Geschmacksexplosionen im Gewächshaus

de kas

Was Nose to Tail bedeutet, wissen wir ja mittlerweile: wenn Fleisch, dann bitte möglichst alles und (falsches Bild, aber naja) nicht nur die Rosinen rauspicken. In Amsterdam lernten wir im De Kas, was ein farm to table restaurant ist – nämlich eins, in dem morgens geerntet, was mittags/abends serviert wird. Gegessen wird, wie praktisch einerseits und wie aufregend andererseits, im Gewächshaus (was übrigens der deutsche Begriff fürs niederländische de kas ist). Nicht mehr im originalen aus dem Jahr 1927, in dem im Frankendael Park Bäume, Gräser und exotische Pflanzen für die anderen Gärten der Stadt herangezogen wurden, sondern in einem Nachbau aus dem Jahr 2000.

De Kas Essen I Schon im Februar 2001  eröffnete der Sternekoch Gert Jan Hagemann das Restaurant De Kas, in dem er einen Großteil der Zutaten des Menüs aus eigenem Anbau anbieten konnte. Dabei werden in den Gewächshäusern und im Garten des Restaurantkomplexes (durch die man übrigens zwanglos proninieren kann, Gespräche mit der Gärtnerin inklusive) lediglich Tomaten, essbare Blüten und andere Kleinigkeiten angebaut. Der Großteil des Gemüses und der Salate stammen aus der Region Beemster, die rund 20 Kilometer nördlich (auf dem Weg ins zauberhafte Städtchen Hoorn) liegt. Auf rund einem Hektar wachsen dort rund 300 Sorten Gemüse, Kräuter und Früchte. Sie werden in letzter Minute geerntet und in der Küche so schnell wie möglich zubereitet.Die Beemster Polder gehören übrigens zum UNESCO Welterbe und sind Nahversorgungsgebiet nicht nur für De Kas.

De Kas Essen IIFrische wird groß geschrieben im De Kas: es gibt kein fixes Menü, das man auf der Webseite (oder an einem Aushang des Gewächshauses) einsehen kann: gegessen wird, was reif ist. „Planbarkeit und Flexibilität sind der Schlüssel zur Philosophie unserer Koch- und Anbaumethoden“ schreiben die beiden jetzigen Chefs Jos Timmer und Wim de Beer in dem informativen und mit Fotos von Rinze Vegelien toll bebiderten Buch „Plant to Plate“. Beide haben die sprichwörtliche Karriere vom Aushilfstellerwäscher zum Sternekoch hinter sich. (Könnte sein, dass uns Jos sogar schon mal begegnet ist, er arbeitete unter anderem in Jamie Oliver’s Fifteen und in der Ron Gastrobar.)

Man sollte tunlichst reservieren im De Kas – über 50.000 Gäste lassen sich (in nicht pandemiebedingt merkwürdigen Zeiten) jährlich von der Küche überraschen. Es gibt kein Essen à la carte, sondern lediglich die Wahl zwischen einem kleinen und einem etwas größeren Menü. Mittags sind das drei oder vier Gänge, abends fünf oder sechs. Wir waren mittags da und entschieden uns für vier Gänge plus – denn zusätzlich waren Austern im Angebot, entweder mit Jalapeño-Tomatensalsa oder – sehr hübsch bunt anzusehen – mit Veilchenessig und Zitrone.

Mittagessen ( 3 Gänge 36,50 € | 4 Gänge 46,00 €)

  • zusätzlich vorab: Auster mit Jalapeño-Tomatensalsa (5 €) | Auster mit Veilchenessig und Zitrone (4 €)
  • 3 kleine Grüße aus der Küche, Brot, Butter (vorab, inklusive)
  • Fenchel | Tomate | Rote Johannisbeere
  • Endivie | Haselnuss | Oregano | Gurke
  • Zucchini | Langustine | Biskuit | Estragon
  • Broteis | Kirschen | Joghurt | Ahornsirup

Gericht für Gericht war eine geschmackliche Offenbarung – wenn Gemüse so zubereitet wird, braucht’s wirklich kein Fleisch (obwohl es das gelegentlich auch gibt im De Kas). Die Kunst der Köche ist es, für Abwechslung im Mund zu sorgen: süß–sauer–bitter–salzig–umami, das volle Programm geht sehr wohl nur mit den heimischen Zutaten, und auch unterschiedliche Texturen sind ein Kinderspiel, wenn man weiß, wie man’s macht. Zur (offen gezeigten) Trickkiste gehört dabei auch ein großes Angebot an fermentierten Dingen. Nicht, weil’s gerade modern ist, sondern weil das natürlich auch ein Weg ist, Obst und Gemüse über die Zeit der aktuellen Ernte länger verfügbar zu machen.

Ein Restaurantbesuch sollte ja ein Rundum-Vergnügen sein – der Service trug da nicht unwesentlich zu bei. Erstens nett, zweitens freundlich, drittens locker. Reihenfolge beliebig. Die Weinkarte (zur Mittagszeit) war übersichtlich, die Zahl der offenen Weine ließ sich an den Fingern einer Hand abzählen. Wir hatten uns für einen Chardonnay aus Limburg (2018 Kiezelingenbos, Wijnkasteel Genoels-Elderen) entschieden, der sich als passender Begleiter zu den Gängen herausstellte.

De Kas
Kamerlingh Onneslaan 3
1097 DE Amsterdam

Tel. +31 204624562
www.restaurantdekas.nl

Ankunftzeiten für Lunch:
Di–So 12:00–13:45 Uhr

Ankunftzeiten zum Dinner:
Di–So 18:00–21:30 Uhr

[Besucht am 5. August 2021]

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