Mehr als Orange-Wein und fermentiertes Gemüse

Supra – ein Abend nach georgischem Muster im Wohnzimmer des Raskolnikoff

Georgische Supra im Raskolnikoff

Wenn die Menschen in Georgien Supra feiern, dann geht’s gewöhnlich rund: es kommt reichlich Essen auf den Tisch und nicht zu knapp vom Wein („Als Faustregel für Wein sollte der Gastgeber mindestens 3 Liter pro Mann vorrätig haben, besser sogar mehr“, las ich vorab). Ganz so ausufernd war’s dann nicht, als Maximilian Hühnergarth und Anna Hernández Götz im Wohnzimmer des Raskolnikoff einen georgischen Abend veranstalteten. 

Eine (oder ein, die georgische Sprache kennt keine Geschlechter) Supra ist in Georgien: Gelage, Familienfest, sehr traditionell. Es gibt Regeln, die übers Essen und Trinken hinaus gehen. Zum Beispiel ist da ein Zeremonienmeister (was für ein schönes altmodisches Wort), den die Georgier Tamada nennen. Er strukturiert den Abend, macht seine Sprüche über Gott, den Weltfrieden, die Familie, den Gastgeber, die Welt, sorgt aber auch für den nötigen Trinkfluss. Merke: Je mehr der Tamada redet, desto häufiger darf getrunken werden.

Geht sowas in Dresden, in einem Hinterhof in der Neustadt, im Wohnzimmer des Raskolnikoff? Ich hatte meine Zweifel. Wegen des Feelings, dem Spirit oder wie sonst man das umschreiben soll, was da in Georgien passiert. Also nicht wegen des Kochs – den kannte ich: Max hat im Raskolnikoff gelernt und schon während der Lehre zu sich nach Hause eingeladen, um prüfungsrelevante Essen für Freunde zu kochen. Der Thüringer aus Schnepfenthal nimmt seinen Job ernst. Nach der Lehre war er im Facil in Berlin, später dann in Georgien, wo er fast ein halbes Jahr in Tbilisi im Poliphonia in der Küche gearbeitet hat. Dort kocht man eher modern, beruft sich aber auf die Tradition.

So hält Max Hühnergarth das auch heute noch. Mittlerweile ist er Teil des Teams im angesagten Barra in Berlin, macht aber zusammen mit seiner Freundin Anna Hernández Götz (die mit ihm in Georgien war und jetzt im Service des Sternerestaurants Tulus Lotrek in Berlin arbeitet) auch manchmal ganz unkomplizierte PopUps, so wie in Lehrlingszeiten. „beete & quitte“ ist ein plötzlich-da-Konzept, das meist in Berlin auftaucht, aber auch schon in Georgien und nun eben in Dresden, Sachsen.

Wenn sauer lustig macht, wie uns die Volksweisheit lehrt, und wenn der Max authentisch georgisch (inspiriert) kocht, dann müssen die Menschen in Georgien sehrt lustig sein. Es gab nämlich reichlich fermentiertes Gemüse – und auch die frisch zubereiteten Austernpilze bekamen mit einem Spritzer Zitronensaft den Kick in die nichtbasische Richtung. Das war einerseits eine sehr spannende Erfahrung, denn nichts schmeckte so wie man es kennt – und manches, was man zu erkennen glaubte, war dann etwas ganz anderes (die Rhabarberstangen beispielsweise entpuppten sich als Mangoldstiele).

Georgische Supra im Raskolnikoff„Getrunken wird nur mit offizieller Genehmigung!“ erklang plötzlich eine Ehrfurcht gebietende Stimme (die aus einem Ehrfurcht gebietendem Körper kam, der sich aus dem Sitz erhob). Das also ist dieser Tamada, merkten sehr schnell die anderen Gäste. Der Zeremonienmeister, der über Gott, den Weltfrieden, die Familie, den Gastgeber, die Welt und all das reden sollte. Weil trinken allein ja saufen ist. Ob das gut geht? Oh ja, denn Andreas Langholz (der im wirklichen Leben in Berlin einen Küchenzubehörladen hat, der sich natürlich nicht so, sondern Geschmackswerkstatt nennt) – jener Andreas also ist ein humoriger Mensch mit Sinn fürs Subtile. Und statt auf Gott zu trinken, schaffte er die Kurve über einige Gedankenkurven zum Streben nach Höherem und von dort zu einem sehr essensnahen Gedicht über Katz und Maus mit verdächtig philosophischem Ende. Und bei all den anderen Toasts (wir erinnern uns: nicht nur Gott, sondern auch Weltfrieden, Familie, Gastgeber, die Welt und vieles mehr gilt es zu bedenken) ging das nicht anders: bevor es ernst wurde, brach der Tamada die Angelegenheit sehr fein runter. Weitermachen mit essen und trinken!

Supra WeineStichwort trinken: bei den original georgischen Gelagen kommt der Wein oft krügeweise auf den Tisch. Das spart Glas und Wege, denn in Krügen ist mehr drin. Wir hingegen sind ja gleichermaßen wissbegierig wie auch gesittet, weswegen Anna Hernández Götz vier Weine aus unterschiedlichen Gegenden Georgiens mitgebracht hatte – in Flaschen. Herausfordernde Weine, die zum Essen getrunken werden wollen (aber das gab’s ja reichlich). Weine, die maischevergoren und sehr frisch sind, wenig geschwefelt und überhaupt weitgehend naturbelassen.

Neuer Gang, neuer Wein, neue Ansprache des Tamada – auf die Gastgeber. Gezielt auf die Köche Max Hühnergarth und Ralf Hiener, „die gelassensten Köche überhaupt, die einfach nichtaufregbar sind!“. So gesehen sei es sicher kein Zufall gewesen, dass „der Max beim Ralf“ gelernt habe… Zu essen gab’s dazu wieder Gemüse, anders zubereitet als das gleiche Gemüse zuvor. Das sei, wusste Max zu berichten, in Georgien durchaus üblich, die wiederkehrenden Grundzutaten, die aber immer in anderen Texturen und mit anderen Geschmäckern auf den Tisch kämen. Und bei der Gelegenheit noch eine Besonderheit: abgeräumt wird eigentlich nichts, so dass der Tisch (im Rahmen seiner schmalen Möglichkeiten) immer voller wird. Kein Problem für uns, allenfalls für Sandra, die es als Servicekraft im Raskolnikoff gewohnt ist, auf den Tischen für Ordnung zu sorgen…

Supra KhingaliIrgendwann kamen dann auch so typische Dinge wie mit Walnusspaste gefüllte Auberginen oder Khinkali auf den Tisch. Khinkali (manchmal auch aus der georgischen Schrift als Chinkali transkribiert) ist die georgische Variante von Pelmeni oder Maultaschen: Teig mit was drin. In diesem Fall war es Gehacktes (halb und halb Rind und Schwein, mit dem Messer geschnitten und nicht gewolft!), Peperoni, Zwiebel, Knoblauch, Koriander und was auch sonst noch. Das alles kommt als Klacks auf den ausgestochenen und rund gerollten Teig, der dann zum Faltenbommel geformt wird, mit Zipfelmützchen oben. Der Zipfel ist die Anfasshilfe, denn Khinkali werden mit der Hand zum Mund geführt. „Ein Arbeiteressen, kann man auch mit ungewaschenen Händen zu sich nehmen!“ erzählte mir Max, als ich bei den Vorbereitungen zusah. Denn ohne Zubereitung geht ja nix: 100 Khinkali brauchen ihre Zeit, wie die meisten der über zwölf Posten des Supra-Menüs. Auf den Gläsern mit dem fermentierten Gemüse gab es Daten, die zwei, drei Monate zurück reichten.

Nach dem Toast auf die Gastgeberinnen (mit einem Gedicht von Heinz Erhardt über die Mauritius) und dem auf die Freundschaft allgemein (Eugen Roth, Ein Mensch begegnet einem zweiten…) wurde der Wein stärker. Und das Essen wärmer (denn, was bei den Temperaturen draußen bislang gar nicht so aufgefallen war: bis dato gab’s fast nur Gemüse, und das war kalt). Bei den wirklich warmen Gängen ging’s Tamada-mäßig um die Liebe, wie passend. Und auf dem Teller Short-Rib mit einer reichlich scharfen Adjika.

Supra: DessertIn Georgien gibt’s keine Desserts. „Eine richtige Supra geht bis fünf, die Leute sind besoffen, da will keiner Dessert!“ berichtete Max. Aber bei uns war’s ja noch kurz vor Mitternacht, und wir waren allenfalls gepflegt angetüddelt. Also gab’s ein Dessert mit Kiefernzapfen aus dem Gleisdreieck in Berlin, vom Koch persönlich gesammelt, ausgekocht und ab ins Glas zur Fermentation.. Die lagen im fetten griechischen Joghurt, verdeckt unter einer Schicht von fein geschnittenem Sauerampfer. Denn auch am Ende einer Supra gilt: sauer macht lustig… 

|Mein Vorbericht bei falstaff]

Georgische Supra, 24. Juli, 18:30 (84 € all incl.)
Maximilian Hühnergarth und Anna Hernández Götz
im
Wohnzimmer im Raskolnikoff 
Böhmische Straße 34
01099 Dresden

Tel. +49 351 / 8045706
www.raskolnikoff.de

Öffnungszeiten Wohnzimmer:
Auf Nachfrage und bei Sonderveranstaltungen

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