht und hochsieht. Dass so eine Treppe im Laufe der Jahrhunderte verkommt, ist nicht unnatürlich. Dass man bei der Runderneuerung 1845/46 dem symbolischen Gedanken trotzte und sie auf 397 Stufen und 57 Absätze erweiterte, so dass die Treppe nun auf 220 Metern Länge 76 Höhenmeter überwindet, ist ein frühes Zeichen von Dummheit. Auf der 1992 nochmals erneuerten Treppe findet seit 2005 der Treppen-Marathon statt, bei dem es hundert Mal innerhalb 24 Stunden hoch und runter geht. Wir freuen uns übrigens, wenn wir es einmal schaffen, wobei runter ja noch erträglich ist, zumal unten Erfrischungen warten!

Weinkeller am Goldenen WagenDie erste nennt sich Weinkeller am Goldenen Wagen und ist das Weinrestaurant, das man uns in der geschlossenen Besenwirtschaft empfohlen hat. Hier kann man bei passendem Wetter draußen sitzen, rebenberankt, wie sich das gehört – oder, wenn’s regnet, schneit oder sonstwie nicht passt, unten im Gewölbe. Über 40 regionale Weine hält Thomas Teubert bereit, darunter sollte man was Passendes finden (wir fanden!). Kleinigkeiten zum Wein hätte es auch gegeben, aber wir wollten ja weiter zum TuroTuro und haben dann darauf mal verzichtet. Der Goldene Wagen oberhalb ist übrigens ein wirklich toller Weinberg, und ein eigenes steinernes Tor hat er auch, das nur mal so nebenbei.

WendeltreppeDie zweite Möglichkeit zur Rast nach dem Treppenabstieg besteht im Restaurant des Weinguts Hoflößnitz, was wir früher sehr häufig besucht hatten – kein Wunder, denn „früher“ luden dort Ines Kuka (jetzt Charlotte K.) und Matthias Gräfe (wein&fein) zum Genießen ein. Mit den diversen Nachfolgern sind wir bislang nicht so recht warm geworden, aber was nicht ist, kann ja noch werden. Die Weine der Hoflößnitz entstehen nach den Richtlinien des kontrolliert ökologischen Landbaus – und sie scheinen im Verborgenen zu gedeihen, denn trotz 8,5 ha Weinbergen sieht man sie an einschlägigen Orten (guten Gaststätten in Dresden und Umgebung) eher selten. Vor Ort in der hauseigenen Vinothek gibt es sie natürlich, und wenn man Glück hat, wird man von Sachsens jüngster Sommeliere Annekatrin Rades beraten, was auch optisch durchaus ein Erlebnis ist (habe soeben fünf Euro in die Chauvi-Kasse gezahlt, freiwillig).

Vögel an der DeckeDie Anlage der Hoflößnitz lohnt eigentlich eh einen eigenen Aufenthalt, mit dem Weinbaumuseum im Lust- und Bergaus – jaja, schöne Bezeichnungen hatten sie früher für ihre Bauten. Heute wäre das wahrscheinlich Gebäude 001… Das werden wir irgendwann sicher mal ausgiebig nachholen (die Bilder, unter anderem mit der tollen Vogeldecke, entstanden während eines Kurzbesuchs im Museum bei der Weinkorkenweitwurfweltmeisterschaft). Für dieses Mal aber haben wir die Hummeln und wollen zum neu entdeckten Restaurant.

TuroTuroDas Turo Turo hatten wir als Restaurant mit phillipinischer Küche im Dresdner Stadtteil Pieschen kennen gelernt – und waren irgendwie begeistert. Vor unserem Zweitbesuch sind sie allerdings nach Radebeul umgezogen – sicher eine gute Entscheidung, wenn es um Kundenströme geht. Auch richtig die Entscheidung, am sächsischen Weinwanderweg nicht als phillipinisches Restaurant aufzutreten (obwohl man beim Lesen der Karte kennend nicken kann und sich manche Angebots-Details erklären kann).

Auf jeden Fall ist hier mehr los. Was gut und nicht so gut zur gleichen Zeit ist, denn man muss schon etwas Zeit und Geduld mitbringen, obwohl der Service flink agiert: Aber allein im gut besuchten Weingarten unterwegs zu sein (und wohl auch allein in der Küche zu stehen, wie das so ist bei einem Zwei-Leute-Betrieb) erfordert gegebenenfalls Geduld. Die Preise machen einen touristisch angepassten Eindruck: Für das Bisschen Flammkuchen haben wir 5,90 Euro bezahlt, eine Rindfleischsuppe fanden wir in der Karte für 6,50 Euro: Da muss sie schon besonders gut sein.

Natürlich gibt es hier Weine von Ulf Große, aber Großes Weine sind keine großen Weine. Die aufgerufenen Preise sind sachsentypisch, es gibt sie von 4,50 Euro für einen Goldriesling bis zu 6,40 Euro für einen Weißburgunder Spätlese für 0,2 Liter. Ob sie das wert sind, muss jede(r) für sich entscheiden. Fazit der kurzen Stipvisite: Irgendwann werden wir mal für einen Abend hin – was auch im Winter geht, weil es gemütliche Gewölbekeller gibt. Denn geschmeckt hat es ja (wieder)!

Turoturo
[Update: Restaurant geschlossen] Restaurant · Weinkeller
Weinbergstrasse 16
01445 Radebeul

Geöffnet:
Mi – Sa ab 16 Uhr | Sonn- und Feiertag ab 11 Uhr

Tel. 0351 843 52 70
www.turoturo.de

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