Dem VDP in Sachen Schaumwein die Stirn bieten

Gespräch mit Christoph Graf, Vorstand von Schloss Vaux. Mit ausgiebiger Probe von deren Sekten

VAUX-Probe

Der klassische Dreisatz, angewandt auf Städte und einen Sekt mit dem gehörten Namen Wo, geht so: 1868 gründeten ein Teil der Familie Graeger aus dem Rheingau in Berlin eine Firma. Champagner wollten sie machen, denn Champagner ging schon immer gut in Berlin. Für den erforderlichen Rohstoff muss man aber – wenn er gut sein soll – weit gehen. Bis an die Mosel, genauer in den kleinen Ort Vaux (aaah, so schreibt sich das!) in der Nähe von Metz. Da gab es Weinbau und ein Schloss, das Château de Vaux. 1892 haben die Berliner das Chateau erworben und dort im deutsch besetzten Gebiet auf französischem Grund Champagner produziert. Das ging gut, so lange es gut ging: Nach dem Ersten Weltkrieg fiel das Gebiet an Frankreich zurück, und Vaux zog mit seiner Produktion nach Eltville am Rhein, womit der Städtedreisatz perfekt wäre: Berlin – Vaux – Eltville. Wobei man immer wieder betonen sollte, dass Eltville in keinster Weise französisch ausgesprochen wird, sondern so, wie man es schreibt, mit gesprochenen drei Silben…

Christoph GrafDer das erklärt, heißt Christoph Graf, ist seit noch nicht allzu langer Zeit Vorstand der Sektmanufaktur Schloss VAUX, aber schon seit 2013 im Betrieb. Ihm hört im Garten des Raskolnikoff ein Kreis wiss- und sektbegieriger Gastronomen (m/w/d) zu und lernt an diesem Abend mindestens so viel wie es zu probieren gibt. Also sehr viel. „Wir können nichts anderes als klassische Flaschengärung“, sagt Christoph Graf gleich eingangs beim Blanc de Noir. „Und wir können nur brut, also maximal. Und das meist weniger als der Gesetzgeber als Obergrenze vorschreibt – 15 g empfinden wir als pappsüß.“ Das klingt doch gut!

Schloss Vaux war und ist einer der Premiumhersteller in Deutschland. 7 ha eigene Weinberge gibt es, aber daher kommen nur 20 % der Trauben. Die restlichen 80 % sind zugekauft, was in Deutschland immer noch anrüchig klingt ohne es sein zu müssen. Es hat sogar Vorteile, vor allem wenn es feste Partnerschaften sind, bei denen man sich kennt und voneinander weiß, was geht. Die nicht-eigenen Weine kommen hauptsächlich von vier Winzern – drei davon sind in der Pfalz, einer an der Nahe. Somit gibt es unterschiedliches Klima, unterschiedliche Böden, was zu einer gewollten Geschmacksvielfalt führt. Lediglich Antworten zu Fragen nach einer Biozertifizierung fallen dann etwas komplex aus: „Wir arbeiten ökologisch, sind aber noch nicht zertifiziert,“ erklärt Graf und vertieft: „Wir machen immer nur so viel wie nötig, die Partner sind aber noch nicht alle so weit.“ Umweltschonend arbeiten sie auch, aber sie sind noch nicht in der Umstellung.

450.000 Flaschen Jahresproduktion

KorkenRund 450.000 Flaschen produziert Schloss Vaux im Jahr – aber noch beeindruckender ist die Zahl der Flaschen, die auf der Hefe liegend ihrem Genuss entgegenlagern: über eine Millionen. 17 Mitarbeiter hat die Sektmabufaktur, die eine der Besten in Deutschland ist. „Sekt ist so hip wie in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts“, sagt Christoph Graf, und: „Sekt machen ist cool und spannend. Man müsse die Traube anders verstehen, den Weinberg anders verstehen. Für Sekt braucht es Grundwein mit niedrigem Alkoholgehalt und dennoch schöner Reife. „Wir können nicht starten mit einem Grundwein, der so produziert wurde wie jeder andere Wein auch.“ Die erste Hürde: man kann keinen Sekt sinnvoll herstellen, wenn der Grundwein 12,5 % Alc hat. Denn durch die zweite Gärung in der Flasche kommt ein Volumenprozent hinzu. Und das will man nicht trinken. Außerdem findet die Hefe dass nicht toll: die kommt in den Grundwein und säuft sofort ab: Alkoholtot. Sie schafft es nicht, den hohen Alkohol weiter zu vergären. Also ist das Ziel ein Grundwein mit höchstens 11,5 % Alc.

Cuvée VauxWir probieren Cuvée Vaux, die Visitenkarte des Hauses. 1999 entwickelt mit der Idee, dem Sekt ein neues Image zu geben, ganz bewusst in Anlehnung an die Champagne. Hundert Prozent Burgunderrebsorten war der Plan, aber es wurde eine Cuvée aus Weißburgunder, Spätburgunder und Riesling. Rasse, Lebendigkeit, das Spritzige. Der Riesling macht’s und bringt das eigene Profil. Wir tranken aus einee der letzten Flaschen des Jahrgangs 2018 – der lag 36 Monate auf der Hefe, was ihm durchaus bekommen ist. Der neue Jahrgang lag nun erst mal lediglich 24 Monate auf der Hefe (aber spätere Partien bringen er es dann auch auf 36 Monate…).

Hinten auf den Etiketten sieht man ein Sektmacherlogo. Das gehört zum Verband traditioneller Sektmacher –  „damit wollen wir dem VDP in Sachen Schaumwein die Stirn bieten“, meint Christoph Graf. 36 Mitglieder hat der Club, „darunter sind die besten 15 bis 20 Betriebe, die wir in Deutschland haben.“ Es sei ein traditioneller Verband, 1989 gegründet als „traditionell klassische Flaschenvergärer“, nicht gerade flüssig zu sprechen…

Glas mit CGDie Vaux-Flasche ist gedrungener und bauchiger als die bekannten Sektflaschen. „Die gibt’s nur für uns!“, sagt Graf, als wir das Thema Flaschenknappheit thematisieren. Wir erfahren: Recycling ist verboten bei Flaschen mit Druck. 20 bar Druck muss die Sektflasche aushalten. 6 bar Druck sind in der Flasche, getestet wird – die Sicherheit! – auf 20 bar Druck. Noch vor 10 bis 15 Jahren wog die übliche Champagnerflasche 950 g,  jetzt hat sie 850 g. Als die Vaux-Flasche entwickelt wurde, hat man eine wertige Flasche mit 750 g geschaffen (und war damit den Diskussionen um leichterte Flaschen weit voraus). Das Ziel sind 650 g („die würde ich noch gerne erreichen!“). Hergestellt werden die Flaschen in Thüringen, die Hütte produziert einmal im Jahr den Jahresbedarf – der nächste Jahrgang sei safe, trotz der angespannten Lage, erfahren wir. Mittlerweile koste die Flasche 70 Cent. Plus Etikett, plus Korken mit Agraffe, plus Sektsteuer 1,26 brutto/Flasche. Da ist dann noch kein Sekt in der Flasche…

Guter Sekt in Maßen genossen schadet auch in großen Mengen nicht

GVWir probieren Sekt aus Grünem Veltliner. Schmeckt das (Spoiler: ja!), kann man den zum Essen nehmen?  „Ich hab‘ doch gar keine andere Chance, ich habe doch keinen Stillwein im Betrieb!“, meint Christoph Graf lächelnd. Und im Ernst: Kapern, getrocknetes Fleisch, getrockneter Hirschschinken – wenn’s ein bisschen wild wird, passe das hervorragend zusammen. 2012 haben sie erstmals 2 Tonnen Grüner Veltliner aus dem Rheingau (Kiedricher Sandgrub) bekommen, seitdem machen sie das. „Der erste Jahrgang war sehr sehr sauer. Aber wir haben dazu gelernt!“ 3.000 Flaschen produzieren sie jährlich, Dosage Zero (abgerüttelt, abgeschossen): 0,3 g Restzucker zeigt die Analyse. Schwefelfrei ist er auch. „Das macht ihn erdiger, deftiger, wilder in der ganzen Form. Torfige Aromen, es riecht manchmal wie ein torfiger Whisky. Ich kann sowas aus Eimern trinken!“, schärmt Graf und postuliert eine schöne Weisheit: „Guter Sekt in Maßen genossen schadet auch in großen Mengen nicht!“ Im Glas haben wir den 2019er, also 24 Monate Hefekontakt. Auch da wird’s eine Partie geben, die 36 Monate auf der Hefe lag – wenn er nicht vorher ausverkauft ist. „Bedarfsgerechte Degorgierung“ nennt Graf das, die fertigen Sekte stehen also nicht lange im Lager.

Vaux Xline471 Flaschen gab’s vom nächsten Sekt, jetzt ist es schon wieder eine weniger. Eine Herausforderung, um an eine dann doch recht große Gruppe gerecht auszuschenken. Aber ein Profi schafft auch das: „Wer hat noch nicht, ich hab‘ noch ’ne halbe Flasche!“ Nase rein: was ist denn das? Wir denken an Sherry-Aromatik, irgendwas Oxidatives.  Der Herr Graf ist eher bei Birnen-Cidre aus der Normandie. Wir einigen uns auf frisch geriebenen oxidierten Apfel. Schmeckt aber viel besser als das klingt, nämlich nach altem Riesling. Riesling stimmt, aber nicht alt:Jahrgang 19 vom Hasensprung. Der ist spontan auf der Maische vergoren, wo er 14 Tage lag und ist dann im Holzfass vergoren. Der hat Grip – und ist ein idealer Begleiter zu Käse, beispielsweise. Ein alter Bergkäse, der dass Salzige liefert – und der Sekt übernimmt die Rolle des Chutneys und liefert die Frucht. Wieder Jahrgang 19: kräftige Grundweine vertragen kürzeres Hefelager. xline steht auf dem Etikett, es ist ein Projekt des Teams Maike Münster (Weinberge und Keller), Joachim Renk (der Sektmacher) und Christoph Graf. Unter der Linie erblicken ganz besondere Kellerkinder das Licht der Welt.

Riesling: die schwierigste und genialste Sorte für Sekt

Christopph GrafIm Glas: Rheingau Reserve. „Mit dem Projekt bin ich angetreten: 7 ha Rebfläche in den Betrieb zu integrieren!“ Und es gab Fragen für ihn und Schloss Vaux: Wie verstehen wir deutschen Spitzensekt, wie kann man Riesling da positionieren?“ Riesling sei zwar einerseits die schwierigste Rebsorte, um große Sekte zu machen – aber wenn man’s  schafft, eben auch die genialste Sorte, um Sekt zu machen. Jahrgang 2015 haben wir im Glas, der hatte fünf Jahre Hefekontakt. Das ist das eine Geheimnis. Das andere: die Trauben wurden an 14 Tagen geerntet, und an jedem Termin kommt natürlich unterschiedliches Material in den Keller, das entsprechend weiter verarbeitet werden muss. „Am Ende haben wir dann durch Fraktionierung auf der Presse 30 unterschiedliche Weine aus einem Jahrgang, aus einer Rebsorte, aus einer Herkunft. Die probieren wir und setzen das Puzzle zusammen, um mehr Komplexität und Vielschichtigkeit in den Sekt zu bringen.“

Eine vergleichbare Idee steckt hinter dem Rosé Reserve, von dem es nur eine kleine Menge gibt: ein Weinberg, eine Rebsorte, verschiedene Lesetage. Konkret handelt es sich um den Spätburgunder aus dem Geisenheimer Rothenberg. 1 ha nur hat Schloss Vaux da, daher haben sie nur an fünf Tagen gelesen. Dafür sind die Erntehelfer drei- bis vier Mal durch die Reihen gegangen und haben partiell geerntet. Der Ausbau erfolgte zu 25 % in kleinen Holzfässern, die Vielfalt fürs Cuvertieren ergab sich durch zehn bis zwölf kleine Gebinde. „Der ist kompromisslos, was Säure und Gerbstoff (gereifter aus der Beerenhaut) angeht. Ich trinke ihn gerne zu Lammkoteletts, beispielsweise“, verrät uns Christoph Graf und fügt eine Binsenweisheit hinzu, die sich leider in der Gastronomie nicht schnell genug rumspricht: „Der gehört ins Weinglas und nicht in so eine komische Sektflöte!“ Und wo wir gerade im Lernmodus sind, erfahren wir noch: Schaumwein sollte man nicht liegend lagern! Au weia…

Babbeln über Bubbles

Roter Sekt aus Assmannshausen war vor hundert Jahren total angesagt. Und da der Höllenberg nach wie vor eine der bekanntesten Rotweinlagen Deutschlands ist, könnte man ihn ja mal wieder probieren – und wird dabei zum Extremisten! Der Assmannshäuser Pinot Noir bringt nämlich Gerbstoff, Säure und Alkohol ins Glas. Aber man erlebt auch auch ein tiefes Rubinrot sowie eine Nase voll Sauerkirschen und Mandeln. „Man mag ihn oder man mag ihn nicht“, sagt Christoph Graf – und er wäre ein schlechter Vorstand, wenn er nicht einen Trick wüsste, die Mag-ihn-Fraktion zu vergrößern: die ersten Schlucke seien vielleicht gewöhnungbedürftig, und manche bräuchten vielleicht gar eine halbe Flasche.Über diese Schwelle aus Gerbstoff, Säure und Alkohol müsse man drüber, „und dann hat es den Anspruch, weiter getrunken werden zu wollen!“ Als Speisebegleiter funktioniere der Assmannshäuser zu „allem rund um die Ente, aber auch zu Ochsenschwanz oder Ochsenbacken.“ Das einzige Problem: die Flasche ist ja schon halb leer!

Vaux SekteDer Erbacher Marcobrunn ist eine der kleinsten Weinbergslagen im Rheingau, eine der drei Brunnenlagen dort. Da gibt’s also Wasser. Das tut den Reben auch in extremen Jahren gut, denn sie haben genügend Saft und dadurch Üppigkeit, Kraft und Reife. Der Grundwein geht oft deutlich in die exotische Richtung (Mango, Litschi). „Wir versuchen das durch die Hefe zu beeinflussen, dass es nicht zu extrem wird“, erklärt Graf die Kellerarbeit. Hinzu kommt ein heterogener Boden mit hohem Kalkanteil im Boden. Der Sekt ist ein Single Shot, nur ein Lesetag: Ein Tag, ein Gebinde. Im Glas haben wir den Jahrgang 2015, der sechs Jahre Hefelagerzeit und nur noch einen Hauch von Bubbles auf der Zunge hat.

Christoph Graf: „Das war das Grande Finale. Jetzt habe ich Euch platt gebabbelt…“

Sektmanufaktur Schloss VAUX
Kiedricher Strasse 18a
65343 Eltville

Tel. +49 61 23 – 6 20 60
schloss-vaux.de

 

2 Kommentare

  1. Lieber Ulrich (ich blieb jetzt mal, wie bei der Probe, beim DU – wenn ich darf),
    1000 Dank für diesen wunderbaren Bericht. Die Stimmung des lockeren Abends und die Themen die mir einfach wichtig sind, hast Du super eingefangen. Ich freue mich auf alle Fälle auf ein Wiedersehen im Rheingau oder auch wieder in Dresden – beides ist schön.

    Lieber Gruß und ein wunderbarer Sommer
    Christoph

  2. Danke für den Abend – hat man so auch nicht alle Tage. Und alles außer „Du“ hätte mich arg irritiert und zu einer Flasche Rotkäppchen greifen lassen. Und das muss ja nicht sein…

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